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Gefängnisinsel Goli Otok
Kein würdiges Erinnern

Tausende Gefangene wurden auf der Insel eingesperrt und gefoltert. Das ex-jugoslawische Gefängnis ist seit rund 30 Jahren stillgelegt und seine Gebäude verfallen. Nur wenige Menschen erinnern an den Ort und gedenken der Opfer.

Von Dirk Auer |
Das Gefängnis auf der Insel Goli Otok ist seit 1988 stillgelegt. Die kroatische Regierung setzt sich nicht für den Erhalt der Gebäude ein und erinnert damit auch nicht an diesen Teil der Landesgeschichte.
Das Gefängnis auf der Insel Goli Otok ist seit 1988 stillgelegt. Die kroatische Regierung setzt sich nicht für den Erhalt der Gebäude ein und erinnert damit auch nicht an diesen Teil der Landesgeschichte. (Deutschlandradio / Dirk Auer)
15 Minuten dauert die Fahrt mit dem Ausflugsboot von der Ferieninsel Rab nach Goli Otok. An der Anlegestelle gibt es einen kleinen Souvenirladen. Musik schallt aus dem Restaurant von Igor Tomicic. Es ist das einzige wirklich intakte Gebäude auf der Insel. Igor Tomicic meint:
"Es ist wirklich bedauerlich, dass hier alles verkommt. Es gibt nur noch zwei bis drei Gebäude, die in gutem Zustand sind. Man sollte dort ein Museum einrichten. Und vielleicht ein kleines Hostel, dass die Besucher der Insel wenigstens für eine Nacht bleiben können."
Die Gebäude und die Erinnerung zerfallen
Von der Anlegestelle aus führt eine asphaltierte Straße einen steilen Hügel hinauf. Links und rechts liegen die ehemaligen Werkhallen, in denen die Gefangenen Zwangsarbeit verrichteten. Überall liegt Schutt herum. Igor Tomicic fährt fort:
"Schauen Sie, wie es hier aussieht. Allein um alles aufzuräumen, bräuchte man wohl eine ganze Armee."
Igor Tomicic betritt ein Gebäude: die Kuglana, die Kegelbahn, erbaut von der ersten Gefangenengeneration, damit die Wächter einen Ort zum Amüsement hatten. "Hier sind ein paar Dinge, die wir retten konnten", sagt Igor Tomicic und zeigt auf ein paar Schüsseln, Becher, die Fahne Jugoslawiens.
Besucher können sich außerdem einen kurzen Film über die Geschichte von Goli Otok anschauen. Filme sind die einzigen Dokumente, in denen noch die Zeitzeugen aus den berüchtigten Anfangsjahren des Lagers zu hören sind - wie etwa Alfred Pal, ein ehemaliger Partisan. Im Zweiten Weltkrieg hatte er noch an Titos Seite gekämpft. Dann, nach dem Bruch Titos mit der Sowjetunion, wurde er plötzlich stalinistischer Sympathien verdächtigt. Am 9. Juni 1949 kam er nach Goli Otok, zur politischen Umerziehung, wie es offiziell hieß. Alfred Pal:
"Sie wollten dir klarmachen, dass Du nur ein Stück Dreck bist"
"Man kam auf die Insel als jemand mit mehr oder weniger Selbstachtung. Und hier wurde das alles annulliert. Sie wollten dir klarmachen, dass Du nur ein Stück Dreck bist, ein Niemand und dass es die Partei ist, die für Dich entscheidet."
Etwa 400 Gefangene kamen in dieser Zeit des Terrors zu Tode - durch Krankheit, Zwangsarbeit, Erschöpfung und Folter. Ab 1956 verbesserten sich die Bedingungen: Mehr und mehr normal verurteilte Kriminelle kamen nach Goli Otok, doch daneben gab es immer auch noch politische Gefangene. 1988 wurde das Gefängnis geräumt und alle Dokumente vernichtet - weshalb sich lange Zeit noch viele Mysterien um die Insel rankten, wie Marin Muscu erzählt - er kommt aus Lopar, von der Nachbarinsel Rab:
"Viele Leute aus Lopar haben damals auf Goli Otok als Wächter gearbeitet. Aber damals hat man nicht darüber gesprochen, und deshalb wusste man nur wenig, was auf der Insel passiert ist. Und das ging noch lange Zeit so weiter: Sowohl die ehemaligen Gefangenen als auch die Wächter haben sich nur sehr vorsichtig über ihre Erlebnisse geäußert. Aber langsam ist dann die Wahrheit ans Licht gekommen."
Die kroatische Regierung erhält den Ort nicht
Für den Schutz und die Erhaltung des Orts setzt sich heute nur eine kleine Nichtregierungsorganisation ein - und: die Touristenorganisation von Lopar, dessen Direktor Marin Musco ist. Er sagt:
Gedenktafel auf der Gefängnisinsel Goli Otok 
Gefängnisinsel Goli Otok - Gedenktafel (Deutschlandradio / Dirk Auer)
"Wir haben gemacht, was möglich ist: Wir haben Informationstafeln aufgestellt, es gibt das Restaurant, einen Souvenirladen. Aber für alles weitere bräuchten wir staatliche Hilfe. Wir wollen, dass Goli Otok zu einem offiziellen Gedenkort wird."
Dafür gibt es immerhin schon einen Gesetzentwurf, über den im kroatischen Parlament auch schon diskutiert wurde. Marin Musco weiter:
"Aber bislang ist nichts weiter passiert. Warum? Ich weiß es nicht. Aber wir erwarten, dass das Gesetz endlich verabschiedet wird. Und dass sich dadurch die Insel in eine Richtung entwickelt, wie sie es aufgrund ihrer Bedeutung auch verdient."