"Wir sind hier, wir sind laut - weil man uns die Heimat klaut."
An Montagabenden haben es Passagiere im Terminal 1 am Rhein-Main-Airport schwer, einen Blick auf die große Tafel mit den Abflugzeiten zu erhaschen. Darunter versammeln sich nämlich Tausende von Demonstranten. Rentner und junge Mütter, Karnevalisten und Fußballer, Hausbesitzer aus der Provinz und Besserverdiener aus Frankfurter Nobelvierteln. Während Ursula Gegner den Protestslogan skandiert, wippt ein schwarzes Plastikflugzeug über ihrem Kopf, befestigt mit einer Feder am Haarreif. Ihrem vierjährigen Sohn hat die Hochheimerin demonstrativ Schallschutz-Kopfhörer aufgesetzt:
"Also, als die Landebahn geöffnet wurde, hat er morgens um 5:14 Uhr zu mir gesagt: Mama, mein Zimmer brummt. Und dann bricht natürlich das Mutterherz. Also, bei Ostwind ziehen wir jetzt in den Keller, dass die Kinder einigermaßen ausgeschlafen sind. Wir sind praktisch in den Keller geflüchtet."
Mittlerweile leben die Gegners zwar wieder über Tage. Im Winter herrscht nämlich Westwind vor, dann wird die Landebahn aus der entgegengesetzten Richtung angeflogen, das Donnern der landenden Flieger verlagert sich eher auf Frankfurter Stadtteile und Offenbach. Aber nach der Landebahneröffnung Ende Oktober wehte viele Tag Ostwind.
"Da landen alle anderthalb Minuten die Flugzeuge, ich würde mal sagen, locker bei 80/85 Dezibel, 18 Stunden am Tag ging das. So können wir nicht leben."
klagt Elisabeth Reitz, die wie die Familie Gegner aus Hochheim-Südstadt kommt. Im benachbarten Flörsheim wohnt Carola Gottas mit ihren zwei Kleinkindern und ihrer Großfamilie. In ihrem Viertel dürfte heute aus Lärmschutzgründen gar nicht mehr gebaut werden:
"Tagsüber auf dem Spielplatz ist es fast nicht mehr auszuhalten. Es gibt jetzt auch einen Antrag im Ortsbeirat, dass die Spielplätze verlegt werden sollen oder ein Indoorspielplatz, weil die Kinder keinen Spaß mehr dran haben. Die erste Woche war so dramatisch, dass fast alle Frauen, die ich kenne, weinend zu Hause gesessen haben. Viele haben anfangs gesagt, sie ziehen weg. Jetzt haben die Leute sehr viel Kraft geschöpft und sehen, auch sie bewegen etwas und haben wieder Mut gefunden und sagen: Nein, wir ziehen nicht weg, wir kämpfen für unsere Stadt, für unsere Region. Ich denke man wird sehen, was auch in Leipzig vor Gericht passiert."
Ob Nachtflüge über dem dicht besiedelten Rhein-Main-Gebiet vom Sommerflugplan an wieder möglich werden, entscheidet im kommenden Jahr das Bundesverwaltungsgericht. Derzeit gilt das vom Kasseler Verwaltungsgericht verhängte absolute Nachtflugverbot, das die Luftverkehrsgesellschaften unbedingt weghaben wollen. Bei den Montagsdemonstrationen im Terminal 1 protestieren Carola Gottas und ihre Mitstreiter nicht nur gegen die schwarz-gelben Regierungen in Hessen und im Bund, die den Flughafenausbau samt Nachtbetrieb befürwortet haben - sie wollen mit ihrem Protest auch die Leipziger Richter beeindrucken.
"Wir sind das Volk, wir sind das Volk."
Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr fordert das Bündnis der Bürgerinitiativen, außerdem sollen die Zahl der Flugbewegungen und der zulässige Lärmpegel begrenzt werden. Schallschutz ist derzeit das Thema Nummer 1 im Flörsheimer Marienkrankenhaus. Dort betritt Schwester Lucina Weiß, gewandet in weiße Dominikanertracht, ein Krankenzimmer. Durchs geöffnete Fenster hört man eines der startenden Flugzeuge, leise für Flörsheimer Verhältnisse.
