15. September 2013: Bei einer CDU-Wahlkampfveranstaltung auf dem Dresdner Neumarkt sitzen Angela Merkel und Thomas de Maizière auf dem Podium. Plötzlich recken die Zuschauer die Köpfe: Wenige Meter über der Menge schwebt ein kleines Fluggerät mit vier Rotoren langsam auf die Bühne zu, verharrt eine Weile davor und landet dann fast direkt vor den Füßen der Bundeskanzlerin. Angela Merkel lächelt amüsiert. Thomas de Maizière dagegen schaut alarmiert. Was, wenn die Spielzeug-Drohne einen Sprengsatz getragen hätte?
300 Euro reichen aus, um Merkels Bodyguards einen Schrecken einzujagen: Eine Hobby-Drohne, ferngesteuert per Handy, die man heute in jedem Elektronikmarkt bekommt. Branchenkennern zufolge werden weltweit jeden Monat rund 300.000 davon verkauft. Die meisten fallen unter die Kategorie Spielzeug.
Doch schon für 1.300 Euro bekommt man Fluggeräte wie die "Phantom-4" des chinesischen Herstellers DJI. Der Quadrokopter hat einen Aktionsradius von mehreren Kilometern und schafft knapp Tempo 70. Er kann mit einer Akkuladung fast eine halbe Stunde in der Luft bleiben und bewegte Ziele automatisch verfolgen. Ein Bösewicht, der anstelle der Kamera einen Sprengsatz darunter montiert oder einen Behälter, der giftige Substanzen freisetzt, könnte großen Schaden anrichten.
Laut US-Verteidigungsministerium hat die Terrormiliz "Islamischer Staat" im Irak bereits handelsübliche Drohnen als fliegende Bomben eingesetzt. Was also lässt sich tun, um zu verhindern, dass zum Beispiel Großveranstaltungen in Deutschland Ziel solcher Attacken werden?
Über Bedrohungsszenarien wird kräftig spekuliert
"Ein wichtiger Meilenstein für die Drohnenabwehrforschung war der G7-Gipfel in Elmau, wo ja einiges gezeigt wurde, wo man auch einiges hat lernen können. Es wird sicher Szenarien geben, wo man sehr bald eine Absicherung haben kann. Es ist immer die Frage: Was kann man erkennen? Was kann man abwehren? Insofern ist Drohnenabwehr ein anspruchsvolles Thema."
Wolfgang Koch ist Experte für Sensordatenfusion. Er arbeitet am Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie, unweit der von weitem sichtbaren Radarkuppel auf dem Wachtberg bei Bonn. Zusammen mit Partnern bei der Polizei und in der Industrie testen er und seine Leute derzeit Schlüsselkomponenten gegen die Gefahr aus der Luft:
"Sie kennen ja das Bild mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel, die da amüsiert auf die Drohne blickt, die da vor ihr landet - und der erschrockene Minister, der doch eigentlich für ihre Sicherheit zuständig ist. Die haben das schon kapiert, dass das eine enorme Herausforderung ist."
Fliegende Spielzeug-Roboter sind heute für jedermann verfügbar, erschwinglich und kinderleicht zu steuern. Weil sie klein sind und tief fliegen, haben gängige Radarsysteme und Überwachungskameras Probleme, sie zu erkennen. Luftangriffe auf Prominente sind dabei nur eines von vielen Bedrohungsszenarien, so Koch:
"Jetzt wenn wir beim Fußballspiel sind - wir gucken ja gerade Europa-Meisterschaft: Ich stelle mir vor, da kommt eine Drohne angeflogen. Und die verstreut ein Päckchen Mehl. Das wird ja schön verteilt und dann regnet da so ein weißes Zeug runter. Das kann harmlos sein, es muss ja nicht Anthrax sein. Aber dadurch wird eine Panik ausgelöst werden. Und man würde nicht wissen, was passiert, wenn ein vollbesetztes Stadion in Panik gerät. Also das wäre so ein Szenario, was mir beim Fußballspiel-gucken eingefallen ist. Da wurde mir ganz unheimlich zumute. Das halte ich für sehr gefährlich."
