In der Universität Madrid liegt die Schaltzentrale der Unterstützer von Baltasar Garzón: Eine Ausstellung zeigt Fotos aus den 30er-Jahren von Repressionsopfern vor ihrer Hinrichtung und Bilder von heute mit Freiwilligen, die Massengräber exhumieren. In einem Hörsaal werden Plakate bemalt. "Gegen die Straflosigkeit" steht darauf. In einem anderen Hörsaal erzählt eine Frau vom Schicksal ihres Großvaters:
"Sie mussten sich ihre Gräber selbst schaufeln, bevor sie ermordet wurden. Zeugen berichten, dass einige mit Benzin übergossen und anzündet wurden, noch bevor sie tot waren. Ich verlange von der Regierung und von der Justiz Aufklärung. Ich will wissen, ob mein Großvater ein Geständnis unterschrieben hat, wie im Dorf erzählt wurde, ich will wissen, wo er verscharrt worden ist."
Tagelang berichten Angehörige in einer Art öffentlicher Gruppentherapie von ähnlichen Ereignissen, stellen ähnlich Forderungen. Mehr als 200.000 Unterschriften liegen inzwischen zur Unterstützung von Baltasar Garzón vor, auch von dieser Passantin:
"Spanien muss die Verbrechen der Diktatur aufklären, nach den Verschwundenen suchen. Unsere Gerichte haben mit ihren Ermittlungen gegen Diktaturen in Chile oder Argentinien doch auch die Untersuchungen in diesen Ländern angestoßen. Jetzt müssen wir das mit den Verbrechen machen, die bei uns geschehen sind. Das ist unsere Verantwortung gegenüber der Geschichte. Wie sollen wir denn sonst damit umgehen?"
Doch in der Übergangszeit zwischen Diktatur und Demokratie trat 1977 in Spanien eine Amnestie in Kraft. Sie wurde damals als Teil eines Pakets mit mehren Maßnahmen für demokratische Reformen von der Bevölkerung in einem Referendum angenommen. Heute ist es der Kern der Debatte um die Vergangenheitsbewältigung in Spanien. Denn Baltasar Garzon ist der Ansicht, Amnestiegesetze seien bei Menschenrechtsverbrechen nicht gültig. Seine Gegner meinen, die Amnestie von 1977 in Spanien sei nicht mit ähnlichen Gesetzen wie zum Beispiel in Lateinamerika vergleichbar, erklärt Jurist und Hochschulprofessor Lucrecio Rebollo:
"Es gab bei uns einen großen Konsens über die Amnestie, sie war das Ergebnis langer gesellschaftlicher Debatten, historischer Studien, ein Pakt zwischen allen Parteien. Gemeinsam mit diesem Gesetz wurden auch Renten und Wiedergutmachungen vereinbart, zum Beispiel für die von Franco aus politischen Gründen aus dem Staatsdienst entfernten Beamten. Das war kein Diktat, nicht an der Vergangenheit zu rühren, die Philosophie unserer Amnestie war eine andere."
"Amnestie und Freiheit" rief damals vor allem Spaniens Linke, galt es doch, Regimegegner aus den Gefängnissen zu befreien. Kaum jemand dachte daran, dass damit auch die Vertreter des Regimes eine weiße Weste erhielten. Zudem kam es während des Bürgerkriegs ja auch im linken Lager zu Verbrechen wie willkürlichen Erschießungen. Jurist Rebollo erinnert daran, dass die Debatte um die Gültigkeit der Amnestie im Falle solcher Menschenrechtsverbrechen nicht neu ist. Auch vor Gericht sei sie schon geführt worden, jedoch mit anderen Vorzeichen:
"Ein ganz ähnliches Verfahren war bereits Jahre zuvor eingestellt worden. Damals galt die Anzeige jedoch der kommunistischen Partei und ihrem langjährigen Generalsekretär Santiago Carrillo, denen ebenfalls schwere Verbrechen vorgeworfen wurden. Hier liegt der Vorwurf der Rechtsbeugung begründet: Auf der einen Seite sollen Ermittlungen wegen Verbrechen des Regimes möglich sein, trotz des Amnestiegesetzes, während auf der anderen Seite Ermittlungen gegen Mitglieder der kommunistischen Partei aufgrund des selben Gesetzes zurückgewiesen wurden."
Die Debatte um die Franco-Vergangenheit hat längst eine neue Qualität bekommen. Der Riss durch die Gesellschaft wird dabei immer tiefer. Die einen sehen in der Amnestie einen wichtigen Bestandteil des Paktes zwischen Vertretern des Regimes und Oppositionellen der siebziger Jahre. Auf der anderen Seite schlägt die Vereinigte Linke vor, das Parlament solle die Amnestie von 1977 reformieren, so dass damit keine Menschenrechtsverbrechen getilgt werden. Dies fordern auch die Unterstützer von Garzón:
"Es heißt immer, unser Demokratisierungsprozess sei friedlich und ruhig abgelaufen. Ich denke, das stimmt nicht. Ruhig und friedlich war das nicht - vor allem nicht für diejenigen, die bis heute nach ihren Toten suchen. Das Amnestiegesetz hat für die Opfer der Diktatur gar nichts gebracht. Ja, ich denke, wir müssen alles völlig neu aufarbeiten."
