Wer in Saudi-Arabien öffentlich sagt, dass der Glaube Privatsache sein sollte oder dass der Islam von radikalen Kräften politisch benutzt wird, der kann verhaftet, ja sogar mit der Todesstrafe bedroht werden. Aktuell ist davon im saudischen Königreich einer bekanntesten Intellektuellen der arabischen Welt betroffen: Turki Al-Hamad .
"Wir leben in einer Welt, die größtenteils vernunftbetont in die Zukunft schaut. Aber die Araber halten weiterhin an ihren Illusionen fest. Dabei wissen wir, dass weltliche Angelegenheiten mit einem anderen Maß gemessen werden müssen als Glaubensfragen. Wenn wir beides mischen, gibt es ein Problem. Natürlich kann man Religion und Politik nicht trennen. Aber man kann die religiösen Institutionen von den staatlichen Institutionen trennen."
Turki Al-Hamad sagt, was er denkt, in präzisen Worten und in ruhigem Ton – hier in einem Interview mit dem arabischen Fernsehsender Al-Arabiya. Doch seit einigen Wochen ist Turki Al-Hamad von der Bildfläche verschwunden. Am 24. Dezember 2012 wurde er auf Befehl des Innenministers Mohammed bin Naief in der saudischen Küstenstadt Jedda festgenommen. Im Londoner Büro der internationalen Schriftstellervereinigung PEN mache man sich große Sorgen um den 60-jährigen Autor. Der Nahostreferent Ghias al Jundi erklärt in einem Interview per Skype:
"Er ist immer noch in Isolationshaft, ohne Kontakt zu seiner Familie oder zu seinem Anwalt. Anwälte und Freunde haben an die saudischen Behörden geschrieben, aber bisher gab es keine Antwort."
Angeblich hat eine islamische Organisation Anzeige erstattet, wegen Beleidigung des Propheten. Tatsache ist, dass Turki Al-Hamad in den letzten Monaten über den Handyinternetdienst Twitter provokante Botschaften versendet hatte. Doch die "Tweets" attackierten nicht den Propheten Muhammad, sondern die extremistische Ideologie des Wahhabismus, die nach Ansicht von Turki Al-Hamad den gewaltbereiten religiösen Fanatismus fördert. Und das liest sich so:
"Da ich ein Muslim in der Tradition des Propheten Muhammad bin, lehne ich den Wahhabismus ab. So, wie unser geliebter Prophet Muhammad einst kam, um den Glauben Abrahams zu reformieren, so ist nun die Zeit gekommen, um den Islam zu reformieren."
Viele Intellektuelle in Saudi-Arabien und der arabischen Welt sehen in Turki Al-Hamad ein Vorbild. Der 1953 geborene Sohn einer Kaufmannsfamilie hegte als junger Mann Sympathien für die arabische Linke. Er promovierte in den USA in Politikwissenschaften, lehrte anschließend in Saudi-Arabien an der Universität. Heute arbeitet er als freier Publizist und Autor. Neben Kolumnen für große arabische Tageszeitungen hat Turki Al-Hamad mehrere Romane geschrieben. Alle sind in Saudi-Arabien verboten. Einer der Romane mit dem Titel "Adama" liegt auch in deutscher Übersetzung vor. Protagonist ist ein junger Mann namens Hisham, der im Saudi-Arabien der 1970er-Jahre seinen eigenen Weg sucht, politisch, sexuell und religiös. In einer Schlüsselszene findet Hisham seinen ganz eigenen, persönlichen Weg zum Glauben, bei einem nächtlichen Familienausflug in der Wüste.
"Hisham setzte sich auf den weichen, kühlen, unberührten Sand. Zufrieden ließ er sich ihn durch die Finger rieseln und sah hinauf zu den fernen Sternen in der Kuppel der Unendlichkeit. Ihm wurde bewusst, dass Gottes Botschaft stets nur in dieser Stille und Unendlichkeit seinen Propheten offenbart worden war, wo nichts zu finden war bis auf das Geheimnis des Lebens selbst, das man nicht sehen, nur tief im Innern fühlen konnte, ohne es definieren zu können."