22. April 2015: Auf dem Dach des Amtssitzes von Japans Ministerpräsident Shinzo Abe wird ein 50 Zentimeter großer Multikopter entdeckt, der dort offenbar zwei Wochen zuvor unbemerkt gelandet war. Die Regierung ist alarmiert. Ein Aufkleber auf der Hobby-Drohne warnt vor radioaktiver Strahlung. In einer Flasche am Fluggerät steckt Sand aus Fukushima, der radioaktives Cäsium enthält. Wenige Tage später stellt sich der Drohnenpilot der Polizei. Er wollte mit seiner Aktion auf die Risiken der Atomkraft hinweisen.
Anti-Drohnen-Technologie erobert den Markt
Wie immer, wenn neue Bedrohungen ins öffentliche Bewusstsein rücken, gibt es viele, die mit Technik zum Schutz davor Geld verdienen wollen. Branchenanalysten zufolge soll der jährliche Umsatz mit Anti-Drohnen-Technologie bis zum Jahr 2022 auf 1,14 Milliarden US-Dollar anwachsen.
Bei der Firma Dedrone in Kassel will man ein Stück von diesem Kuchen abhaben. "Dedrone your airspace" lautet der Werbeslogan des Start-Ups: 'Halten Sie ihren Luftraum frei von Drohnen.' Ingo Seebach, einer der Firmengründer, stellt aber gleich klar: Man habe gar nichts gegen Drohnen. Nur: Man müsse denen halt Grenzen setzen, genau wie den Autos, die ja auch an Straßen und Verkehrsregeln gebunden sind:
"Der Jörg Lambrecht, mein Co-Founder, hat vorher in einer Firma gearbeitet, die Drohnen herstellen. Sozusagen hat er die Krankheit entwickelt und wir entwickeln jetzt die Medizin."
Die Medizin ist ein Drohnenalarmsystem. Wenn man sich dem Firmensitz im Industriegebiet von Kassel nähert, fällt es sofort ins Auge: An der Fassade des grauen Bürogebäudes hängen über den Fenstern im Erdgeschoss vier x-förmige weiße Strukturen, Durchmesser knapp 50 Zentimeter, im Zentrum die Linse einer Videokamera, die den Vorgarten im Visier hat. Äußerlich nicht zu erkennen: weitere Sensoren im Inneren des Plastikgehäuses: Eine Infrarotkamera für Nachtaufnahmen, Mikrofone und ein Empfänger für WLAN-Signale, mit denen Drohnen oft Luftbilder übertragen oder mit ihrem Piloten kommunizieren. Über 300 der sogenannten 'DroneTracker' habe man schon verkauft, Stückpreis um die 6500 Euro, sagt Ingo Seebach, der Jeans und Polohemd trägt:
"Es gibt unterschiedliche Szenarien. Zum einen kann man sich vorstellen: Die Industrie möchte sich vor Spionage schützen. Das bedeutet vor allem vor Videos. Aber auch Rechenzentren müssen geschützt werden vor Cyberangriffen, die mit Drohnen ausgeführt werden können. Man kann sich vorstellen, dass es Menschen gibt, die einfach keine Lust haben, sich filmen zu lassen in ihrer Privatsphäre. Aber auch Gefängnisse haben große Probleme mit Drohnen, die Dinge ins Gefängnis schmuggeln. Also die Kunden sind sehr verschieden, aber das Problem ist bei allen gleich."
Weil die Kunden aus der Sicherheitsbranche kommen, will Ingo Seebach keine Namen nennen. Bis auf 'Suffolk County', ein Hochsicherheitsgefängnis im US-Bundesstaat New York. Den Luftraum über seinen mit Stacheldraht bewehrten Mauern überwachen seit einigen Monaten 'DroneTracker' aus Kassel - um zu verhindern, dass Handys, Drogen oder Waffen aufs Gelände geflogen werden.
Suche nach Drohnen-Signalen
Um zu zeigen, was das Drohnenalarmsystem drauf hat, öffnet David Prantl, stellvertretender Leiter der Technologieentwicklung, ein Fenster:
"Dann zeige ich Ihnen mal, wie das bei uns aussieht. Wir haben die Sensoren am Gebäude montiert, hier direkt vor dem Konferenzraum."
