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Geflüchtete aus der Ukraine
DOSB: Sporthallen nicht primär als Unterkünfte nutzen

Die Solidarität des deutschen Sports mit der Ukraine ist groß. Doch es ist auch ein Balanceakt. Denn die ersten Turn- und Sporthallen dienen bereits als Notunterkünfte für Geflüchtete. Der DOSB appelliert an die Politik andere Lösungen zu finden.

    In Dresden wurde die Turnhalle des Ehrenfried-Walther-von-Tschirnhaus-Gymnasiums zu einer Unterbringung für Geflüchtete umfunktioniert.
    Der Deutsche Olympische Sportbund hat angesichts des Krieges in der Ukraine an die Politik appelliert, Sporthallen nicht primär als Unterkünfte für Flüchtlinge zu benutzen. (IMAGO/xcitepress)
    Täglich kommen Menschen aus der Ukraine in Deutschland an, die vor dem Krieg flüchten. Sie alle brauchen eine Unterkunft. Die Länder suchen dringend Wohnraum. In Messehallen oder Gewerberäumen werden bereits Unterkünfte bereitgestellt - und auch die ersten Sporthallen im Land werden wieder belegt.
    Nach Angaben des Deutschen Olympischen Sportbunds werden inzwischen jeden Tag zwei bis fünf Sporthallen aus dem Regelbetrieb genommen. In Hamburg sind beispielsweise an fünf Berufsschulen schon Turnhallen belegt worden. Die Stadtverwaltung in Bonn stellte bereits zwei Sporthallen für Menschen aus der Ukraine, die in Köln ankamen, zur Verfügung. Auch in anderen Städten und Bundesländern stehen mittlerweile Feldbetten in Turn- und Sporthallen für die Geflüchteten bereit.

    Belegung von Turn- und Sporthallen noch keine Option in Berlin

    Ein Drehkreuz für die Verteilung der Flüchtlinge aus der Ukraine ist derzeit Berlin. Täglich kommen nach Angaben des Berliner Senats am Hauptbahnhof mehrere Sonderzüge mit Zehntausenden Menschen aus dem Kriegsgebiet an. Die Unterkünfte in der Hauptstadt sind voll. Dennoch sind Turn- und Sporthallen bisher keine Option: "Wir tun alles, um Turnhallen zu vermeiden. Wir mussten schon auf größere Räumlichkeiten zugehen, das haben Kirchen angeboten, von verschiedenen größeren Clubs hatten wir größere Objekte. Aber Turnhallen konnten wir bisher vermeiden", sagte Berlins Sozialsenatorin Katja Kipping (Die Linke).
    Auch die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey betonte, sie wolle Turnhallen-Belegung vermeiden. Dies sei eine Lehre aus ihren Erfahrungen als Bezirksoberbürgermeisterin Neukölln während der Flüchtlingsbewegung 2015, als reihenweise Turnhallen umfunktioniert wurden. "Ich habe diesen Schritt der Turnhallen-Belegung als einen Wendepunkt in der Akzeptanz der Bevölkerung erlebt", so Giffey nach dem Bund-Länder-Treffen am 17. März.

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    Erfahrungen aus dem Jahr 2015

    Im Jahr 2015 wurden Turn- und Sporthallen als Not-Unterkünfte für Geflüchtete gebraucht. Die meisten Hallen sind in Deutschland in kommunaler Hand. Wochenlang war an Sportunterricht in Schulen und an Vereinstraining nicht zu denken. Dann kam Corona und wieder waren wochenlang die Hallen dicht und kein Breitensport möglich. Nun deutet alles darauf hin, dass sich das Szenario wiederholen könnte. Zumal der Ukraine-Krieg eine erheblich höhere Zahl von Geflüchteten zur Folge haben könnte als in den Jahren 2015/16.
    Die Unterbringungsfrage ist ein Balanceakt – nicht nur für Bund und Länder, sondern auch für den deutschen Sport. Die Solidarität des deutschen Sports mit der Ukraine ist derzeit groß. Man will helfen, stellen die Verbände klar. Aber der Deutsche Olympische Sportbund verweist auch darauf, wie wichtig es für die Vereine ist, dass sie weiterhin ihre Sportangebote durchführen können.

