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Gefahr aus dem Vorgarten
Invasive Arten auf dem Vormarsch

Der Klimawandel begünstigt die Ausbreitung fremder Tier- und Pflanzenarten in Europa, sagt Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamts für Naturschutz, im DLF. Durch neue Verbreitungsgebiete passen sich die betroffenen Arten den veränderten Bedingungen an. Doch invasive Arten wie der Staudenknöterich können sich auch zum Problem entwickeln.

Beate Jessel, Präsidentin Bundesamt für Naturschutz, im Gespräch mit Britta Fecke |
    Eine Beifuß-Ambrosiapflanze
    Ambrosia hat sich in Europa stark verbreitet. (picture-alliance/ ZB - Patrick Pleul)
    Britta Fecke: Die Dreikantmuschel kommt aus dem Kaspischen Meer. Doch am Bug von Schiffen oder als Larve im Ballastwasser der Boote hat sie eine weite Reise nach Westen angetreten, bis in den Bodensee. Dort blieb sie nicht lange unbemerkt, denn sie verstopfte unter anderem die Trinkwasserrohre. Ein Beispiel von vielen, das zeigt, wie schnell sich invasive Arten in heimischen Ökosystemen ausbreiten, angestammte Arten verdrängen und neben der Umwelt auch die Wirtschaft belasten können. Das Bundesamt für Naturschutz stellt zur Stunde ein Handbuch zum Umgang mit gebietsfremden Arten in Deutschland vor. Ich bin jetzt verbunden mit Professor Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamt für Naturschutz. Frau Jessel, kommen diese eingewanderten Arten denn eher aus südlichen Gefilden, oder auch aus dem Norden Europas zu uns?
    Beate Jessel: Die meisten gebietsfremden Arten kommen aus ganz anderen Weltgegenden zu uns, nämlich aus dem nordamerikanischen Raum und aus dem asiatischen Raum, und hier aus Gebieten, in denen ähnliche klimatische Bedingungen herrschen wie bei uns in Deutschland. Sie werden aus diesen Gebieten von Menschen, durch menschliche Einwirkung aktiv eingeschleppt oder unabsichtlich mitgebracht und freigesetzt.
    Aus dem asiatischen und nordamerikanischen Raum
    Fecke: Welche Rolle spielt denn bei der Ausbreitung dieser invasiven Arten auch die Globalisierung?
    Jessel: Durch die immer größere Vernetzung der Handelsbeziehungen werden immer mehr Arten auch global gehandelt und auch unabsichtlich transportiert. Man könnte plakativ sagen, die Globalisierung hat auch unsere Tier- und Pflanzenarten erfasst. Da der Transport an sich immer schneller wird und die Transportwege auch global immer weiter gespannt werden, überleben immer mehr Arten den Transport. Sie werden zum Beispiel mitgebracht. Es kann passieren, dass Schädlinge mitgebracht werden im Transport von Holzpaletten oder von tropischen Hölzern, in Verpackungsmaterialien oder im Erdreich. Eine Quelle, durch die auch zahlreiche dieser Arten zu uns kommen, ist der Tierhandel und ist der Gartenbau. Bei uns zählt ja immer noch das Exotische als das Besondere, ob nun im Garten oder bei Heimtieren, und das sind dann Arten, die im Garten ausgebracht werden, sich gut ausbreiten und in die freie Natur entweichen, oder aber bei den Heimtieren Arten, die entweder versehentlich entweichen, oder sogar aktiv freigesetzt werden, weil man merkt, sie brauchen doch eine ganze Menge Pflege, und man dessen nicht mehr Herr wird.
    Zum Teil invasive Arten
    Fecke: Begünstigen die milderen Winter, also der Klimawandel auch die Ausbreitung dieser fremden Arten?
    Jessel: Unsere Analysen zeigen, dass die meisten dieser invasiven Arten auch vom Klimawandel profitieren werden. Wir müssen hier allerdings durchaus zwei Dinge unterscheiden. Das sind einmal die gebietsfremden und zum Teil invasiven Arten, die aus ganz anderen Weltgegenden durch aktive menschliche Einwirkung bei uns eingebracht werden. Hingegen werden durch den Klimawandel zahlreiche Arten aus Südeuropa und aus Südosteuropa, also aus an uns angrenzenden Gebieten zuwandern, und das sind Ausbreitungsprozesse, die ja sogar erwünscht sind und die man zum Teil sogar aktiv ermöglichen muss, um diesen Tier- und Pflanzenarten eine Anpassung an den Klimawandel und auch eine Anpassung ihrer Verbreitungsgebiete zu ermöglichen. Diese Zuwanderung aufgrund des Klimawandels, das sind natürliche Ausbreitungsprozesse, die man wie gesagt zum Teil sogar aktiv befördern muss.
