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Gefahr für Bestäuber und Wasserinsekten
Insektizide werden immer giftiger

Pflanzenschutzmittel sind in den vergangenen Jahrzehnten immer zielgerichteter und wirksamer geworden. Das ist einerseits positiv, weil zum Beispiel Vögel und Säugetiere heute viel seltener darunter leiden. Doch bei Insekten gefährdet die gestiegene Toxizität auch nützliche Arten wie Bienen.

Von Volker Mrasek |
Biene bestäubt eine Blüte
Pflanzenschutzmittel wie Neonicotinoide wirken nicht nur gegen Schadinsekten sondern gefährden auch Bienen (imago / Chromorange)
Die Forscher kommen zwar von der Universität Koblenz-Landau. Sie arbeiteten aber mit Daten aus den USA. Dort gehe man mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln transparenter um als in Deutschland und Europa, sagt Ralf Schulz, Professor für Umweltwissenschaften:
"Wir haben für gut 380 verschiedene Pestizide über 25 Jahre zwischen 1992 und 2016 Auswertungen gemacht und hatten einerseits für all diese Wirkstoffe die Menge, die pro Jahr in der Landwirtschaft in den USA eingesetzt wird. Und hatten zum anderen die Toxizitätsdaten: Also, wie giftig ist jedes dieser Pflanzenschutzmittel gegenüber Vögeln oder gegenüber Fischen oder gegenüber Insekten, die in Gewässern vorkommen, oder gegenüber Bienen?"
Die Daten dokumentieren einen Wandel beim Einsatz von Mitteln gegen Schadinsekten vor etwa 15 Jahren. Sogenannte Organophosphate und Carbamate wurden verboten. An ihre Stelle traten Wirkstoffe, die Vögel, Säuger und andere Wirbeltiere nicht mehr so stark schädigen. Auch wurden in den Folgejahren nicht mehr so viel Insektizide auf US-Äckern versprüht.

Neue Präparate wirken gezielter gegen Insekten

Allerdings wirkten die neuen Präparate nun viel gezielter gegen Schadinsekten, die sie töten sollen, so der Biologe:
"Und das bringt mit sich, dass sie auch spezifischer sind für die sogenannten Nicht-Zielorganismen, also zum Beispiel die Insekten im Gewässer oder die Bienen, die an Land herumfliegen. Und das ist das Problem, was wir sehen können an dieser Analyse."
Für jeden dieser Insektizid-Wirkstoffe bestimmten die Forscher die artspezifische Giftigkeit – und wie toxisch die ausgebrachte Mengen für verschiedene Gruppen nützlicher Insekten waren:
"Man kann grob sagen, dass über die 25 Jahre die Situation für die Wirbeltiere sich durchaus sehr stark verbessert hat, aber gleichzeitig vor allem in den Jahren zwischen 2005 und 2016 für Insekten im Gewässer und auch die Insektenlarven im Gewässer und auch die Bestäuber an Land zum Beispiel die Toxizität pro Jahr um acht Prozent angestiegen ist, obwohl die Menge an Insektiziden, die eingesetzt wurde, um 40 Prozent gesunken ist."

Pyrethroide und Neonicotinoide

Es sind vor allem zwei Wirkstoff-Gruppen, die heute von Landwirten als Insektizide eingesetzt werden: Pyrethroide und Neonicotinoide.
In den letzten anderthalb Jahrzehnten habe sich die Giftigkeit dieser Substanzen für Libellenlarven, Bienen und Bachflohkrebse in etwa verdoppelt, folgert der Landauer Hochschullehrer:
"Es hat also seit 2004 nochmal eine Entwicklung stattgefunden, dass eher Wirkstoffe eingesetzt werden, die eben nochmal deutlich toxischer sind als die, die vorher eingesetzt wurden. Bei den Neonicotinoiden weiß man auch seit einigen Jahren, dass sie problematisch für Bestäuber sind. Bei Pyrethroiden weiß man sicherlich in der Fachwelt seit vielen Jahren, dass Pyrethroide eben sehr toxisch sind für aquatische Organismen, also Gewässerorganismen. Aber dass deren Toxizität über die Zeit so stark zugenommen hat, das ist so in dieser Form noch nicht so klar gezeigt worden."
Diese Befunde seien auch auf Deutschland übertragbar, sagt Jörn Wogram, Leiter der Fachabteilung "Pflanzenschutzmittel" im Umweltbundesamt in Dessau:
"In Deutschland hat sich tatsächlich genau die gleiche Entwicklung auf dem Pestizidmarkt abgespielt, wie sie für die USA hier beschrieben wurde."

Abtöten von Insekten stört Nahrungsnetze

Der Biologe sieht diesen Trend kritisch. Denn den Agrarökosystemen habe er nicht wirklich geholfen:
"Klar ist, dass die Entwicklung im Pflanzenschutz zusammenläuft mit der Abnahme der Insektenbestände und auch der Vogelbestände. Es ist ja gut, dass es gelungen ist, die Vogeltoxizität zu senken. Aber ökologisch ist damit wenig gewonnen, weil die Vögel zwar nicht mehr vergiftet werden, aber verhungern, weil sie eben wegen des Abtötens von Insekten dann eben keine Nahrung mehr finden."
Die Arbeitsgruppe von Ralf Schulz in Landau hat wiederholt gemessen, wie stark hiesige Gewässer mit Pestiziden belastet sind. Und dabei schon in einer früheren Studie festgestellt,…
"…dass insbesondere die Pyrethroide in hohen Konzentrationen in Gewässern vorkommen. Und die werden auch negative Auswirkungen haben. Das ist ziemlich zweifelsfrei zu sagen.

Mikroorganismen als Pflanzenschutzmittel

In Deutschland gibt es seit acht Jahren einen Nationalen Aktionsplan. Schon er rief Landwirte dazu auf, weniger Pflanzenschutzmittel einzusetzen und vor allem Präparate, die der Umwelt nicht schaden. Möglich sei das, sagt Jörn Wogram vom Umweltbundesamt:
"Es gibt durchaus auch Entwicklungen hin zu Mitteln mit geringerem Risiko. Da ist beispielsweise zu nennen die Anwendung von Mikroorganismen als Pflanzenschutzmittel. Zunächst ‘mal muss es darum gehen, insgesamt die Landwirtschaft weniger abhängig zu machen von Pestiziden. Das ist auch etwas, was die Europäische Union den Mitgliedssstaaten aufgetragen hat. Das ist eine gesetzliche Verpflichtung, bei man leider noch nicht besonders weit gekommen ist."