Außen über dem Fenster hängen die vier weißen Plastikkreuze. Außerdem noch zwei Boxen mit sogenannten RF-Sensoren: Spezielle Antennen, die das Funkspektrum nach Signalen von Drohnen absuchen. Prantl:
"Dann schauen wir jetzt einfach mal kurz raus. Der Kollege ist bereit. Die Drohne wird jetzt hier draußen starten, das müsste man auch gleich hören. Es ist insgesamt etwas lauter, wegen dem Straßenverkehr."
Im Vorgarten, 20 Meter entfernt, startet ein Dedrone-Mitarbeiter jetzt einen Multikopter mit acht Rotoren und lässt ihn vor der Hauswand schweben. Prantl:
"Der Kollege schließt jetzt auch die Kamera an, die dann von sich aus schon dazu führen wird, dass wir gleich einen Alert sehen. Weil der Scanner, der RF-Sensor, der nimmt jetzt hier das Bild auf."
Die Daten der 'DroneTracker' und RF-Scanner laufen auf einem Computer zusammen, werden dort ausgewertet und auf einem Laptop dargestellt:
"Sie sehen, das Bild wird angezeigt, sie haben sofort einen Alarm. Die Zahlen hier, die zeigen, welche Sensoren wie stark auslesen. Sie sehen: Die 100 Prozent, die auch den Alert auslösen, kommen jetzt vom RF-Sensor. Deswegen geht das System in den Alarmzustand."
Nicht nur die Funksignale ihrer Kamera haben die Drohne verraten. Mikrofone haben das Surren ihrer Rotoren aufgeschnappt, die Videokameras ihre Position erfasst.
"Sie sehen diesen roten Rahmen, der die Drohne umrandet. Ich würde jetzt ganz kurz mal auf lautlos stellen."
Der Alarmton bricht ab. Die Demonstration ist gelungen. Noch überzeugender wäre sie allerdings, wenn das Alarmsystem eine deutlich kleinere Drohne aufgespürt hätte, die ihm noch nie untergekommen ist und die keine Videodaten sendet.
"Ich würde sagen, wir erkennen in jedem Fall über 90 Prozent der Drohnen, die wir sehen, bei den Tests wo wir waren. Und das, was wir nicht erkennen, bekommen wir dadurch hin, dass wir es lernen. Das heißt sie können das System so einstellen oder die Gewichtung für das neuronale Netzwerk so trainieren, dass sie auch dieses System dann wieder erkennen können."
Die Kombination der Geräusche, Funksignale und Videobilder einer Drohne ist laut Dedrone so verräterisch wie ein Fingerabdruck. Die Firma hat Tests mit rund 150 verschiedenen Drohnen gemacht und ihre Erkennungsmuster in einer Datenbank gespeichert. Durch Abgleich damit lassen sich Drohnen, die ein 'DroneTracker' schon mal vor der Linse hatte, klassifizieren. Und damit einschätzen, ob sie gefährlich sein könnten. Ein fliegendes Kinderspielzeug, das nur 200 Gramm Nutzlast verträgt, könnte weder eine Pistole noch einen großen Sprengsatz befördern. Prantl:
"Wir haben jetzt eine riesige Bilddatenbank, mehrere Terrabyte, die ständig wächst. Mit Bildern von Drohnen, wo wir drin stehen haben: Dieses Bild ist eine Drohne, tags, nachts, mit Schnee, Wasser, von diesem und diesem Typ. Und dann eben auch alle möglichen anderen Objekte, also Falschbeispiele: Baum, Hund, Katze, Maus. Und das nutzen sie als Basis, um diese Gewichtung zu trainieren und um am Ende des Tages das dann auch mit unserem Produkt auszuliefern."
Das Drohnenalarmsystem soll anfliegende Drohnen zuverlässig entdecken, aber möglichst selten falschen Alarm geben, etwa weil zufällig ein Vogel vorbei fliegt. Wie gut der 'DroneTracker' diesen technologischen Spagat schon meistert, ist mangels aussagekräftiger Daten schwer zu sagen.
"Gewisse Restunsicherheit bleibt"
Die Fähigkeit, kleine Fluggeräte mit vernetzten Sensoren aufzuspüren, ist eine Basistechnologie, an der auch andere tüfteln. Zum Beispiel die Firma ESG in Fürstenfeldbruck, erklärt der Ingenieur Oliver Parduhn am Rand einer Sicherheitskonferenz in Bonn:
"Also die Erfolgsrate ist sehr gut. Wir haben das auch bei einer Demonstration in Elmau letztes Jahr dargestellt. Natürlich: Eine gewisse Restunsicherheit bleibt immer, das ist bei jedem Sicherheitssystem so. Aber die Zuverlässigkeit ist sehr sehr hoch, dass wir Drohnen der normalen Größe 20-30 Zentimeter über eine große Entfernung detektieren können."