(Aus: Turki Al-Hamad : Adama, Heyne Verlag, 2004, Übersetzung aus dem Englischen: Cordula Kolarik)
Religion ist etwas Persönliches, weder der Staat noch sonst jemand haben dabei mitzureden. Auf solche Botschaften reagiert nicht nur das saudische Regime allergisch, dessen Herrschaft auf einem Bündnis mit den extrem intoleranten Wahhabiten fußt. Zahlreiche radikale Geistliche und ihre Anhänger haben in den letzten Monaten mithilfe der sozialen Medien eine Hetzkampagne gegen Al-Hamad orchestriert, bei der unter anderem zum Mord an dem Schriftsteller aufgerufen wurde. Aber auch das säkulare, demokratische Lager ist nun aktiv geworden. Nur wenige Tage nach der Verhaftung sandten über 400 arabische und saudische Intellektuelle und Menschenrechtsaktivisten einen öffentlichen Brief an den saudischen Kronprinzen, mit der Aufforderung, Turki Al-Hamad unverzüglich freizulassen. Ein Zitat aus dem Brief:
"Die Inhaftierung verletzt nicht nur die Würde von Turki Al-Hamad, sondern die Würde des Königreiches Saudi-Arabien. Turki Al-Hamad sollte nicht im Gefängnis sitzen, sondern er sollte für sein Werk einen Preis bekommen."
Dass eine so prominente Figur wie Turki Al-Hamad in Isolationshaft sitzt, hat aus Sicht von Beobachtern zwei Gründe: Zum einen will das saudische Herrscherhaus kritische Untertanen einschüchtern; zum anderen sollen radikale religiöse Gruppen das Gefühl haben, dass ihre Forderungen erfüllt werden und so ruhiggestellt werden. Die Unterzeichner der Petition und der PEN-Club fordern auch die Freilassung des 23-jährigen saudischen Bloggers Hamid Kashgari, der ebenfalls wegen angeblicher Gotteslästerung im Gefängnis sitzt.
"Wir leben in einer Welt, die größtenteils vernunftbetont in die Zukunft schaut. Aber die Araber halten weiterhin an ihren Illusionen fest. Dabei wissen wir, dass weltliche Angelegenheiten mit einem anderen Maß gemessen werden müssen als Glaubensfragen. Wenn wir beides mischen, gibt es ein Problem. Natürlich kann man Religion und Politik nicht trennen. Aber man kann die religiösen Institutionen von den staatlichen Institutionen trennen."
Turki Al-Hamad sagt, was er denkt, in präzisen Worten und in ruhigem Ton – hier in einem Interview mit dem arabischen Fernsehsender Al-Arabiya. Doch seit einigen Wochen ist Turki Al-Hamad von der Bildfläche verschwunden. Am 24. Dezember 2012 wurde er auf Befehl des Innenministers Mohammed bin Naief in der saudischen Küstenstadt Jedda festgenommen. Im Londoner Büro der internationalen Schriftstellervereinigung PEN mache man sich große Sorgen um den 60-jährigen Autor. Der Nahostreferent Ghias al Jundi erklärt in einem Interview per Skype:
"Er ist immer noch in Isolationshaft, ohne Kontakt zu seiner Familie oder zu seinem Anwalt. Anwälte und Freunde haben an die saudischen Behörden geschrieben, aber bisher gab es keine Antwort."
Angeblich hat eine islamische Organisation Anzeige erstattet, wegen Beleidigung des Propheten. Tatsache ist, dass Turki Al-Hamad in den letzten Monaten über den Handyinternetdienst Twitter provokante Botschaften versendet hatte. Doch die "Tweets" attackierten nicht den Propheten Muhammad, sondern die extremistische Ideologie des Wahhabismus, die nach Ansicht von Turki Al-Hamad den gewaltbereiten religiösen Fanatismus fördert. Und das liest sich so:
"Da ich ein Muslim in der Tradition des Propheten Muhammad bin, lehne ich den Wahhabismus ab. So, wie unser geliebter Prophet Muhammad einst kam, um den Glauben Abrahams zu reformieren, so ist nun die Zeit gekommen, um den Islam zu reformieren."
