Erstmals seit Jahren ist der Anteil der erneuerbaren Energien an Deutschlands Stromversorgung gesunken: Nur noch 43 Prozent der Energie kamen im ersten Halbjahr 2021 laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft BDEW aus Windrädern, Solaranlagen und Biomasse – etwa 7 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Es habe vor allem im ersten Quartal des Jahres ungewöhnlich wenig Wind gegeben, so die Erklärung.
Mit dem neuen Klimaschutzgesetz soll die Zahl der Windkraft- und Solarenergieanlagen nun deutlich ausgebaut werden. Naturschützer befürchten Beeinträchtigungen für Tiere und Pflanzen – vor allem durch Windräder.
Ausbau der Offshore-Windenergie begrenzen
Mit einem massiven Zubau von Offshore-Anlagen besonders in der Nordsee würden etwa durch jahrelange Bauarbeiten, intensive Lärmquellen und Beeinträchtigungen der Vogelzugrouten die Belastungsgrenzen überschritten, sagte Olaf Bandt im Deutschlandfunk. Der Vorsitzende vom Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) fordert daher, den Ausbau der Offshore-Windenergie zunächst auf 15 Gigawatt zu beschränken.
"Konflikte mit Naturschutz und Wohnbebauung minimieren"
Gleichzeitig solle die Windkraft an Land noch stärker ausgebaut werden. Das gehe aber nur im Einklang mit dem Naturschutz und einer guten Planung, so Bandt. Windkraft müsse daher in bestimmten Konzentrationszonen angesiedelt werden, wo Konflikte mit dem Naturschutz, aber auch mit der Wohnbebauung möglichst minimiert seien. In sensiblen ökologischen Gebieten müsse der Bau von Windkraftanlagen ausgeschlossen sein.
Bandt forderte außerdem eine Vereinbarkeit von Klima- und Naturschutz: "Man kann Klimaschutz und die Energieproduktion nicht gegen den Naturschutz austauschen. Wir haben ein riesiges Artensterben, wir haben eine Bedrohung unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Wir als BUND sind Umwelt- und Naturschutzverband, und man muss das kombinieren."
Das Interview im Wortlaut:
Georg Ehring: Herr Bandt – der BUND hat jetzt eine Beschränkung des Ausbaus der Windkraft auf hoher See verlangt, also gerade da, wo Menschen kaum gestört werden können - warum?
Olaf Bandt: Die deutsche Nord- und Ostsee sind in einem schlechten ökologischen Zustand. Mit dem jetzt massiven Zubau von neuen Offshore-Anlagen bis 2040 würden die Belastungsgrenzen insbesondere in der Nordsee überschritten. Wir gehen da an die Grenze von ganz sensiblen Nationalparks, und deswegen fordern wir, dass der Ausbau der Offshore-Windenergie auf maximal 15 Gigawatt erst einmal beschränkt bleibt, und das wäre immer noch eine Verdoppelung zum jetzigen Zustand.
Ehring: Könnte man die Windparks nicht einfach an andere Orte innerhalb von Nordsee und Ostsee legen, wo sie weniger störend wären?
Bandt: Das geht ja nicht so ohne Weiteres. Wir haben Wassertiefen zu beachten, Deutschland kann nicht irgendwo in der Nordsee Windanlagen bauen. Das ist sowieso schon ein sehr aufwendiger Akt, der jetzt anläuft, diese maritime Raumplanung, wo geguckt wird, wo bauen wir Windanlagen, wo haben wir Naturschutzgebiete in Nord- und Ostsee, wo kann Fischerei laufen, wo Bodenschätze. Durch diese Nutzungen wird immer wieder die Natur übergewälzt, und das wollen wir verhindern.
Gefahren für Nistplätze
Ehring: Wie wird die Natur beeinträchtigt, wenn da Windräder stehen im Meer?
Bandt: Wir haben über Jahre Bauarbeiten, intensive Lärmquellen, wir haben Beeinträchtigungen der Vogelzugrouten. Das führt dazu, dass angestammte Nistplätze in Gebieten, die eigentlich Naturreservate sein sollen, also große Naturschutzzonen, dass das dann nicht mehr stattfinden kann und tatsächlich zum Beispiel auch der Schweinswal, zentrale Leitart für den Zustand der Meere, im Moment schon bedroht ist. Und das würde dann noch problematischer werden.
Windkraft im Einklang mit dem Naturschutz
Ehring: Auch an Land stehen ja Windräder immer wieder in der Kritik, etwa wegen der Bedrohung von Milanen oder wegen der Beeinträchtigung von Wäldern – wie stehen Sie denn dazu?
Bandt: Wir sagen, dass die Windkraft an Land noch stärker ausgebaut werden müsste, dass das aber nur mit einem guten Einklang mit Naturschutz und einer guten Planung geht. So sagen wir zum Beispiel, dass Windkraft in bestimmten Konzentrationszonen angesiedelt werden müsste, wo die Naturschutzkonflikte, aber auch die mit Bebauung, Wohnbebauung minimiert sind, und andererseits eben auch Ausschlusszonen, besonders sensible ökologische Gebiete, wo keine Windkraftanlage kommt. Damit würden zum Beispiel viele Konflikte vermieden.