Durch ein zusätzliches Radarsystem erkennt ESG Drohnen schon, wenn sie noch ein bis zwei Kilometer entfernt sind - und damit früher als der 'DroneTracker' aus Kassel. Doch während man in Fürstenfeldbruck noch daran arbeitet, alle Sensorkomponenten in einem Gerät zu integrieren, vermarktet Dedrone bereits ein fertiges Produkt. Im Februar hat die Firma ihren Hauptsitz nach San Francisco verlegt. Ein Risikokapitalgeber investierte im Mai zehn Millionen US-Dollar in die Weiterentwicklung und Vermarktung des 'DroneTrackers'.
Albanische Nationalisten stören Fußballspiel
14. Oktober 2014: Bei der Qualifikation für die Fußball-Europameisterschaft spielt Serbien gegen Albanien. In der 42. Minute schwebt plötzlich eine Drohne über den Rasen des Belgrader Stadions. Unter ihr hängt eine nationalistische Fahne mit den Umrissen eines großalbanischen Reiches. Als ein serbischer Spieler die Flagge zu Boden reißt, kommt es zu einer Schlägerei auf dem Platz, in die sich auch Zuschauer einmischen. Der Schiedsrichter bricht die Partie ab.
Drohnen, die an Orten herumschwirren, wo sie nichts zu suchen haben, machen immer öfter Schlagzeilen. Doch wie lässt sich der Luftraum über Fußballstadien, Flughäfen, Industrieanlagen und Open-Air-Festivals vor Eindringlingen zu schützen? Da unachtsame Hobbypiloten einen Großteil der Zwischenfälle verursachen, dürfte das so genannte 'Geofencing' wichtiger werden, erklärt Fraunhofer-Forscher Wolfgang Koch:
"Es gibt ja sehr leistungsvolle geographische Informationssysteme. Und man kann vorab definieren, welche Bereiche nicht überflogen werden dürfen. Entsprechend ausgestattete Drohnen, das ist gar kein großer Aufwand, können dann einfach physisch nicht in diese Bereiche hineinfliegen. Selbst wenn der Pilot unbeabsichtigt hineinsteuern wollte, können die da nicht hineinfliegen, die Drohne wehrt sich dagegen."
Rüstungsindustrie verdient kräftig mit
Kriminelle und Terroristen werden sich mit 'Geofencing' aber kaum stoppen lassen. Sie werden Wege finden, um die elektronischen Fußfesseln zu deaktivieren. Rüstungsfirmen wie Rheinmetall, MBDA und Boeing wollen unerwünschte Flugobjekte deshalb physisch zerstören.
Alle drei entwickeln Laserkanonen, um Drohnen abzuschießen. Ein Werbevideo von Rheinmetall zeigt, wie ein hunderte Meter entfernt fliegender Oktokopter Sekunden nach der Zielerfassung in Flammen aufgeht und abstürzt.
Weitere Praxistests zur Drohnenabwehr seien im Herbst geplant, teilt Rheinmetall auf Anfrage mit. Mehr will man derzeit nicht verraten. Wolfgang Koch:
"Laser-Wirkmittel werden sicher in der Zukunft auch eine Rolle spielen. Aber einfach ist das auch damit nicht. Vor allem sehe ich auch die Kollateralschäden, über die man nachdenken muss. Also mit so einem High-Energy-Laser würde ich auch nicht gerne im Fußballstadion eine Drohne herunterholen - weil ich nicht weiß, was mit den Reflexen passiert."
