Eine halbe Milliarde Euro an EU-Mitteln soll jährlich in dubiosen Kanälen landen und das ist eine vorsichtige Schätzung, viel Geld, das an anderer Stelle fehlt, sagt Andrés Ritter, der deutsche Vertreter bei der europäischen Staatsanwaltschaft in Luxemburg:
"Die Feststellung, dass das so ist und dass es Jahr für Jahr geschieht, das ist der Ausgangspunkt dafür gewesen, warum man die Europäische Staatsanwaltschaft geschaffen hat, damit dem wirksam ein Mittel entgegengesetzt werden kann."
EU meint es ernst mit der Betrugsbekämpfung
An der Spitze der Behörde steht Laura Kövesi. Sie ist die frühere Leiterin der Antikorruptionsbehörde in Rumänien und gilt als unerbittliche Ermittlerin. Deshalb hatte ihr Heimaltland über Monate versucht, Kövesi auf dem Posten zu verhindern. Aber mit ihrer Ernennung wollten die EU-Mitgliedstaaten sowie das EU-Parlament zeigen, dass sie es ernst meinen mit der Betrugsbekämpfung.
Aber es machen trotzdem nicht alle mit. Fünf Länder, Polen, Ungarn, Irland, Schweden und Dänemark, beteiligen sich nicht am Projekt. Sehr zum Bedauern der luxemburgischen Justizministerin Sam Tanson: "Nein, leider, aber es machen schon ganz viele mit, aber ich hoffe aber, dass sich das ein oder andere Land es sich überlegen wird und mitmachen wird."
Noch eine weitere EU-Behörde
In allen Mitgliedstaaten hatte es im Vorfeld Diskussionen darüber gegeben, warum die EU eine weitere supranationale Behörde benötigt. Aber ohne die Europäische Staatsanwaltschaft seien die europäischen Justizorgane unvollständig, so Tanson:
"Es gibt schon den europäischen Gerichtshof, wo man Angelegenheiten anfechten kann wir haben viele europäische Texte, die in nationale Recht übergehen und das hier ist ein natürlicher Zusatz zu dem, was bislang auf europäischer Ebene passiert ist."
Allerdings verfüge die Union mit OLAF, dem europäischen Amt für Betrugsbekämpfung verfügt die EU bereits über eine Organisation, die sich um die Betrugs-Problematik kümmert, wenden die Kritiker ein. Aber OLAF habe sich als recht stumpfes Schwert erwiesen. Und das liege in erster Linie daran, dass das Amt selbst eben keine staatsanwaltlichen Ermittlungen einleiten könne. Es meldet Verdachtsfälle an die nationalen Behörden. Dort werde jedoch längst nicht jedem Fall auch nachgegangen, so der stellvertretende Generalstaatsanwalt Andrés Ritter.
Staatsübergreifende Ermittlungen
"Wenn es um einen Fall geht, wenn Subventionsbetrug in drei verschiedenen Staaten in der gleichen Art und Weise stattfindet und jeder der einzelnen Staaten weiß nichts von den Verfahren, die woanders durchgeführt werden, das heißt in jedem einzelnen Staat wir man möglicherweise sagen, na ja, das ist ein sehr schwieriger Fall in dem wir jetzt nicht weiterkommen, da können wir nichts machen, weil, es findet keine Vernetzung statt. Wenn sie aber den grenzüberschreitenden Ansatz der Europäischen Staatsanwaltschaft sehen, wenn man sieht, wie das Gesamtproblem tatsächlich ist, da braucht man einen supranationalen Ansatz, denn, wenn man es nicht weiß, kann man es nicht bekämpfen."
750 Milliarden Euro Corona-Hilfsmittel werden ausgezahlt.
750 Milliarden Euro Corona-Hilfsmittel werden in den kommenden Jahren an die EU-Mitgliedstaaten ausgezahlt. Dass die luxemburgischen Ermittler das verfolgen werden, versteht sich von selbst: "Es ist Teil unserer Aufgabe, wobei allein vom Ausmaß her, mehr Arbeit auf uns zukommen dürfte."
Wenn der Gesamtschaden zulasten des EU-Haushaltes mindesten zehn Millionen Euro beträgt und kriminelle Banden in verschieden Ländern aktiv sind, ermittelt Luxemburg. Und kommt es zu einer Anklage, wird diese in dem EU-Land erhoben, in dem der Schaden am höchsten ist. Denn ein europäisches Strafgericht ist der Europäischen Staatsanwaltschaft nicht zugeordnet. An dieser Stelle kommen die Nationalstaaten ins Spiel, die jeweils über ein Netz sogenannter "Delegierter Staatsanwälte" in den Heimatländern mit Luxemburg kooperieren.