"Wenn Sie nachher Ihre Infusion und Ihre Spritzen kriegen, machen Sie Fenster zu, damit es einigermaßen ruhig bleibt."
rät die Schwester Oberin Günther Preußler, Schmerzpatient mit Bandscheibenvorfall. In der winterlichen Fluglärm-Schonzeit hilft Fensterschließen, aber wenn bei besserem Wetter demnächst wieder alle eineinhalb Minuten Landeanflüge das Krankenhaus erschüttern, weiß die Dominikanernonne keinen Rat mehr.
"Und ich muss ehrlich sagen: Ich leb' jetzt hier seit 30 Jahren, man lebt ja mit dem Flughafen. Aber so wie es jetzt ist, kann ich mir einen Sommer nicht mehr vorstellen. Ich kann kein Fenster aufmachen, ich kann keinen Patienten draußen sitzen lassen."
Auch Schwester Lucina gehört zu den neuen Wutbürgern, die montags am Terminal demonstrieren. Aus Verantwortung für mein Haus, sagt sie.
Montags lassen die Demonstranten Dampf ab, drohen den Regierenden damit, dass sie ein langes Gedächtnis haben. Wenn sie in den Alltag zurückkehren, ist die Stimmung gedrückt. In den Familien besprechen die Flörsheimer und Hochheimer, ob und wann sie wegziehen. Wie die Gegners:
"Wir wissens noch nicht. Wir machen demnächst irgendwann einen Familienrat. Im Moment versuchen wir, zu demonstrieren, für unsere Rechte zu kämpfen, aber irgendwann, wenn die Gesundheit nicht mehr mitspielt, werden wir gehen müssen. Auch wenn's unsere Herzen zerbricht, aber wenn's krankmacht, werden wir gehen müssen, und dann hat uns Fraport vertrieben."
Das Nahziel aber ist: am kommenden Montag mit noch mehr Menschen im Terminal zu demonstrieren - Banker, Dominikanernonnen, Erzieherinnen und Rentner - die neuen Wutbürger wollen ihre Macht zeigen. Stuttgart 21 hat sie ermutigt.
An Montagabenden haben es Passagiere im Terminal 1 am Rhein-Main-Airport schwer, einen Blick auf die große Tafel mit den Abflugzeiten zu erhaschen. Darunter versammeln sich nämlich Tausende von Demonstranten. Rentner und junge Mütter, Karnevalisten und Fußballer, Hausbesitzer aus der Provinz und Besserverdiener aus Frankfurter Nobelvierteln. Während Ursula Gegner den Protestslogan skandiert, wippt ein schwarzes Plastikflugzeug über ihrem Kopf, befestigt mit einer Feder am Haarreif. Ihrem vierjährigen Sohn hat die Hochheimerin demonstrativ Schallschutz-Kopfhörer aufgesetzt:
"Also, als die Landebahn geöffnet wurde, hat er morgens um 5:14 Uhr zu mir gesagt: Mama, mein Zimmer brummt. Und dann bricht natürlich das Mutterherz. Also, bei Ostwind ziehen wir jetzt in den Keller, dass die Kinder einigermaßen ausgeschlafen sind. Wir sind praktisch in den Keller geflüchtet."
Mittlerweile leben die Gegners zwar wieder über Tage. Im Winter herrscht nämlich Westwind vor, dann wird die Landebahn aus der entgegengesetzten Richtung angeflogen, das Donnern der landenden Flieger verlagert sich eher auf Frankfurter Stadtteile und Offenbach. Aber nach der Landebahneröffnung Ende Oktober wehte viele Tag Ostwind.
