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Gefährliche Brühe im Endlager

Wie am vergangenen Wochenende bekannt wurde, trat im Atommüll-Endlager "Asse II" jahrelang radioaktive Lauge aus, die in den tiefsten Teil des ehemaligen Salzbergwerkes gepumpt wurde. Über die Ursachen und Herkunft der Lauge rätseln Experten indes noch.

Uli Blumenthal im Gespräch mit Wissenschaftsjournalistin Dagmar Röhrlich |
    Dagmar Röhrlich: Asse II ist ein altes Salzbergwerk, und das macht jetzt auch die Probleme. Darin hat man versucht, wie man denn nun Endlagertechniken erforschen kann für schwach- und mittelaktiven Müll. Jahrelang hat man da Fässer, gefüllt mit selbigem Müll, eingestapelt. Dann gab es aber eine Zeit, die wilden Jahre, wie sie heute nachträglich genannt werden, wo man über Rampen die Fässer in alte Abbaukammern hat reinrollen lassen und anschließend mit Salz-Grus bedeckt hat. Dabei sind anscheinend einige Fässer kaputt gegangen. Genau weiß man das nicht, aber man fürchtet es.

    Uli Blumenthal: Wie lange wurden diese Fässer in diesem Bergwerk gelagert?

    Röhrlich: Die letzten Fässer sind 1978 auf diese Art eingelagert worden. Die Probleme, die wir heute haben, sind halt wahrscheinlich dadurch verursacht worden, dass damals entweder Fässer mit Flüssigkeiten eingelagert worden sind, was nicht erlaubt gewesen wäre im Salz, oder dass Fässer halt durch Unachtsamkeit vollgelaufen sind mit Regenwasser oder was auch immer, und dann umgekippt sind und beschädigt worden sind. Was weiß einfach nicht, wo diese mindestens 80 Kubikmeter kontaminierte Lauge herkommen, das st ein Rätsel.

    Blumenthal: Was wollte man herausfinden mit diesem Versuchsendlager?

    Röhrlich: Man wollte schauen, wenn man die Fässer hinstellt, hinlegt oder halt auch hinunter kullern lässt, wie man das am besten gelagert bekommt und dann halt auch für die Zeit, bis die Radioaktivität abgeklungen ist, sicher in der Erde drin hat. Das ist ja nicht so wie beim hoch radioaktiven Bergwerk, wo ich für 100.000 von Jahren, eine Million von Jahren die Sicherheit garantieren muss - da ist in 100 bis 200 Jahren eigentlich alles vorbei. Das wollte man abschätzen, ob das funktioniert.

    Blumenthal: Was ist das nun für Wasser, über das diskutiert wird, wo kommt es her?

    Röhrlich: Wir haben zwei verschiedene Laugentypen. Das eine ist durch den Bergbau bedingt, weil der Bergbau damals - der natürlich nur auf Maximierung der Ausbeute geht - zu nahe an den Salzstockrand heran gegangen ist. So hat es nach dem Stilllegen des Bergbaus dazu geführt, dass da Lauge eingedrungen ist. Es ist Grundwasser von außen, und das ist in der Tiefe von 500 Metern immer stark salzhaltig. Diese Lauge ist nicht kontaminiert, um die geht es also nur insofern, weil man fürchtet, dass es mehr werden könnte als die zwölf Kubikmeter pro Tag, die heute eindringen und irgendwann zu den Fässern vordringen können. Das wäre dann sehr unangenehm. Gerade in der Diskussion ist diese schon erwähnte Lauge aus unbekannter Herkunft, die mit den Fässern zu tun hat. Die ist nämlich runtergepumpt worden in tiefere Schichten, weil man im Rahmen der Stilllegungsmaßnahmen jetzt eine Strömungsbarriere einbauen möchte. Die soll um diese Fässer herum gebaut werden und verhindern, dass die Lauge, die von außen kommt, eventuell zu den Fässern vordringen kann. Aber dafür müssten jetzt Leute dort arbeiten. Und um die zu schützen, weil ja der Grenzwert zum Teil über das Achtfache überschritten wird, hat man die Lauge, diese kontaminierte Lauge herunter gepumpt auf 900 Meter, und da ist die Frage, ist das jetzt genehmigungswürdig oder oder kann man das - das Bergwerk wird unter Bergrecht betrieben - unter dem Bergrecht machen oder nicht. Das ist noch eine Frage.

    Blumenthal: Was heißt diese Diskussion eigentlich bezogen auf die Frage "Salz als Endlagerstandort" für hochradioaktiven Müll?

    Röhrlich: Man kann auf jeden Fall ableiten, dass Schlamperei oder Unachtsamkeit in einem Endlager wirklich tödlich ist. Aber ob jetzt Salz geeignet ist oder nicht, das kann man davon nicht ableiten, weil das hochaktive Material in einem Bergwerk gelagert werden soll, das nur dafür geöffnet wird. Das heißt, diese ganzen Probleme, die dadurch entstehen, dass ich den Bergbau habe, dass ich zuerst mal viel Salz heraus gewinnen will, die habe ich nicht. Da kann ich rein auf die Sicherheit schauen und das sind natürlich völlig andere Bedingungen.

    Blumenthal: Das heißt, ich erschließe einen Tagebau nur für das Endlager und gehe nicht auf einen bestehenden und habe diese Probleme nicht?

    Röhrlich: Genau, ich würde ein Bergwerk ganz speziell nur für das Endlager aufbauen und das würde dann die Sicherheit bringen, die man bei einem alten Bergwerk aber einfach nicht haben kann.