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Gegen Abschuss und illegalen Fang

In Italien hat in den vergangenen Tagen die alljährliche Jagd auf Zugvögel begonnen. Vor allem Buchfinken, Rotkehlchen, Stare und Sperlinge werden geschossen und gegessen. Trotz massiver Proteste von Vogelschützern und vom WWF beschränkt man sich in der Lombardei nicht auf das Abschiessen, sondern stellt dort selbstgebaute Fallen auf - ein Vorgehen, dass seit dem 19. Jahrhundert verboten ist, aber noch immer eher als Kavaliersdelikt gilt. Alljährlich machen sich deshalb ehrenamtliche Vogelschützer aus Italien und Deutschland auf, um die Vogelfänger zu stellen.

Von Susanne Lettenbauer | 08.10.2004
    Einige schütteln den Kopf, andere knipsen die winzigen leblosen Vogelkörper, die früh um acht zu dutzenden auf der ausgebreiteten Zeitung liegen. Vogelschützer Pietro, der seinen ganzen Jahresurlaub für das Vogelschutzcamp am Lago d´Iseo genommen hat, ist gerade zurückgekommen mit der traurigen "Ausbeute" eines Tages und zeigt sie Alexander Heydt vom Kommittee gegen den Vogelmord e.V.

    Dieser Kernbeisser hier hat einen gebrochenen Fuss, eindeutig, das sieht man hier. Der ist eindeutig aus so einer Bogenfalle. Der ist hier gebrochen, der hat so in der Falle gehangen.

    Nur der Italiener Pietro ist neben der örtlichen Forstpolizei und den Carabinieri berechtigt, die toten Vögel aus Fallen zu beschlagnahmen. Die Deutschen empfindet man als Handlanger, die ab Morgendämmerung bis zum Abendnebel die steilen Hänge entlang kraxeln und durchs Unterholz kriechen. Mit dabei Willi Schuppert, ein pensionierter Beamter aus der Pfalz:

    Da gibt's verschiedene Dörfer, das Lotrino und - wo wir heute hingehen, nach Zone - das sind so ganz bestimmte Stellen, da wo die Leute ganz aggressiv sind. Da muss man ganz besonders aufpassen.

    Der erste Trupp war vor Sonnenaufgang bereits auf der Insel Monte Isola und der Campleiter Alexander Heydt hat zwei Patrouillen der italienischen Forstpolizei zu Fallenstellen geführt, an denen die Uniformierten sich solange auf die Lauer legen, bis sie die Wilderer auf frischer Tat ertappen. Denn die Vogelschützer berühren oder verändern vor Ort nichts:

    Die Fallenstandorte und die Netze zeigen wir der Forstpolizei. Das heisst, so wie wir das heute morgen gemacht haben, bringen wir die Forstpolizei im Dunklen dort hin, jeweils zwei oder drei Polizisten. Und die verstecken sich dann dort in der Nähe des Netzes oder der Fallen und warten da solange bis der Vogelfänger kommt, denn sie müssen ihn in flagranti erwischen.

    Auch wenn das Argument mantrahaft heruntergebete wird, mit Tradition haben die Fallen oft nichts mehr zu tun, obwohl noch immer rund 15 Prozent der Landbevölkerung an ihr festhalten. Ebenso wie bei den örtlichen Jagdvereinen, deren Mitgliederzahlen auf ein Drittel gesunken ist, halten die jungen Italiener wenig vom Wildern, den Alten ist der Weg bis auf 1000 Meter zu anstrengend.

    In diesem Jahr ist es erstmals so, dass man fast keine Fallen findet. Es sind zwar schon Fallen da, aber die sind extrem gut versteckt und auch die Netze sind noch besser versteckt als sonst. Wir müssen also immer wieder in die Hochgebirgsregionen gehen, um überhaupt Fallen zu finden. Früher standen die in den Vorgärten oder direkt hinterm Haus und heute geht man zwei, drei Stunden, ehe man die ersten Fallen zu Gesicht bekommt.

    Das Problem ist, es sieht zwar besser aus, aber in Wirklichkeit könnte es sich noch weiter verschlimmern, denn es werden jetzt Fallen verwendet, die anders sind als die traditionellen Fallen. Das sind Fallen, die nur sehr schwer zu entdecken sind, und die man bewegen kann, ohne Pfade oder dergleichen anlegen zu müssen.
    Ein weiterer schwerwiegender Punkt ist der, dass diese Fallen frei verkauft werden können, denn sie gelten nicht als illegal.

    Deswegen werden sie in den Geschäften verkauft, und zwar als Mausefallen. Dieses Problem trägt auch dazu bei, die Lage zu verschlimmern. Obwohl letztes Jahr 150 Personen von der Forstschutzbehörde in Zusammenarbeit mit den Verbänden, darunter den Comités, angezeigt wurden, hat sich das Phänomen tendenziell nicht verringert. Es verschiebt sich jetzt lediglich hin zu anderen Arten von Fallen.


    Die Fallen, die die Vogelschützer am Monte Guglielmo finden, oder riesige Netze, die als Fischernetze verkauft werden, sind von straff organisisierten Vogelhändlern gebaut und aufgestellt, denn das Geschäft ist lukrativ - pro Vogel zur traditionellen Polenta gibt es zwei Euro, für Lebende 150. Seit kurzem sind die Wilderer jedoch auf den Dreh gekommen, nahezu unauffindbare Rattenfallen im Unterholz auszulegen.

    Also das ist offensichtlich eine Reaktion darauf, dass wir hier seit 20 Jahren einfallen und die Fallen absammeln, denn diesen Fallentyp kann man im Grunde so gut verstecken, dass es fast unmöglich ist für uns den zu finden. Den findet man nur dann wenn in der Nähe noch andere Vogelfallen sind, diese Grossen. Das ist, wenn sie ihre Strategien tatsächlich ändern würden und würden die traditionellen Fallen abschaffen und nur noch die Neuen nehmen, dann haben wir ein echtes Problem, denn die zu finden wird nahezu unmöglich.

    Das Bonner Kommittee gegen den Vogelschutz, das mit ähnlichen Aktionen auch auf Sardinien, Malta und Ischia antritt und zu dem auch der Italiener Pietro gehört, lässt indess nicht locker: In jedem Jahr betragen die Anwaltskosten für Klagen gegen die rechtsgerichtete lombardische Landesregierung gut 25 000 Euro. Denn gegen irgendein Gesetz, sei es auf regionaler, staatlicher oder EU-Ebene, verstößt die lombarische Regierung bei der Freigabe von Zugvögeln zur Jagd immer und sei es, dass die amtlichen Stempel fehlen. Weshalb Heydt bislang noch nie verloren hat.