Die reflektierten Laserstrahlen könnten, Querschlägern gleich, Menschen in der Nähe verletzen. Für den Zivilschutz wären deshalb subtilere Maßnahmen angezeigt, so Koch:
"Hijacking. Am liebsten würde man die Drohne übernehmen, sich gewissermaßen in die Drohne hinein hacken und dann die Drohne steuern. Das ist bei WLAN-gesteuerten Drohnen auch möglich, das wurde auch gezeigt. Aber wenn die Steuerungstechnologie intelligenter ist, wird das Einhacken in eine Drohne immer schwieriger. Das ist eben in dieser Cyber-Warfare immer eine Frage des Aufwandes. Wenn der Gegner, also der nicht kooperative, nicht autorisierte Drohnennutzer, entsprechenden Aufwand treibt, wird es natürlich schwierig, solche Drohnen zu übernehmen. Vor allem auch dann schnell zu übernehmen und zu reagieren. Aber sicher ist das ein Weg, also Übernahme der Drohne."
Falls die Drohne ferngesteuert wird, lässt sich die Position des Piloten binnen Sekunden via Funkpeilung ermitteln. Sind Sicherheitskräfte vor Ort, können sie ihm die Fernbedienung ab- und die Kontrolle übernehmen. Koch:
"Eine andere Möglichkeit eine Drohne zu übernehmen, wäre den Kommunikationslink zu stören. Dann kann die Drohne schon mal ihre Daten nicht aussenden - also eine Drohne, die für Spionage verwendet wird."
Jamming heißt diese Methode: ein bewährtes Mittel der elektronischen Kriegsführung. Dabei emittieren Störsender elektromagnetische Wellen, die den Funkverkehr im Rauschen versinken lassen. Militärkonvois schützen sich mit Jammern vor ferngesteuerten Sprengfallen, Gefängnisse unterbinden damit Handytelefonate ihrer Insassen. Bei Drohnen lässt sich mit Jammern sowohl die Videoübertragung unterbrechen als auch der Empfang von Steuerbefehlen, erklärt David Prantl von Dedrone:
"Das Jamming funktioniert hervorragend, weil die meisten Drohnen eben so gebaut sind, dass, wenn sie die Verbindung zur Fernsteuerung verlieren, die Drohne in der Regel in irgendeinen Fail-Safe-Modus fällt. Bei den allermeisten Herstellern ist es so, dass die Drohne dann versucht, zum Startpunkt zurückzufliegen. Das heißt, zunächst hält sie an, fliegt dann eben auf eine bestimmte sichere Höhe nach oben. Und von dieser Höhe fliegt sie zum Startpunkt und versucht dann dort zu landen."
Leider gibt es aber auch Drohnen, deren Motoren stoppen, sobald der Funkkontakt abreißt. Andere schweben auf der Stelle, bis ihr Akku leer ist. Über den Köpfen einer Menschenmenge wäre beides schlecht. Prantl:
"Was auch ein Bisschen die Kehrseite dieser Medaille ist: Sie können nicht kontrollieren, was mit der Drohne passiert, weil sie nicht wissen, wie sie konfiguriert ist. Sie nehmen ja keinen Eingriff in die Steuerlogik vor, sondern sie stören nur das Signal und die Drohne macht dann das, worauf sie konfiguriert wurde."
Bei der Fußball-EM diesen Sommer in Frankreich waren in allen zehn Stadien Drohnenabwehrsysteme mit Jammern installiert - aus Angst vor Terroranschlägen aus der Luft. Einer der Lieferanten war Medienberichten zufolge die Rüstungsfirma 'Airbus Defence and Space'. Sie verfügt über langjährige Erfahrung mit Radartechnik und Störsendern und will zum Jahresende ein Drohnenabwehrsystem auf den Markt bringen. Ende Juli schloss das Unternehmen ein Kooperationsabkommen mit Dedrone.
Beinahe-Unfälle mit Drohnen
- 11. Juni 2016: Wegen des Überflugs einer Drohne wird der Luftraum über dem internationalen Flughafen von Dubai eine Stunde lang gesperrt. Zahlreiche Flüge verspäten sich.
- 19. Juni 2016: Beim Landeanflug auf den City-Flughafen London kollidiert ein Flugzeug mit 87 Passagieren in 3000 Metern Höhe beinahe mit einer Drohne.
- 6. August 2016: Beim Landeanflug in München kommt ein Passagierflieger einer Drohne gefährlich nahe. Der Zwischenfall ereignet sich in 1700 Metern Höhe über der Gemeinde Schwabhausen.
Abwehrsysteme können zur Gefahr für Leib und Leben werden
Wie leistungsfähig die heutigen Abwehrsysteme schon sind, ist für Außenstehende schwer einzuschätzen. Feldversuche finden in der Regel unter kontrollierten Bedingungen statt - und nur vor den Augen von Fachpublikum und Vertretern von Polizei und Sicherheitsbehörden.