"Da landen alle anderthalb Minuten die Flugzeuge, ich würde mal sagen, locker bei 80/85 Dezibel, 18 Stunden am Tag ging das. So können wir nicht leben."
klagt Elisabeth Reitz, die wie die Familie Gegner aus Hochheim-Südstadt kommt. Im benachbarten Flörsheim wohnt Carola Gottas mit ihren zwei Kleinkindern und ihrer Großfamilie. In ihrem Viertel dürfte heute aus Lärmschutzgründen gar nicht mehr gebaut werden:
"Tagsüber auf dem Spielplatz ist es fast nicht mehr auszuhalten. Es gibt jetzt auch einen Antrag im Ortsbeirat, dass die Spielplätze verlegt werden sollen oder ein Indoorspielplatz, weil die Kinder keinen Spaß mehr dran haben. Die erste Woche war so dramatisch, dass fast alle Frauen, die ich kenne, weinend zu Hause gesessen haben. Viele haben anfangs gesagt, sie ziehen weg. Jetzt haben die Leute sehr viel Kraft geschöpft und sehen, auch sie bewegen etwas und haben wieder Mut gefunden und sagen: Nein, wir ziehen nicht weg, wir kämpfen für unsere Stadt, für unsere Region. Ich denke man wird sehen, was auch in Leipzig vor Gericht passiert."
Ob Nachtflüge über dem dicht besiedelten Rhein-Main-Gebiet vom Sommerflugplan an wieder möglich werden, entscheidet im kommenden Jahr das Bundesverwaltungsgericht. Derzeit gilt das vom Kasseler Verwaltungsgericht verhängte absolute Nachtflugverbot, das die Luftverkehrsgesellschaften unbedingt weghaben wollen. Bei den Montagsdemonstrationen im Terminal 1 protestieren Carola Gottas und ihre Mitstreiter nicht nur gegen die schwarz-gelben Regierungen in Hessen und im Bund, die den Flughafenausbau samt Nachtbetrieb befürwortet haben - sie wollen mit ihrem Protest auch die Leipziger Richter beeindrucken.
"Wir sind das Volk, wir sind das Volk."
Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr fordert das Bündnis der Bürgerinitiativen, außerdem sollen die Zahl der Flugbewegungen und der zulässige Lärmpegel begrenzt werden. Schallschutz ist derzeit das Thema Nummer 1 im Flörsheimer Marienkrankenhaus. Dort betritt Schwester Lucina Weiß, gewandet in weiße Dominikanertracht, ein Krankenzimmer. Durchs geöffnete Fenster hört man eines der startenden Flugzeuge, leise für Flörsheimer Verhältnisse.
"Wenn Sie nachher Ihre Infusion und Ihre Spritzen kriegen, machen Sie Fenster zu, damit es einigermaßen ruhig bleibt."
rät die Schwester Oberin Günther Preußler, Schmerzpatient mit Bandscheibenvorfall. In der winterlichen Fluglärm-Schonzeit hilft Fensterschließen, aber wenn bei besserem Wetter demnächst wieder alle eineinhalb Minuten Landeanflüge das Krankenhaus erschüttern, weiß die Dominikanernonne keinen Rat mehr.
"Und ich muss ehrlich sagen: Ich leb' jetzt hier seit 30 Jahren, man lebt ja mit dem Flughafen. Aber so wie es jetzt ist, kann ich mir einen Sommer nicht mehr vorstellen. Ich kann kein Fenster aufmachen, ich kann keinen Patienten draußen sitzen lassen."
Auch Schwester Lucina gehört zu den neuen Wutbürgern, die montags am Terminal demonstrieren. Aus Verantwortung für mein Haus, sagt sie.
Montags lassen die Demonstranten Dampf ab, drohen den Regierenden damit, dass sie ein langes Gedächtnis haben. Wenn sie in den Alltag zurückkehren, ist die Stimmung gedrückt. In den Familien besprechen die Flörsheimer und Hochheimer, ob und wann sie wegziehen. Wie die Gegners:
"Wir wissens noch nicht. Wir machen demnächst irgendwann einen Familienrat. Im Moment versuchen wir, zu demonstrieren, für unsere Rechte zu kämpfen, aber irgendwann, wenn die Gesundheit nicht mehr mitspielt, werden wir gehen müssen. Auch wenn's unsere Herzen zerbricht, aber wenn's krankmacht, werden wir gehen müssen, und dann hat uns Fraport vertrieben."
Das Nahziel aber ist: am kommenden Montag mit noch mehr Menschen im Terminal zu demonstrieren - Banker, Dominikanernonnen, Erzieherinnen und Rentner - die neuen Wutbürger wollen ihre Macht zeigen. Stuttgart 21 hat sie ermutigt.