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Gefährliche Geldanlagen

Viele Geldanlagen versprechen große Gewinne und geringe Risiken, doch oft sind die Risiken nur gut verhüllt. Mit einer werbewirksamen Aktion will der EU-Parlamentarier Sven Giegold (Grüne) jetzt darauf aufmerksam machen: Er ruft auf zur Wahl von Europas gefährlichstem Finanzprodukt.

Von Brigitte Scholtes | 15.02.2013
    "Rein ins Risiko" werben derzeit wieder die Strategen. Gegen Risiko hat der grüne Europaparlamentarier Sven Giegold gar nichts einzuwenden. Es sind nicht die Risiken, die ein Finanzprodukt gefährlich machen, sagt er, denn alle Innovationen sind mit Risiko verbunden. Gefährlich seien Produkte aus anderen Gründen:

    "Das Problem mit 'gefährlich' entsteht dann, wenn man für Risiken, die man eingeht, entweder nicht ernsthaft vergütet wird, nicht ehrlich vergütet wird, zweitens dann, wenn Risiken nicht transparent sind, wenn sie verschleiert werden in hoher Komplexität der Produkte, und drittens sind Finanzprodukte dann gefährlich, wenn die Rendite, die erwirtschaftet wird, eigentlich von anderen bezahlt werden muss, also zum Beispiel wenn die Investition pleitegeht, dann der Staat haften muss, oder wenn das auf Kosten der Umwelt oder sozial Schwacher oder Armer auf der Welt geschieht oder zukünftiger Generationen, dann sind Finanzprodukte gefährlich."

    Deshalb hat Giegold zusammen mit der Hilfsorganisation Share und den Globalisierungskritikern von Weed einen Wettbewerb gestartet zur Abstimmung über das gefährlichste Finanzprodukt. Zahlreiche Nominierungsvorschläge haben Bürger, Organisationen oder Verbraucherschützer schon über eine Webseite eingereicht, bis heute ist das noch möglich. Hochkomplexe Fondsstrukturen gehören dazu oder payday loans, Kleinstkredite gegen einen Wucherzins, wie sie in Großbritannien angeboten werden. Eine Jury wählt bis zum 25. Februar drei Vorschläge aus, und über diese soll dann im Internet abgestimmt werden. Viele Finanzprodukte führen den Verbraucher tatsächlich in die Irre, meint auch Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur der Zeitschrift Finanztest, und erinnert:

    "Das ist das Hauptproblem bei den Zertifikaten gewesen in der Finanzkrise 2008/2009, dass ganz viele Leute zum Beispiel Lehman-Zertifikate gekauft haben und gedacht haben, das ist eine sichere Anlage und dann das Geld komplett verloren haben, oder Zertifikate gekauft haben, bei denen ihnen gesagt worden ist, da kann im Prinzip nichts passieren, und dann haben sie 97 Prozent verloren. So was kann natürlich nicht sein, weil die Diskrepanz zwischen "es kann im Prinzip nichts passieren" oder "ich verliere alles oder 90 Prozent" eben das große Problem für den Verbraucher ist."

    Zwar kann die Finanzaufsicht auch jetzt schon Produkte verbieten, aber das immer erst, wenn sie schon auf dem Markt sind. Das dürfte sich zwar mit der neuen Finanzmarktrichtlinie MiFid ändern, die ist derzeit in der Planung, eine Verbotsmöglichkeit ist vorgesehen. Für Versicherungsprodukte müsste die ebenfalls kommen, fordert Giegold. Aber Verbote sind das eine, deren Durchsetzung das andere, meint Hermann-Josef Tenhagen:

    "Wenn Sie ein Tempo 50-Schild am Ortseingang hinstellen und Sie haben dann keinen Blitzer und nie einen Polizeiwagen, der auch mal kontrolliert und dem einen oder anderen vielleicht ein Bußgeld auferlegt oder wenn da jemand dauernd rast, ihm den Führerschein wegnimmt, dann können Sie so viel Gesetze machen wie Sie wollen. Gesetze leben davon, dass auch glaubwürdig ist, dass der Staat sie auch durchsetzt. Und das haben wir in vielen Fällen im Finanzmarkt heute nicht."

    Der Europaabgeordnete Giegold plädiert für ein staatliches Qualitätssiegel für Finanzprodukte.

    "In Großbritannien und in Skandinavien entwickelt sich die Finanzmarktregulierung in diese Richtung, und das machen wir in Deutschland leider bisher nicht, sondern wir sagen im Grunde: Der mündige Verbraucher kann das alles selber beurteilen."

    Doch die Erfahrung zeigt, dass es an der Beratung häufig noch hapert, sagt Hermann-Josef Tenhagen:

    "Für eine mündige Entscheidung brauche ich die Informationen vom Anbieter, damit ich entscheiden kann. Wenn der Anbieter die Informationen nicht oder nicht in einer Form bereitstellt, dass ich die begreifen kann, kann ich da nicht mündig mit umgehen."

    Das heißt aber auch, der Verbraucher muss sich darauf einstellen, für Beratung künftig bezahlen zu müssen, damit er solide, neutrale Informationen erhalten kann.