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Gefahren der neuen Facebook-Einstellungen

Auch Jugendliche unter 18 Jahren können künftig ihre Inhalte bei Facebook komplett öffentlich posten. Medienpädagogin Ursula Arbeiter sieht Eltern und Pädagogen in der Pflicht: Gerade 13- bis 14-Jährige könnten die Folgen von zu viel Öffentlichkeit noch nicht einschätzen.

Ursula Arbeiter im Gespräch mit Georg Ehring | 18.10.2013
    Georg Ehring: Facebook traut Jugendlichen mehr zu. Auch Jugendliche unter 18 Jahren können künftig ihre Inhalte komplett öffentlich posten. Bisher waren ihre Einträge auf den Facebook-Seiten von Freunden sowie deren Freunden vorbehalten, sofern die vom Anbieter vorgeschlagene Einstellung nicht geändert wurde.

    Jetzt sollen sie auch in der Lage sein, via soziales Netzwerk das ganze Internet mit ihren Inhalten zu versorgen. Doch dieser Schritt ist umstritten, und darüber möchte ich jetzt mit Ursula Arbeiter sprechen. Sie ist Referentin für Medienpädagogik bei der Jugendschutz-Landesarbeitsstelle Baden-Württemberg. Guten Tag, Frau Arbeiter!

    Ursula Arbeiter: Guten Tag, Herr Ehring!

    Ehring: Frau Arbeiter, sind Jugendliche heute im Umgang mit dem Netz weiter als früher?

    Arbeiter: Was man auf jeden Fall beobachten kann, dass das Internet für sie total selbstverständlich ist. Sie kennen kein Leben mehr ohne Internet, ohne Google, ohne Facebook oder WhatsApp. Sie haben das ziemlich in ihr Leben integriert, sie kennen es nicht mehr ohne. Sie gehen einfach neugierig und unbefangen daran und sie wissen natürlich, wo es was gibt, was für sie interessant ist. Das erzählen die Freunde, sie wissen, wo man was findet.

    Ehring: Und sind sie dann inzwischen auch mit Gefahren des Internets gleichermaßen vertraut oder mehr vertraut, als das früher war? Was ist da Ihr Eindruck?

    Arbeiter: Das ist sehr unterschiedlich. Es ist immer ein bisschen schwierig, von "den Jugendlichen" zu sprechen. Da gibt es natürlich eine ganz große Bandbreite. Es gibt ganz viele Jugendliche, die mittlerweile sehr viel reflektierter damit umgehen als noch vor ein paar Jahren, auch was Privatsphären-Einstellungen angeht. Problem sind sicher die jüngeren Jugendlichen, die ihre ersten Schritte machen, die ihre ersten Schritte auf Facebook machen. Wir sprechen da von 13-, 14-Jährigen, die vielleicht die Folgen noch nicht einschätzen können, die noch nicht genau absehen können, was heißt jetzt privat und was heißt denn jetzt wirklich öffentlich, wer kann das denn wirklich alles sehen.

    Ehring: Vor einigen Jahren gab es ja mal große Aufregung um große Facebook-Parties, zu denen unbeabsichtigt viele Menschen gekommen sind. Was kann denn heute passieren, wenn die ganze Welt Zugang zu privaten Einträgen hat?

    Arbeiter: Na ja, gut. Man muss sich erst mal sagen, was habe ich vor mir im Jugendalter. Im Jugendalter probiert man sich aus und man probiert ganz unterschiedliche Sachen aus und man macht dabei natürlich auch Fehler, und im Gegensatz zu früher guckt dann heute via Facebook eventuell die ganze Welt zu.

    Sie haben es in Ihrer Anmoderation gesagt: Es wird nicht so schnell vergessen, man kann vieles nicht mehr rückgängig machen. Das ist sicher der eine Punkt, dass einen das dann eventuell eine lange Zeit begleitet und man das immer wieder irgendwie vorgeführt bekommt.

    Der andere Punkt ist natürlich, wenn wir über Facebook und Öffentlichkeit reden, die Gefahr von unerwünschten Kontakten, von Belästigung, von Beleidigung, von Stalking und so weiter und so fort, da die natürlich zunimmt, je größer eine Öffentlichkeit da ist, wenn es nicht nur um die Freunde geht, sondern auch um ganz fremde, die ich dann auch nicht einschätzen kann, was wollen die jetzt von mir.

    Standardeinstellung zeigt Posts nur für Freunde
    Ehring: Meinen Sie denn, dass das vernünftig ist, dass Jugendliche jetzt weitere Öffentlichkeit erreichen können?

    Arbeiter: Ich bin da ein bisschen skeptisch, wobei die erste Änderung ja durchaus positiv ist. Die Standardeinstellung ist oder soll jetzt nur auf Freunde eingestellt werden. Aber die Jugendlichen bekommen die Möglichkeit, es auf öffentlich einzustellen, und darin liegt das Problem, weil die Jüngeren natürlich oft denken, hurra, ich will ja auch wahrgenommen werden und ich will da mal was ausprobieren, aber dann die Folgen eventuell nicht einschätzen können. Das heißt, Eltern, Erziehende, pädagogische Fachkräfte müssen sich noch mal verstärkt mit den Kindern und Jugendlichen über Privatsphären-Einstellungen und Privatsphäre auseinandersetzen und auch über die möglichen Folgen. Sie müssen ihnen helfen, darüber zu reflektieren, was kann das bedeuten.

    Ehring: Kann man denn diese Einstellung auch rückgängig machen? Wenn Facebook das jetzt ändert, heißt das ja nicht unbedingt, dass es in meinen Einstellungen auch tatsächlich so ist.

    Arbeiter: Genau! Das ist genau das, was ich gerade gemeint habe. Sie müssen das ja selber praktisch auf öffentlich einstellen. Man kann im Prinzip für jeden einzelnen Post einstellen, wer kann ihn sehen oder wer nicht. Das Komplizierte ist wirklich nur bei Facebook, dass es sehr viel Mühe macht, dass es überhaupt Mühe macht, mit den Privatsphäre-Einstellungen sich zu beschäftigen, und das ist vielen Jugendlichen einfach zu mühsam.

    Es ist für mich oder für viele Erwachsene schon schwierig, da ständig immer auf dem Laufenden zu bleiben, weil sich ständig irgendwas ändert. Man findet es nicht ganz einfach. Da, denke ich, sollte man die jüngeren Jugendlichen auf jeden Fall nicht mit alleine lassen, sondern sagen: schaut, hier geht’s. Man findet schöne Anweisungen, oder auch Eltern oder Pädagogen finden schöne Hilfestellungen bei Klicksafe, wie stelle ich meine Privatsphären-Einstellungen ein, um die Gefahren zumindest zu minimieren.

    Ehring: Ursula Arbeiter von der Landesarbeitsstelle Jugendschutz in Baden-Württemberg. Herzlichen Dank.

    Arbeiter: Bitte schön!


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.