Dass bei den Versprechen der Hersteller Vorsicht geboten ist, zeigt der 'DroneDefender' der US-Forschungsorganisation 'Batelle'. Auf einem Werbevideo scheint es, als könne ein Wachmann mit einer Art Anti-Drohnengewehr einen anvisierten Quadrokopter in der Luft stoppen und durch gezielte Bewegungen an einer bestimmten Stelle zur Landung zwingen. Stimmt aber nicht, denn das Gerät sei auch nur ein Jammer mit Richtantenne, der die Drohne in den Notfall-Modus versetzt, erklärt David Prantl.
"Die Drohne wird quasi gestoppt, ist so konfiguriert, dass sie von sich aus landet. Und sie folgen deswegen der Drohne, damit das Signal weiter gestört wird. Das ist also andersherum: Das Gewehr folgt der Drohne, nicht die Drohne folgt dem Gewehr."
Das heißt: Eine Drohne, die anders programmiert und autonom unterwegs ist, würde unbeeindruckt weiterfliegen. Es sei denn, man traktiert sie mit energiereicheren Funkwellen. Eine Mikrowellenkanone dafür hat der Rüstungskonzern Diehl Defence beim G7-Gipfel in Elmau erprobt. Ihre elektromagnetischen Pulse wirken wie ein Blitzschlag auf die Steuerelektronik. Wolfgang Koch:
"Man kann natürlich mit solchen Impulsen die Elektronik einer Drohne kaputt machen. Man grillt die Elektronik. Die Folge ist, die Dinger funktionieren nicht mehr und fallen runter. Und dann muss man überlegen, wo man das will, wann man das will. Schwierige Fragestellungen. Aber das sind Technologien, die weit entwickelt sind und die funktionieren."
An militärischen Checkpoints stoppen solche Mikrowellenkanonen heranbrausende Autos. Bei fliegenden Zielen ist aber Vorsicht geboten. Sollte hinter dem anvisierten Flugobjekt ein Polizeihubschrauber kreisen, könnten auch dort im Cockpit die Lichter ausgehen, erklärt Koch:
"Charmanter wäre es, den Drohnen eine falsche Wirklichkeit vorzugaukeln, dass einfach das Navigationssystem denkt, es wäre woanders."
GPS-Spoofing heißt dieses anspruchsvolle Täuschungsmanöver. Dabei wird der Drohne per Funk die Existenz weiterer Navigationssatelliten vorgespielt. Weil sich deren Positionsdaten manipulieren lassen, kann das Fluggerät dann zu einem sicheren Landeplatz gelotst werden. Koch:
"Auch hier wieder ein Spiel des Aufwandes. Man kann eine einfache Drohne mit mittlerem Aufwand stören. Eine anspruchsvollere Drohne kann man mit hohem Aufwand stören. Das Problem der Beeinträchtigung der Umwelt bleibt aber bestehen. Da muss man sehr genau überlegen, dass ich nicht durch das Stören meiner Drohne die Navigation des Airliners in Verwirrung bringe, der auf der Line-of-Sight liegt, zwei, drei, viertausend Meter weiter."
Das ist der Nachteil aller elektronischen Abwehrmaßnahmen. Ob Jammer, Spoofer oder Mikrowellenkanonen: Ihre Wirkung lässt sich nie so gut eingrenzen, dass nicht auch anderes elektronisches Gerät in Mitleidenschaft gezogen werden könnte. Deshalb ist der Betrieb in Deutschland nur mit Sondergenehmigung erlaubt. Viel niederschwelliger wäre der Einsatz von Fangnetzen.
"DrohneCatcher" soll Drohnen per Fangnetz ausschalten
Das britische Start-Up Open Works Engineering hat dafür ein tragbares Geschütz namens "SkyWall100" entwickelt, das einem Raketenwerfer ähnelt. Seine kapselförmigen Projektile fliegen bis zu 100 Meter weit und werfen kurz vorm Ziel ein Netz aus, das die Drohne einfängt. An einem Fallschirm schwebt sie dann zu Boden.
