Es riecht intensiv nach angebratenem Fleisch und orientalischen Gewürzen. Mehr als 30 Menschen drängen sich in der Lehrküche der Volkshochschule Einstein 28 in München, schnippeln Gemüse, unterhalten sich. In rund eineinhalb Stunden werden Couscous und Tajine für alle auf dem Tisch stehen. Das Rezept steht an der großen Tafel an der Wand – auf Arabisch, denn diesmal gibt’s tunesisches Essen beim offenen Kochabend des Vereins "Über den Tellerrand kochen". Amira hat das Rezept ausgesucht, gerade beugt sie sich über eine große Schüssel und rührt:
"Wir vorbereiten Gewürze und dann wir kochen das in Öl mit Fleisch und Tomaten, das ist eine Soße für Couscous."
Amira war schon öfter hier zum Kochen, jetzt leitet sie zum ersten Mal ehrenamtlich die anderen an. Das ist der Gedanke hinter der Initiative: Geflüchtete und Einheimische kochen zusammen – und begegnen sich dabei auf Augenhöhe. Das Konzept funktioniert, findet Sophia aus München, die gerade Oliven für einen Salat halbiert:
"Das ist einfach super, man kann Vorurteile abbauen und man lernt einfach mal die Menschen kennen und das ist interessant. Und das sind auch alles Leute, die, finde ich, schon sehr gut Deutsch sprechen, man kann sich sehr gut verständigen, die Leute kochen gerne, also macht mir sehr viel Spaß. Finde ich eine ganz, ganz tolle Sache."
Jasmin Seipp steht etwas am Rand und freut sich sichtlich über das Lob. Die 32-Jährige ist eine der Gründerinnen des Münchner Ablegers von "Über den Tellerrand kochen".
Vom Finance Management zur Integrationshilfe
Damals, 2015, wollte sie sich für Geflüchtete engagieren und dachte: Beim Kochen kann jeder mitmachen und lernt ganz automatisch die Kultur des anderen kennen. Mittlerweile bietet der Verein, der von der Stadt München gefördert wird und sich auch über Spenden finanziert, außer Kochabenden auch richtige Kochkurse an: Menschen, die eigentlich nur kochen lernen wollen, kommen so automatisch mit Geflüchteten in Kontakt. Und für Jasmin Seipp ist die Arbeit hier fast ein Vollzeitjob, in ihrem alten Beruf als Finance Managerin arbeitet sie nur noch in Teilzeit. Dass sie studierte Betriebswirtin ist, bringt der Initiative einige Vorteile:
"Am Anfang hat sich das so widergespiegelt, dass ich eine der ersten war, die gesagt hat: So Leute, und jetzt brauchen wir mal Kohle. Jetzt müssen wir mal einen Verein gründen, damit wir auch Spendenquittungen ausstellen können und so weiter. Und als wir dann hier das Café gegründet haben, war das schon gut, dass wir mich als die Person im Team haben, die sich jetzt dann um die Finanzen kümmert."
Das Café, von dem Jasmin Seipp spricht, ist nur ein paar Schritte weiter - im Foyer der Volkshochschule. Die VHS suchte einen neuen Pächter, "Über den Tellerrand kochen" übernahm.
Seit Juli bereitet daher Syrer Mehdi, um die 60 Jahre alt, bayerisch-arabische Gerichte zu. Sein Landsmann Mohammad, 23, bedient gerade die Gäste im sonnigen Innenhof:
"Hier zum Essen gibt es Falafel, Falafelteller, Suppe der Woche, Linsensuppe zum Beispiel. Das haben wir. Und wir haben jeden Tag zwei Gerichte zum Mittagessen."
Insgesamt arbeiten 15 Angestellte in der Küche und im Service - zehn davon haben Fluchthintergrund. Einige sind ungelernt, andere haben schon Gastro-Erfahrung. Sie alle sollen in den deutschen Arbeitsmarkt integriert werden. Es funktioniere gut, sagt Jasmin Seipp. Auch, wenn der Anfang nicht ganz leicht war:
"Wir beide wissen, in welches Glas ein Milchkaffee und in welches Glas ein Cappuccino gehört, aber jemand, der halt nicht in Deutschland mal Cafés besucht hat, der weiß das vielleicht gar nicht. Da mussten wir zum Teil vorher anfangen zu erklären".
Businessplan, Rechtsform – ohne Know-how geht es nicht
Und Jasmin Seipp und ihre Mitstreiter standen am Anfang vor der großen Frage: Welche Rechtsform wählen für das Café?
"Man kann auch als Verein wirtschaftlich aktiv sein, aber da weiß man natürlich nie, ob das Finanzamt in München das genauso sieht wie irgendwo anders, das war uns einfach zu riskant, das zu vermischen".
Hilfe gab es durch das Ankommer-Stipendium, gefördert von der KfW: Durch das Stipendium bekam der Verein eine externe Rechtsberatung – und entschied sich dann dafür, eine GmbH zur gründen, mit dem Verein als hundertprozentigem Gesellschafter. So fließen alle Gewinne aus dem Café automatisch in den Verein, der muss aber nicht mit seinen Spendengeldern haften. Und im Vergleich zu einer gemeinnützigen GmbH seien Buchhaltung und Vorgaben etwas weniger kompliziert, sagt Jasmin Seipp. Sie ist trotzdem der Meinung: Ein Sozialunternehmen zu gründen, ist in Deutschland schwierig:
"Bei uns war zum Beispiel allein schon die Krux: Wie nimmt jetzt der Verein Gelder her für die Stammeinlage, 25.000 oder 12.500 Euro. Man darf da halt keine Spendengelder dafür hernehmen, aber wo sollen die sonst herkommen, die müssen ja vom Verein kommen. Also viele sagen, es ist ja gut, wenn eine Initiative schaut, wie sie selber auf eigenen Füßen steht und nicht einfach nur von Spendengeldern abhängig ist. Dafür kriegt man dann keine Gelder. Weil dann alle wieder ihre Spendenquittungen haben wollen".
Der Abend ist noch zu ruhig
Durch ein privates Darlehen konnte der Verein das Dilemma lösen. Mittags läuft das Café schon ganz gut, in den Abendstunden ist es noch eher ruhig im Café. Jasmin Seipp hofft, dass sich das bald ändert.
"Das muss auch passieren, weil wir haben sehr hohe Personalkosten, dadurch, dass wir nicht nur Studenten zum Mindestlohn hier einstellen, sondern wirklich Festangestellte hier haben, die ein faires Gehalt bekommen und wir uns auch Zeit nehmen, die Leute hier einzulernen".
Denn nur wenn es sich selbst trägt, kann das Café dauerhaft bestehen, sagt Jasmin Seipp. Und jeder Gast weiterhin Menschen und Essen aus anderen Kulturen kennenlernen – über den Tellerrand schauen eben.