    DOSB appelliert an die Politik

    "Was aus meiner Sicht nicht die optimale Lösung ist, ist zu sagen, wir nehmen pauschal überall die Turnhalle", sagt DOSB-Vizepräsidentin Kerstin Holze im Deutschlandfunk-Sportgespräch. Sie fordert, dass sich Kommunen mit allen Beteiligten zusammensetzen, um nach Lösungen zu suchen.
    "Und dann gucken wir, was die beste Entscheidung ist. Das kann im Einzelfall die Turnhalle sein. Das kann in einem anderen Fall aber eine ganz andere Lösung sein." In einem Brief an die kommunalen Spitzenverbände hatte der DOSB ebenfalls appeliert, möglichst auf die Ausweisung von Sportstätten als Flüchtlingsunterkünfte zu verzichten – zugunsten geeigneterer Einrichtungen. „Sporthallen sind aus humanitären Gründen als mittel- oder langfristige Massenunterkünfte, wie die Erfahrungen aus der Flüchtlingsphase 2015 gezeigt haben, weitgehend ungeeignet“, heißt es in der Erklärung.

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    Der zuständige Referatsleiter beim Städte- und Gemeindebund bekräftigte gegenüber dem Deutschlandfunk, dass man in Ausnahmefällen auch Turnhallen nutzen werde. Sie würden sich auch deshalb eigenen, weil die notwendigen Sanitäreinrichtungen vorhanden seien.

    Sport als möglicher Weg für Integration

    Der Deutsche Olympische Sportbund verweist zudem auf die Integrationsleistung, die der Sport auch vollbringe. Man wolle den vielen Geflüchteten gerne Sport anbieten, sagt auch Boris Schmidt, Vorsitzender des Freiburger Kreises, dem Zusammenschluss von Sportvereinen mit mehr als 2500 Mitgliedern. "Aber wenn wir dann die Infrastruktur teilweise gar nicht mehr für unsere eigenen Mitglieder haben und dann noch etwas Neues anbieten sollen, dann wird es sehr, sehr schwierig."
    Die Vereine könnten aber eine wichtige Rolle dabei spielen, dass eine "Willkommenskultur" entstehe. Dafür benötige es neben der Infrastruktur aber auch noch einer Billigkeitserklärung des Bundesfinanzministeriums, damit Vereine nicht ihre Gemeinnützigkeit verlieren, wenn sie Nicht-Mitgliedern ihre Angebote kostenfrei zur Verfügung stellen. "Das kostet den Staat nichts", so Schmidt. "Das kostet nur den Vereinen, wenn die bereit sind zu sagen, wir nehmen erstmal alle auf, die da kommen, und die sind eben erst mal nicht Mitglieder."

    Einige Landesverbände bieten Alternativen an

    Um eine Turnhallenbelegung möglichst zu vermeiden, gibt es im Süden des Landes bereits alternative Angebote: Der Bayerische Landes-Sportverband stellt Geflüchteten Notunterkünfte in seinen vier Sportcamps Inzell, am Spitzingsee, in Regen und Bischofsgrün als Obdach zur Verfügung. In den Häusern sind Betten und Bäder bereits vorhanden.
    "Gerade in dieser Krisensituation zeigt sich ganz besonders, welch große integrative Kraft der organisierte Sport hat. In unserer starken Solidargemeinschaft wollen wir den Geflüchteten aus der Ukraine aktiv helfen, um ihnen in dieser humanitären Katastrophe beizustehen", sagte BLSV-Präsident Jörg Ammon. Ein ähnliches Angebot stellt auch der Hessischen Landessportbund in Wetzlar und Frankfurt bereit.

    Auch Sportausschuss beschäftigte sich mit dem Ukraine-Krieg

    Mit den Auswirkungen des Ukraine-Kriegs auf die Sportpolitik beschäftigte sich unlängst auch der Sportausschuss des Bundestages . Dort herrscht breite Anerkennung für die Sanktionen, die es bisher im Sport gegen Russland und Belarus gibt. Ein klares Nein gab es auch weiter zu Teilnahmen von Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus an internationalen Sportveranstaltungen.
    „Der Sport gehört zum Herz jedes Landes, und deswegen trifft es auch Russland, weil die Athletinnen und Athleten einen sehr großen Rückhalt in der Gesellschaft haben. Sie sind Multiplikatoren, und wir müssen jetzt eben alle treffen, um intern den Druck auf Russland zu erhöhen. Und deswegen ist es eben richtig, die Sanktionen so aufrechtzuerhalten“, sagte Philipp Hartewig, sportpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.
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    Die Sanktionspolitik gegen Russland und Belarus geht sogar so weit, dass auch der organisierte deutsche Sport davon betroffen ist: Wenn ein deutscher Sportverband an einem internationalen Wettkampf teilnimmt, bei dem belarussische und russische Sportler und Sportlerinnen teilnehmen, werden keine Reisekosten mehr übernommen.
    (Quellen: dpa, Marina Schweizer, Wolf-Sören Treusch, sima, Maximilian Rieger)