Man kann die Probleme des Vogelschlages oder der Bedrohung der Fledermäuse reduzieren, indem man Abschalt- und Warn- und Erkennungsanlagen baut, die werden langsam praxisreif. Und wenn man solche Anlagen zum Beispiel auch an bestehenden Windkraftanlagen nachrüstet, werden die Naturschutzkonflikte reduziert. Wir brauchen insgesamt einen dezentralen Ausbau der Windkraft an Land, denn wir können nicht in einzelnen Bundesländern diese Anlagen sozusagen ansammeln, während sich andere Bundesländer, wie zum Beispiel Nordrhein-Westfalen, da weitgehend raushalten.
Planungszeiten minimieren
Ehring: Was halten Sie vom Ausbau der Windkraft in Waldgebieten? Da müssen dann ja Bäume für fallen.
Bandt: Insgesamt sehen wir Windkraft im Wald in bestimmten Bundesländern, die sehr waldreich sind, als eine Ausnahmemöglichkeit an. Wenn man auch da sagt, besonders wertvolle Wälder nehmen wir – Nationalparks, Naturschutzgebiete, alte, naturwüchsige Wälder, die ja zum Teil mehrere Hundert Jahre alt sind – von dem Ausbau der Windkraft aus, dann finden wir immer noch genügend Flächen – wie in Hessen, das ist ein sehr waldreiches Land –, wo auch Windkraftanlagen im Wald entstehen können. Wenn die gut geplant sind, haben die einen relativ geringen Anteil an der Waldfläche insgesamt am Ende.
Ehring: Den Unternehmen, die Windkraft ausbauen wollen, ist es wichtiges Anliegen, vor allem die Planungszeiten zu verkürzen und zu entbürokratisieren. Laufen Ihre Forderungen da nicht auf das Gegenteil hinaus?
Bandt: Nein, mit unseren Vorstellungen würden die Konflikte und die Planungszeiten minimiert. Wenn ich von Anfang an weiß, wo ich Windkraftanlagen mit geringeren Konflikten hinbauen kann, dann kann man das hinterher auch schneller genehmigen, und es sinken die Konflikte vor Ort. Das ist ein ganz, ganz zentraler Schritt, der in manchen Bundesländern gemacht wird. In manchen wird überall ganz wild von allen Kommunen geplant, und das führt zu einer Maximierung der Konflikte, das muss beendet werden.
"Photovoltaik zunächst auf versiegelten Flächen"
Ehring: Große Solarparks sollen künftig auch in landwirtschaftlichen Gebieten errichtet werden – findet das Ihre Zustimmung?
Bandt: Wir finden das insofern problematisch, weil es eine Flächenkonkurrenz mit landwirtschaftlicher Nutzung und mit dem Naturschutz gibt. Wir haben so schon eine hohe Intensität auf den Flächen in Deutschland, und wenn man jetzt noch Solaranlagen draufbaut, wird es noch enger. Deswegen sagen wir, Dächer und Fassaden und versiegelte Flächen müssten erst mit Photovoltaikanlagen belegt werden, bevor wir auf den Acker gehen, denn da haben wir andere Nutzungen in Priorität. Es gibt aber Gebiete, wo man das gegebenenfalls machen kann. Wenn man es vernünftig macht mit hohen Naturschutzauflagen, ist zum Beispiel die Photovoltaik in der Energieausbeute wesentlich effizienter als die Bioenergie- und die Biogasproduktion heute über den Maisacker. Das ist eine gewisse Chance, die auch Photovoltaik auf dem Acker hätte.
"Ausbau der Windkraft an Land stark beschleunigen"
Ehring: Nun haben Sie eine ganze Reihe von Bedenken beim Ausbau von Windkraft und jetzt auch von Photovoltaik – wiegen da die Folgen der CO2-Emissionen nicht schwerer, müsste man den Ausbau der Erneuerbaren nicht stark beschleunigen, um die Kohlekraftwerke abschalten zu können?
Bandt: Genau, wir müssen stark beschleunigen, und das sagen wir ja auch, beim Ausbau der Windkraft an Land, aber auch bei der Photovoltaik und auch der Ausbau offshore, da ist ja jetzt eine Verdoppelung, das sind ja große Zahlen. Aber man kann den Klimaschutz und die Energieproduktion nicht gegen den Naturschutz austauschen. Wir haben ein riesiges Artensterben, wir haben eine Bedrohung unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Wir sind als BUND Umwelt- und Naturschutzverband, und man muss das kombinieren. Und ich glaube, dafür haben wir als BUND überzeugende Konzepte, wie das geht, sie müssen nur umgesetzt werden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.