In der Frauenhaftanstalt Berlin-Lichtenberg gehörte der rosafarbene DIN-A5-Zettel bislang zum Alltag. Wenn Gefangene Sport machen wollten oder Besuch empfangen, mussten sie diesen rosa Antrag handschriftlich ausfüllen. Damit ist es jetzt vorbei – seit ein paar Tagen können Häftlinge mit einem Klick einen digitalen Antrag ausfüllen, abschicken und sogar den Stand der Erledigung verfolgen. Berlins Justizsenatorin Lena Kreck:
Das erleichtert den Gefangenen die Kommunikation, entlastet aber auch die Bediensteten im Vollzug.
"Haftraum-Medien-System" ist die sperrige Bezeichnung für einen PC, der jetzt in jeder Zelle den alten Fernseher ablöst. Hinter neun Kacheln auf dem Bildschirm verbergen sich TV, Radio und Videospiele, die gesamte Kommunikation innerhalb des Frauengefängnisses, ein Textverarbeitungssystem sowie eine ganze Reihe von freigeschalteten Internetseiten.
So können die Gefangenen zum Beispiel auf den gesamten Bestand der Berliner Landesbibliothek zugreifen, auf die Seiten der Arbeitsagentur oder des Bürgeramtes, um Verwaltungsangelegenheiten zu erledigen. Das alles in mehreren Sprachen. Anstaltsleiterin Bärbel Bardarsky:
„Das ist wahnsinnig wichtig. Das verleiht ihnen eine Eigenständigkeit und wir können sie dabei unterstützen, indem sie auch schon in der Haft eigenständiger werden. Und nicht plötzlich aus der Haft herausfallen und vor einem System draußen stehen, mit dem sie nicht zurechtkommen und mit dem sie vielleicht auch vorher nicht zurechtgekommen sind.“
Zusammenarbeit mit Fraunhofer Institut
Die Entwicklung dieses Mediensystems für Gefangene dauerte mehrere Jahre und wurde wissenschaftlich vom Fraunhofer Institut für Offene Kommunikationssysteme begleitet. Die Sicherheit stehe dabei an erster Stelle, erläutert Susanne Gerlach von der Berliner Justizverwaltung. Deshalb sei gewährleistet:
"Dass die Gefangenen aus ihrem Haftraum weder auf Youtube, noch auf Facebook, noch auf Instagram zugreifen können. Wir beginnen diese Etappe damit, dass wir den Gefangenen ermöglichen, auf bestimmte Internetseiten, die sicher sind, zuzugreifen, um vorrangig sich dort zu informieren und zum Teil mit gesicherten Anbietern zu kommunizieren."
Per Video mit Angehörigen sprechen
Was momentan noch nicht funktioniert, aber bald folgen soll: die Kommunikation per E-Mail und Videotelefonie. Besonders wichtig sei das für die Mütter im Frauengefängnis, sagt Anstaltsleiterin Bärbel Bardarsky:
"Es ist für die Kinder ein großer Stress, wenn die in die Anstalt kommen müssen, um ihre Mütter zu besuchen. Es ist natürlich schön für die Kinder, wenn die per Videotelefonie aus dem Wohnzimmer, an der Seite der Papa oder die Oma, mit der Mutter kommunizieren können. Das ist ein echter Mehrwert."
Berlin macht den Anfang
Dass Berlin dieses Thema vorangebracht hat und jetzt als erstes Bundesland den Gefangenen einen eingeschränkten Zugang zum Internet bietet, dürfte an der Parteizugehörigkeit der Justizsenatorin liegen. Fünf Jahre lang leiteten die Grünen dieses Ressort, seit einem Jahr steht die Linkspolitikerin Lena Kreck an der Spitze.
"Wir nehmen nämlich den Resozialisierungsauftrag ernst. Nicht nur, weil wir das politisch richtig finden, sondern sie haben ein Grundrecht auf Resozialisierung, das ergibt sich aus dem Grundgesetz. Und damit schaffen wir eine erfolgreiche Resozialisierung durch Digitalisierung."
Die Kosten für die Internetnutzung tragen allerdings die Gefangenen selber. Die Berliner Justizverwaltung hat einen Vertrag mit dem Hamburger Unternehmen Telio abgeschlossen, erläutert Susanne Gerlach.
"Wir bezahlen nichts für die Geräte, wir bezahlen nichts für den Service oder für die Betreuung. Es kostet Geld für die Inhaftierten, aber ich muss sagen, auch wir bezahlen ja, wenn wir draußen sind, etwas für die Telefonate."
Ein Beispiel: Für ein zehnminütiges Videotelefonat mit ihrer Tochter oder ihrem Sohn zahlt eine in Berlin-Lichtenberg inhaftierte Mutter zwei Euro.