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Gefährliche Pilze

Es gibt Millionen von Pilzen, aber nur wenige Arten machen den Menschen krank. Fußpilz ist zwar unangenehme, aber nicht lebensgefährlich. Jahrelang galten Pilzinfektionen als Domäne der Hautärzte, doch das hat sich in den letzten Jahren geändert. Immer häufiger beobachten die Mediziner, dass Pilze auch die inneren Organe befallen. In den USA wird jede 4. Blutvergiftung mittlerweile durch Pilze ausgelöst.

Von Hartmut Schade | 09.09.2008
    "Pilze brauchen, wenn sie kultiviert werden, ihre Zeit. Und diese Zeit hat man eigentlich nicht."

    Sagt Professor Eberhard Straube von Institut für Medizinische Mikrobiologie der Universität Jena. Er stellte auf der Jenaer Tagung ein von ihm entwickeltes Diagnoseverfahren vor, dass es ermöglicht, Pilzinfektionen rasch zu erkennen. Dabei wird eine Blutprobe durch eine Chromatographie-, eine Trennsäule, geschickt.

    " In dieser Chromatographiesäule befindet sich ein Protein, was in der Lage ist, Pilz-DNA herauszuholen. Die bleibt in der Säule hängen und das kann man dann anschließend mit Hilfe molekularbiologischer Verfahren nachweisen. "

    So lässt sich schnell klären, ob Pilze das Fieber auslösen oder Bakterien. Vor allem können die Mediziner erkennen, welcher Pilz angreift. Denn Pilze sind trickreiche Verwandlungskünstler. So kann der Schimmelpilz Aspergillus fumigatus, je nach dem ob er im Badezimmer, auf einem Acker oder in der Biotonne lebt, ganz verschiedene Farben und Formen annehmen. Und der Hefepilz Candida albicans, der die lästigen Schuppen im Haar verursacht, nimmt gar eine ganz neue Gestalt an, wenn er von der Haut in den Körper wandert, sagt Professor Axel Brakhage vom Jenaer Hans-Knöll-Institut für Naturstoffforschung und Infektionsbiologie.

    "Wenn diese Fresszellen weniger aktiv sind, kann dieser Pils von der Hefeform, so ovale Form, kann der als Hyphe auswachsen, also der bildet so einen langen Schlauch und fängt dann an, in das Gewebe einzuwachsen. Und dann gelangt der zu den Blutbahnen, wird dann durch den Blutstrom abgerissen - so stellen wir uns das vor zumindest - und wird dann zum Beispiel in den Nieren gefiltert, kolonisiert dadurch die Nieren und kann von dort aus weitere Organe infizieren. "

    Der veränderten Form gehen genetische Veränderungen in den Pilzen voraus. Axel Brakhage sucht nach Markern, die diese Wandlung von candida albicans vom lästigen zum lebensbedrohlichen Keim frühzeitig ankündigen.

    "Wie erhoffen uns mal, irgendwann in der Zukunft, dass wir uns das molekulare Muster dieses Pilzes angucken und dann sagen können: ist der noch harmlos oder ist der gerade in dem Stadium, sich zu verändern zu einem aggressiven Krankheitserreger."

    Die Zahl der systemischen Pilzerkrankung, sie befallen den ganze Körper, hat sich in den letzten 15 Jahren verdreifacht. Das ist die Kehrseite des Erfolges der modernen Medizin. Normalerweise werden die Fresszellen unseres Immunsystem gut mit den Pilzen fertig. Wenn aber die Abwehr wegen einer Krebsbehandlung geschwächt ist, wenn sie nach einer Transplantation unterdrückt wird, oder im Alter nachlässt, dann können die Pilze in den Körper eindringen. Pilzinfektionen zu bekämpfen, erfordert deshalb mehr als nur Antipilzmedikamente einzusetzen. Eberhard Straube:

    "Das ist die eine Seite, dass man das mit Medikamenten, mit Antimykotika bekämpft . Die andere ist aber ebenso wichtig, das man hergeht, die Disposition für Pilzinfektionen zu verbessern. Man kann die Immunsituation des Patienten verbessern, man kann die Zahl der weißen Blutkörperchen verbessern, um einfach die Abwehrsituation zu verbessern. "

    Nach Transplantationen wird die Immunabwehr bewusst unterdrückt, um ein Abstoßen des verpflanzten Organs zu verhindern, auch die nach einer Krebsbehandlung geschwächte Abwehr kann nicht in kürzester Zeit wieder Aktiviert werden. Pilzbekämpfung bedeutet im Klinikalltag oft die Wahl des kleineren Übels. Um so wichtiger sind das frühzeitige Erkennen einer Infektion. Leider - auch das wurde auf dem Kongress beklagt - spielen Pilzerkrankungen in der Medizinerausbildung nur eine marginale Rolle.