Viele Intellektuelle in Saudi-Arabien und der arabischen Welt sehen in Turki Al-Hamad ein Vorbild. Der 1953 geborene Sohn einer Kaufmannsfamilie hegte als junger Mann Sympathien für die arabische Linke. Er promovierte in den USA in Politikwissenschaften, lehrte anschließend in Saudi-Arabien an der Universität. Heute arbeitet er als freier Publizist und Autor. Neben Kolumnen für große arabische Tageszeitungen hat Turki Al-Hamad mehrere Romane geschrieben. Alle sind in Saudi-Arabien verboten. Einer der Romane mit dem Titel "Adama" liegt auch in deutscher Übersetzung vor. Protagonist ist ein junger Mann namens Hisham, der im Saudi-Arabien der 1970er-Jahre seinen eigenen Weg sucht, politisch, sexuell und religiös. In einer Schlüsselszene findet Hisham seinen ganz eigenen, persönlichen Weg zum Glauben, bei einem nächtlichen Familienausflug in der Wüste.
"Hisham setzte sich auf den weichen, kühlen, unberührten Sand. Zufrieden ließ er sich ihn durch die Finger rieseln und sah hinauf zu den fernen Sternen in der Kuppel der Unendlichkeit. Ihm wurde bewusst, dass Gottes Botschaft stets nur in dieser Stille und Unendlichkeit seinen Propheten offenbart worden war, wo nichts zu finden war bis auf das Geheimnis des Lebens selbst, das man nicht sehen, nur tief im Innern fühlen konnte, ohne es definieren zu können."
(Aus: Turki Al-Hamad : Adama, Heyne Verlag, 2004, Übersetzung aus dem Englischen: Cordula Kolarik)
Religion ist etwas Persönliches, weder der Staat noch sonst jemand haben dabei mitzureden. Auf solche Botschaften reagiert nicht nur das saudische Regime allergisch, dessen Herrschaft auf einem Bündnis mit den extrem intoleranten Wahhabiten fußt. Zahlreiche radikale Geistliche und ihre Anhänger haben in den letzten Monaten mithilfe der sozialen Medien eine Hetzkampagne gegen Al-Hamad orchestriert, bei der unter anderem zum Mord an dem Schriftsteller aufgerufen wurde. Aber auch das säkulare, demokratische Lager ist nun aktiv geworden. Nur wenige Tage nach der Verhaftung sandten über 400 arabische und saudische Intellektuelle und Menschenrechtsaktivisten einen öffentlichen Brief an den saudischen Kronprinzen, mit der Aufforderung, Turki Al-Hamad unverzüglich freizulassen. Ein Zitat aus dem Brief:
"Die Inhaftierung verletzt nicht nur die Würde von Turki Al-Hamad, sondern die Würde des Königreiches Saudi-Arabien. Turki Al-Hamad sollte nicht im Gefängnis sitzen, sondern er sollte für sein Werk einen Preis bekommen."
Dass eine so prominente Figur wie Turki Al-Hamad in Isolationshaft sitzt, hat aus Sicht von Beobachtern zwei Gründe: Zum einen will das saudische Herrscherhaus kritische Untertanen einschüchtern; zum anderen sollen radikale religiöse Gruppen das Gefühl haben, dass ihre Forderungen erfüllt werden und so ruhiggestellt werden. Die Unterzeichner der Petition und der PEN-Club fordern auch die Freilassung des 23-jährigen saudischen Bloggers Hamid Kashgari, der ebenfalls wegen angeblicher Gotteslästerung im Gefängnis sitzt.