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Gefährliche Nahrungsergänzung

Ernährung.- Sogenannte Botanicals sind Nahrungsergänzungsmittel, von denen man sich gesundheitsfördernde Effekte verspricht. Da sie pflanzlichen und somit natürlichen Ursprungs sind, werden sie von Verbrauchern häufig als harmlos eingeschätzt. Doch das kann ein Trugschluss sein.

Von Volker Mrasek |
    Die Substanzen, um die es geht, heißen Pyrrolizidin-Alkaloide. Bestimmte Pflanzen wie Greiskräuter und Borretsch setzen sie ein, um Fressfeinde abzuwehren. Es handelt sich also um Giftstoffe aus der Apotheke der Natur, die auch im Nektar und im Pollen der Kräuter vorkommen. Deshalb wundert es nicht, dass die pflanzlichen Toxine zuerst in Blütenhonig gefunden wurden. Denn Bienen fliegen auch Greiskräuter und Borretschgewächse an.

    Alfonso Lampen, Leiter der Abteilung Lebensmittelsicherheit am Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin:

    "Man muss aber auch sagen, das weiß man auch, welcher Honig aus welcher Region betroffen ist. In Deutschland ist es ganz klar so – das haben die Untersuchungen auch deutlich gemacht, dass hier die Belastung sehr, sehr gering ist. Wenn wir aber Honig aus Südamerika, Mittelamerika importieren, aus Asien zum Teil auch, und es wird viel Honig aus diesen Regionen importiert – dann kann der mit diesen Alkaloiden belastet sein."

    Größere Sorgen macht sich der Experte allerdings um Blütenpollen. Denn auch die werden von Verbrauchern konsumiert. Es gebe eine immer größere Nachfrage nach sogenannten Botanicals, also nach vermeintlich nutzbringenden pflanzlichen Nahrungsergänzungsmitteln. Das sagte der Biologe und Veterinärmediziner jetzt auf einem Seminar der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in Bonn. Zu dieser Kategorie zählt Alfonso Lampen auch Blütenpollen:

    "Das sind so Mittelchen im Prinzip, Nahrungsergänzungsmittel, die eigentlich nicht spezifisch, aber insgesamt gut auf die Haut, auf die Gelenke wirken sollen. Das ist mehr Internet-Vermarktung, aber in einigen Drogerien kann's das durchaus auch geben."

    In den Blütenpollen sind die giftigen Pyrrolizidin-Alkaloide besonders stark konzentriert:

    "Also, da sehen wir eigentlich das größte Problem. Während im Honig selber geringste Mengen – Mikrogramm pro Kilogramm – nachzuweisen sind, sind im Pollen Milligramm pro Kilogramm. Also eine Tausenderpotenz höher die Belastung! Wenn der Pollen aus Südamerika, Asien kommt. Dort kann es sein, dass wirklich höhere Belastungen festzustellen sind."

    Mit Pyrrolizidin-Alkaloiden beschäftigt sich auch Helmut Wiedenfeld intensiv. Er leitet die Arbeitsgruppe Pflanzenchemie am Pharmazeutischen Institut der Universität Bonn:

    "Wenn man das Wort 'Alkaloid' hört, da denkt man natürlich an extrem stark wirkende Stoffe wie Morphin, Kodein, Nikotin – ein sehr starkes Gift. Die Pyrrolizidin-Alkaloide gehören also chemisch derselben Substanzklasse an, sind aber ... haben keine so eine starke physiologische Wirkung. Per sé sind diese Stoffe praktisch nicht akut toxisch."

    Das bedeutet: Sie wirken nicht unmittelbar giftig, wenn man sie zu sich nimmt.

    "Das Tückische daran ist aber, dass diese Stoffe in der tierischen oder menschlichen Leber zu toxischen Stoffen metabolisiert, also verstoffwechselt, werden. Und diese Stoffe können dann zu starken Lebervergiftungen führen, bis hin zum Leberkrebs."

    Bisher gibt es zwar keine Grenzwerte für Pyrrolizidin-Alkaloide in Lebensmitteln. Aber das Bundesinstitut für Risikobewertung betont, dass die Belastung des Verbrauchers mit diesen Toxinen so niedrig wie möglich gehalten werden müsse.

    Honig aus einheimischer Produktion hält Institutsexperte Alfonso Lampen hier für unbedenklich. Nicht aber die als Nahrungsergänzung vermarkteten Blütenpollen:

    "Die Herkunft ist entscheidend. Wenn sie aus Europa kommen, haben wir keine großen Bedenken. Aber sie kommen in der Regel nicht aus Europa. Und deswegen empfehlen wir, Nahrungsergänzungsmittel auf Pollenbasis im Moment nicht hochdosiert und nicht regelmäßig einzunehmen. Auf der anderen Seite wissen wir auch aus anderen Zusammenhängen, dass die Wirkungen, die erwartet werden von den Pollen, wissenschaftlich auch nicht nachgewiesen sind."

    Am Bundesinstitut für Risikobewertung will man sich jetzt systematisch mit den unerwünschten Pyrrolizidin-Alkaloiden beschäftigen. Es soll geprüft werden, in welchen anderen Lebensmitteln sie vielleicht auch noch stecken. Die Ergebnisse sollen in der zweiten Jahreshälfte vorliegen.