Kate Maleike: Viel Papierkram, langwieriges Verfahren – manchmal dauert es bis zu neun Monate, bis ausländische Pflegekräfte eingestellt werden können. Diese Kritik von einem Kölner Pflegedirektor haben wir noch im Ohr aus dem Beitrag, den wir gerade gehört haben. Allerdings ging es darin nicht explizit um Geflüchtete. Wie deren Weg zur Arbeitsintegration in Deutschland ist, was gut läuft und was weniger, das hat das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung jetzt analysiert.
Frederick Sixtus hat die Untersuchung mit durchgeführt. Sie kommen zu dem Ergebnis, Herr Sixtus, dass der Weg zur Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten besser als erwartet ist, aber immer noch zu lang. Das geht also in die Richtung, die der Kölner Pflegedirektor kritisiert hat?
Frederick Sixtus: Ja, das ist richtig. Geflüchtete stehen bei der Arbeitssuche vor besonderen Hürden, die andere Zuwanderer nicht bewältigen müssen, aber dennoch kann man sagen, dass die Integration besser verläuft als das 2015 noch viele erwartet hatten.
Maleike: Über welche Probleme sprechen wir denn dann?
Sixtus: Man muss zunächst sagen, dass Menschen, die eine Flucht hinter sich haben, vor ganz anderen Herausforderungen stehen als zum Beispiel Zuwanderer, die explizit zum Arbeiten nach Deutschland gekommen sind.
Geflüchtete konnten sich im Vorfeld nicht auf das Leben in Deutschland vorbereiten und haben also gewisse Hürden im Gepäck. Sowohl die Geflüchteten, mit denen wir gesprochen haben, aber auch die Vertreter von Unternehmen und aus der Verwaltung waren sich einig, dass vor allem mangelnde Sprachkenntnisse die größte dieser Hürden darstellen.
Außerdem spielen noch mangelnde Fachkenntnisse oft eine wichtige Rolle sowie eine fehlende Kenntnis des deutschen Arbeitsmarkts, also das Wissen, welche Jobs gebraucht werden und wie man sich dafür qualifiziert.
Vielen fehlen außerdem soziale Kontakte zu Deutschen, also Netzwerke, das sogenannte Vitamin B, und nicht zuletzt haben viele im Krieg oder auf der Flucht Schlimmes erlebt und haben zusätzlich mit psychischen Problemen zu kämpfen. Für die meisten dieser mitgebrachten Hürden gibt es aber mittlerweile zahlreiche Angebote, die dabei helfen, diese zu überwinden – von Integrations- und Sprachkursen, über Praktika bis hin zu Beratungs- und Vermittlungsangeboten. Allerdings haben nicht alle Geflüchteten Zugang zu diesen Angeboten.
"Nicht alle Geflüchteten haben die gleichen Möglichkeiten und Chancen"
Maleike: Wer denn nicht?
Sixtus: Damit kommen wir auch schon zu den institutionellen Hürden, die von vielen der Befragten, mit denen wir gesprochen haben, als das eigentliche, größere Problem als die mitgebrachten Hürden bezeichnet wurden.
Also wir haben das in drei Gebiete gefasst. Das sind zunächst hohe gesetzliche Auflagen und Anforderungen, die an die Geflüchteten gestellt werden. Um Ihnen ein Beispiel zu geben: Da ist zum Beispiel die Anerkennung von Berufsabschlüssen oder Berufsqualifikationen recht unflexibel und damit unmöglich für einige Geflüchtete.
Zweitens stehen viele vor einer sehr komplizierten Verteilung der Zuständigkeiten. Das erzeugt für die Geflüchteten, aber auch für die Unternehmen, die sie beschäftigen wollen, einen Zustand, der von ihnen oft als Behördendschungel bezeichnet wird. Außerdem führt das aufgrund des föderalen Systems dazu, dass die Gesetze bundesweit nicht einheitlich ausgelegt werden.
Und drittens sehen wir das Problem einer äußerst komplexen Gesetzeslage, die einerseits einen hohen Verwaltungsaufwand erzeugt, aber auch eine große Unsicherheit erzeugt für die Geflüchteten, aber auch für die Unternehmen, da niemand mehr wirklich durchblickt, denn das führt zu einer Vielzahl an Aufenthaltstiteln mit verschiedenen Rechten und Möglichkeiten für diejenigen, die diese Titel innehaben, womit wir auch wieder zurückkommen zu den Unterstützungsangeboten, denn Zugang zu Integrationskursen haben zum Beispiel nur bestimmte Kategorien von Geflüchteten, die bestimmte Aufenthaltstitel haben. Also nicht alle Geflüchteten haben die gleichen Möglichkeiten und Chancen hier in Deutschland, und das wird mit dem jetzt verabschiedeten Migrationspaket sicherlich auch nicht besser werden.
"Förderung kann nicht früh genug beginnen"
Maleike: Das bedeutet, das wäre Ihre erste Forderung, dass da gleiches Recht für alle gilt?
Sixtus: Es wäre zumindest ein Vorschlag, über den sich nachzudenken lohnen würde, denn Förderung kann nicht früh genug beginnen. Also das beginnt mit der Sprachförderung, über fachliche Qualifizierung, um die Menschen so früh wie möglich an das Leben hier in Deutschland heranzuführen. Selbst wenn die Menschen keine langfristige Perspektive hier in Deutschland haben, so können sie doch von dem, was sie in den Förderprogrammen mitgenommen haben, auch in ihrem Herkunftsland profitieren.
Rund die Hälfte der Geflüchteten arbeitet als Fachkräfte oder Spezialisten
Maleike: Wir haben jetzt viel über Probleme gesprochen, aber lassen Sie uns doch auch mal die positiven Dinge rausstreichen, denn die gibt es ja auch. Also wo kommen denn die Flüchtlinge unter, mit denen Sie gesprochen haben, was sind Ihre Erkenntnisse?
Sixtus: Die Zahlen zeigen, dass rund die Hälfte der Geflüchteten als Fachkräfte oder als Spezialisten arbeitet, was erstaunlich ist, da es dieses duale Ausbildungssystem zum Beispiel, wie wir es hier in Deutschland haben, in den meisten Ländern gar nicht gibt. Viele der Geflüchtete bringen keinen vergleichbaren Abschluss mit, also nicht das Zertifikat, wie wir das hier in Deutschland haben, viele, sehr viele bringen aber Berufserfahrungen mit. Ein großer Teil der Geflüchteten, die Arbeit finden, beginnen diese aber auch in der Leiharbeit und den Helfertätigkeiten. Viele Geflüchtete arbeiten etwa in der Gastronomie, als Reinigungskräfte, im Sicherheitsbereich, auch in der Kfz-Branche sind viele, auf dem Bau oder in der Pflege.
"Man darf die Motivation nicht in Resignation umschlagen lassen"
Maleike: Sie haben jetzt für Ihre Analyse ja viele Gespräche geführt. Was war denn die bewegendste Erkenntnis eigentlich?
Sixtus: Also wir haben ja mit vielen, meist jungen Menschen gesprochen, die Schlimmes erlebt haben und jetzt aber hochmotiviert sind, sich hier in Deutschland ein neues Leben aufzubauen. Dann ist es nicht schön zu sehen, wenn sie wegen langer Asylverfahren oder rechtlicher Unsicherheit keinen Job, keine Wohnung und damit auch keine Perspektive hier in Deutschland finden. Man darf die Motivation nicht in Resignation umschlagen lassen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.