Seitdem IS-Kämpfer Anfang der Woche erstmals in die strategisch wichtige Stadt nahe der türkischen Grenze eingedrungen waren, lieferten sich kurdische Milizionäre heftige Gefechte mit den Extremisten. Jetzt erlitten die Verteidiger von Kobane einen schweren Rückschlag. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte eroberten die Dschihadisten am Freitag unter anderem mehrere Gebäude der Sicherheitskräfte, das Hauptquartier der lokalen kurdischen Verwaltung sowie das Gefängnis nahe dem Zentrum. Eine unabhängige Bestätigung für die Berichte der Aktivisten gibt es allerdings nicht.
Luftangriffe zeigen wenig Wirkung
Laut der Beobachtungsstelle kontrollieren die Dschihadisten inzwischen 40 Prozent der auch Ain al-Arab genannten Stadt. Trotz internationaler Luftangriffe konnten sie immer wieder vorrücken. Bereits gestern nahmen sie das Hauptquartier der kurdischen Polizei ein, das ebenso wie die Kommandozentrale der Volksverteidigungseinheiten und der Gemeinderat im sogenannten Sicherheitskarree liegt.
Die Türkei hat zwar Truppen an der Grenze zusammengezogen, aber bisher nicht interveniert. Ohne die Entsendung von Bodentruppen scheint Kobane aber nicht zu halten. Zwar gab es auch in der Nacht zum Freitag laut der Beobachtungsstelle im Süden und Osten der Stadt Luftangriffe der US-geführten Militärallianz. Doch zeigten diese wenig Wirkung. Der Beobachtungsstelle zufolge bewegen sich die Dschihadisten inzwischen mit Motorrädern, um Luftangriffen zu entgehen.
Warnung vor Massaker
Der UNO-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura, warnte in Genf, dass zwischen 500 und 700 Zivilisten, überwiegend alte Menschen, noch immer in Kobane seien. Sollte die Kurdenstadt in die Hände von IS-Kämpfern fallen, drohe ein Blutbad wie im bosnischen Srebrenica, wo 1995 etwa 8.000 muslimische Jungen und Männer getötet worden waren.
Neben den Menschen in Kobane befänden sich noch zwischen 10.000 und 13.000 Menschen im Grenzgebiet zwischen Syrien und der Türkei, sagte der UNO-Gesandte. An die Türkei appellierte er, die kurdischen Flüchtlinge über die Grenze einreisen zu lassen.
In der Türkei gingen in vergangenen Tagen tausende Kurden auf die Straße, um gegen die türkische Syrien-Politik zu protestieren. Laut Innenminister Efkan Ala starben bei Zusammenstößen mit der Polizei sowie Islamisten und Nationalisten mindestens 31 Menschen. 360 weitere seien verletzt worden, darunter 139 Polizisten. Laut dieser ersten offiziellen Bilanz wurden zudem mehr als tausend Demonstranten festgenommen.
(pg/stfr)