"Sie mussten sich ihre Gräber selbst schaufeln, bevor sie ermordet wurden. Zeugen berichten, dass einige mit Benzin übergossen und anzündet wurden, noch bevor sie tot waren. Ich verlange von der Regierung und von der Justiz Aufklärung. Ich will wissen, ob mein Großvater ein Geständnis unterschrieben hat, wie im Dorf erzählt wurde, ich will wissen, wo er verscharrt worden ist."
Tagelang berichten Angehörige in einer Art öffentlicher Gruppentherapie von ähnlichen Ereignissen, stellen ähnlich Forderungen. Mehr als 200.000 Unterschriften liegen inzwischen zur Unterstützung von Baltasar Garzón vor, auch von dieser Passantin:
"Spanien muss die Verbrechen der Diktatur aufklären, nach den Verschwundenen suchen. Unsere Gerichte haben mit ihren Ermittlungen gegen Diktaturen in Chile oder Argentinien doch auch die Untersuchungen in diesen Ländern angestoßen. Jetzt müssen wir das mit den Verbrechen machen, die bei uns geschehen sind. Das ist unsere Verantwortung gegenüber der Geschichte. Wie sollen wir denn sonst damit umgehen?"
Doch in der Übergangszeit zwischen Diktatur und Demokratie trat 1977 in Spanien eine Amnestie in Kraft. Sie wurde damals als Teil eines Pakets mit mehren Maßnahmen für demokratische Reformen von der Bevölkerung in einem Referendum angenommen. Heute ist es der Kern der Debatte um die Vergangenheitsbewältigung in Spanien. Denn Baltasar Garzon ist der Ansicht, Amnestiegesetze seien bei Menschenrechtsverbrechen nicht gültig. Seine Gegner meinen, die Amnestie von 1977 in Spanien sei nicht mit ähnlichen Gesetzen wie zum Beispiel in Lateinamerika vergleichbar, erklärt Jurist und Hochschulprofessor Lucrecio Rebollo:
"Es gab bei uns einen großen Konsens über die Amnestie, sie war das Ergebnis langer gesellschaftlicher Debatten, historischer Studien, ein Pakt zwischen allen Parteien. Gemeinsam mit diesem Gesetz wurden auch Renten und Wiedergutmachungen vereinbart, zum Beispiel für die von Franco aus politischen Gründen aus dem Staatsdienst entfernten Beamten. Das war kein Diktat, nicht an der Vergangenheit zu rühren, die Philosophie unserer Amnestie war eine andere."
"Amnestie und Freiheit" rief damals vor allem Spaniens Linke, galt es doch, Regimegegner aus den Gefängnissen zu befreien. Kaum jemand dachte daran, dass damit auch die Vertreter des Regimes eine weiße Weste erhielten. Zudem kam es während des Bürgerkriegs ja auch im linken Lager zu Verbrechen wie willkürlichen Erschießungen. Jurist Rebollo erinnert daran, dass die Debatte um die Gültigkeit der Amnestie im Falle solcher Menschenrechtsverbrechen nicht neu ist. Auch vor Gericht sei sie schon geführt worden, jedoch mit anderen Vorzeichen:
"Ein ganz ähnliches Verfahren war bereits Jahre zuvor eingestellt worden. Damals galt die Anzeige jedoch der kommunistischen Partei und ihrem langjährigen Generalsekretär Santiago Carrillo, denen ebenfalls schwere Verbrechen vorgeworfen wurden. Hier liegt der Vorwurf der Rechtsbeugung begründet: Auf der einen Seite sollen Ermittlungen wegen Verbrechen des Regimes möglich sein, trotz des Amnestiegesetzes, während auf der anderen Seite Ermittlungen gegen Mitglieder der kommunistischen Partei aufgrund des selben Gesetzes zurückgewiesen wurden."
Die Debatte um die Franco-Vergangenheit hat längst eine neue Qualität bekommen. Der Riss durch die Gesellschaft wird dabei immer tiefer. Die einen sehen in der Amnestie einen wichtigen Bestandteil des Paktes zwischen Vertretern des Regimes und Oppositionellen der siebziger Jahre. Auf der anderen Seite schlägt die Vereinigte Linke vor, das Parlament solle die Amnestie von 1977 reformieren, so dass damit keine Menschenrechtsverbrechen getilgt werden. Dies fordern auch die Unterstützer von Garzón:
"Es heißt immer, unser Demokratisierungsprozess sei friedlich und ruhig abgelaufen. Ich denke, das stimmt nicht. Ruhig und friedlich war das nicht - vor allem nicht für diejenigen, die bis heute nach ihren Toten suchen. Das Amnestiegesetz hat für die Opfer der Diktatur gar nichts gebracht. Ja, ich denke, wir müssen alles völlig neu aufarbeiten."