    Fecke: Welche gebietsfremden Arten werden denn zum Problem und warum?
    Jessel: Zwei anschauliche, wenn man so will, Problemarten, die sich nennen lassen, das wäre zum Beispiel der japanische Staudenknöterich, eine aus Asien kommende Art. Es dürfte die bei uns teuerste invasive Art sein, denn dort, wo dieser Staudenknöterich auftritt, wuchert er sehr stark und überwuchert alles, was sonst an Pflanzen da ist, und überprägt die Bestände. Ein weiteres Beispiel ist der Waschbär. Der Waschbär tritt bei uns in Deutschland mittlerweile eigentlich flächendeckend auf, auch wenn man ihn gar nicht unmittelbar wahrnimmt. Er plündert die Nester von Vogelarten, klettert dabei zum Teil auch auf Bäume, wo Vögel brüten, und frisst die Eier. Er ernährt sich von kleinen Wirbeltieren und er macht in Brandenburg zum Beispiel den geschützten Sumpfschildkröten den Garaus und ist hier ein echter Beeinträchtigungsfaktor. Nur muss man sagen: Bei solchen Arten wie dem Staudenknöterich oder auch dem Waschbär, die sich schon sehr stark bei uns ausgebreitet haben, da ist der Zug eigentlich schon abgefahren. Dieser Arten wird man so auch nicht mehr Herr.
    Etwa 800 gebietsfremde Arten
    Fecke: Das heißt, die verdrängen die heimische Flora und Fauna?
    Jessel: Ja, denn man muss ja unterscheiden zwischen den gebietsfremden Arten. Wir haben etwa 800 sogenannte gebietsfremde Arten, die seit der Entdeckung Amerikas durch Columbus, also seit 1500 zu uns gekommen sind, weil dadurch damals ja auch der Welthandel verstärkt eingesetzt hat. Die weitaus meisten dieser Arten haben sich problemlos in unsere heimische tier- und Pflanzenwelt integriert und es sind nur etwa 80 dieser 800 Arten, also zehn Prozent, die problematisch sind und die man als invasiv bezeichnet, weil sie die heimische Tier- und Pflanzenwelt in Bedrängnis bringen, oder auch, weil sie bei uns Menschen zu gesundheitlichen Auswirkungen führen.
    Fecke: Sie denken wahrscheinlich auch an Allergien wie beim Riesenbärenklau oder bei Ambrosia.
    Jessel: Wir haben einige Arten, die bei Menschen zu Allergien führen können. Das ist zum Beispiel die Beifuß-Ambrosie, die zum Teil beim Vogelfutter unabsichtlich dabei ist. Das sind dann zum Beispiel Sonnenblumen, die auf dem Balkan kultiviert wurden und wo diese Ambrosie mit wächst. Die Pollen der Ambrosie können beim Menschen Allergien auslösen.
    Fecke: Was können wir denn gegen die Ausbreitung dieser problematischen Arten tun?
    Jessel: Die Ambrosie ist ein gutes Beispiel. Hier kann man nämlich darauf achten, dass man ambrosiafreies Vogelfutter kauft. Das ist auf den Vogelfutter-Packungen mittlerweile auch so ausgewiesen. Der Handel hat sich hier entsprechend angepasst. Darauf achten sollte man auch, wenn im Gartencenter einem eine fremdländische Art ins Auge springt, die etikettiert ist mit "breitet sich gut aus und ist problemlos zu vermehren". Das sind dann häufig Arten, die nicht nur im eigenen Garten sehr wüchsig sind, oft so wüchsig, dass man ihrer dort gar nicht mehr Herr wird, sondern die auch leicht in die freie Natur entweichen können und sich dort ausbreiten können.
    Fecke: Ich sprach mit Professor Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, über die Ausbreitung invasiver Arten.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.