Bei weiter entfernt oder höher fliegenden Drohnen stößt diese Technologie freilich schnell an Grenzen. Da hilft dann nur noch, das Fangnetz mit einer Abfang-Drohne ans Ziel zu bringen. Die Anti-Drohnen-Einheit der Polizei in Tokio geht seit 2015 mit solchen fliegenden Schleppnetzen über der Innenstadt auf die Jagd. Die holländische Firma Delft Dynamics wiederum hat eine Abfang-Drohne namens 'DroneCatcher' gebaut. An Bord: eine spezielle Netzkanone. Entwickler Elwin Rath:
"Wenn die störende Drohne erreicht ist, kann der 'DroneCatcher'-Pilot über die eingebaute Kamera feststellen, welche Gefahr von ihr ausgeht. Wenn der Laserentfernungsmesser den richtigen Abstand anzeigt - optimal sind sechs bis zwölf Meter - kann der Pilot entscheiden, die Drohne mit einem Netz unschädlich zu machen.
Das Netz wird in Richtung der illegalen Drohne abgefeuert, ihre Propeller verheddern sich, sie fällt zu Boden. Wenn gewünscht, bremst ein Fallschirm ihren Sturz. Alternativ kann der Pilot die im Netz gefangene Drohne aber auch am Haken behalten und später woanders absetzen."
Der "DroneCatcher" kann bis zu zwei Kilogramm schwere Multikopter kontrolliert vom Himmel holen, sagt Elwin Rath. Genau wie ein Habicht. Doch anders als Greifvögel, die mancherorts ebenfalls für das Abfangen kleiner Drohnen abgerichtet und eingesetzt werden, könnte der 'DroneCatcher' künftig auch schwerere Brummer vom Himmel holen. Man müsste ihn einfach nur größer bauen, meint Rath:
"Die niederländische Militärpolizei, die auch für den Schutz von Flughäfen verantwortlich ist, interessiert sich sehr für unser Projekt und unterstützt uns finanziell. Wir wollen unseren Demonstrator zu einem marktreifen Produkt entwickeln, das sehr einfach zu bedienen ist."
In nicht allzu ferner Zukunft könnten Habicht-Drohnen wie der 'DroneCatcher' vollautomatisch Jagd auf wilde Drohnen machen, die geschützte Lufträume verletzen oder die Privatsphäre von Menschen. Überzogene Erwartungen schüren mag Elwin Rath dennoch nicht:
"Der 'DroneCatcher' ist nicht die Lösung aller Drohnenprobleme. Schnelle Drohnen können wir beispielweise nicht fangen. Aber auch Störsender funktionieren nicht bei allen Drohnen. Am Ende werden wir alle verfügbaren Ansätze kombinieren müssen.
Wenn jemand mit Drohnen unbedingt Schaden anrichten will, wird er natürlich trotzdem einen Weg finden. Aber wir arbeiten hart daran, die Abwehrsysteme so gut wie möglich zu machen."
Terrorgefahr durch Drohnen ist das Lebenselixier der Branche
Flughäfen, Kernkraftwerke, Industrieanlagen und Fußballstadien könnten in den kommenden Jahren mit stationären Drohnenabwehrsystemen ausgerüstet werden, mobile Anlagen den Luftraum über Open-Air-Konzerten und Großdemonstrationen sichern. Das Konzept des Schutzzaunes würde damit in die dritte Dimension erweitert. Weil clevere Schurken sicher nach Löchern Ausschau halten, wird den Experten die Arbeit so schnell nicht ausgehen.
Ingo Seebach: "Wenn sie's schaffen, die Drohne so zu tarnen, dass wir sie nicht erkennen, dann haben wir wieder einen Grund, besser zu werden, sodass das ein Katz und Mausspiel ist."
Wolfgang Koch: "Es ist wie generell in der Sicherheitstechnik: Es gibt einfache Fahrradschlösser, es gibt kompliziertere Fahrradschlösser und es gibt ganz sichere Fahrradschlösser. Das ist gut für die Fahrradschlossindustrie."
Es sprachen: Martin Bross, Simone Pfenning, Gerd Daaßen
Technik: Andreas Fulford
Regie: Axel Scheibchen
Redaktion: Christiane Knoll
Produktion: Deutschlandfunk 2016
Technik: Andreas Fulford
Regie: Axel Scheibchen
Redaktion: Christiane Knoll
Produktion: Deutschlandfunk 2016