Ausbilder Michael Behncke beugt sich gemeinsam mit Ahmad Ahmadi über einen ausgebauten Motor.
"Kannst du hier die Schelle öffnen, und hier die alte Schraube muss raus."
Vor ein paar Tagen erst hat der afghanische Flüchtling die Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker im Kaiserslauterer Autohaus Bösken begonnen, doch in der Werkstatt bewegt er sich schon, als wäre er da zuhause.
Ahmadi: "In der Technik gefällt mir alles, egal welche Technik. Ich habe viel zu viel Interesse mit dem Motor."
Behncke: "Er ist sehr aufnahmebereit, er versteht sehr schnell, die Mitarbeit ist direkt da. Es ist angenehm, mit ihm zu arbeiten, denn man merkt, dass er schon kleine Grundkenntnisse hat, was Motoren angeht, das heißt, es genügen oft kleine Hinweise, dann kann er perfekt arbeiten, auch selbstständig."
Ausbildungsstart unter schwierigen Bedingungen
Keine Selbstverständlichkeit für einen frischen Azubi, doch Ahmadi reparierte in der Heimat schon US-Militärfahrzeuge. Vor weniger als drei Jahren floh der junge Afghane nach Deutschland, die Sprache lernte er erst hier. Andrea Liegert führt das Autohaus gemeinsam mit ihrem Mann. Die Personalchefin freut sich, dass Arbeitsagentur und Kammern mit der sogenannten "Einstiegsqualifikation" ein Modell ausgeheckt haben, das beiden Seiten den Ausbildungsstart unter schwierigen Bedingungen erleichtert. Für den neuen Azubi heißt das:
"Das ist ein Jahr, was vorgeschaltet wird. Wenn er dieses Lehrjahr schafft, kann man es ihm anrechnen und dann ist er direkt schon im zweiten. Oder man kann sagen, ok, jetzt ist er in der Lange eine Lehre zu schaffen, wir fangen mit der Lehre an, wenn er das erste Jahr hinter sich hat, dann wäre er wieder im ersten Lehrjahr, er lernt dann quasi vier Jahre."
Traumberuf Kfz-Mechatroniker
In der Werkstatt macht Ahmadi zwar eine gute Figur, und umgangssprachlich ist er fit, aber im Schriftdeutsch hat er Nachholbedarf. Mit der Berufsschule kommt also ab September eine Herausforderung auf ihn zu. Sprachprobleme und Mentalitätsunterschiede – Ausbildungsbetriebe, die Flüchtlinge einstellen, müssen flexibel sein. Die Handwerkskammern, kurz HWK, haben in Rheinland-Pfalz gemeinsam mit der rot-grünen Landesregierung und der Bundesagentur für Arbeit "Coaches" etabliert. Das sind Helfer, die sich darum kümmern, dass Betriebe und Flüchtlinge zusammenfinden, erklärt Ralf Hellrich, Hauptgeschäftsführer der HWK der Pfalz:
"Handwerksbetriebe haben in der Regel einen familiären Hintergrund, und wo familiärer Hintergrund ist, ist Empathie, und da findet sich auch immer ein Herz für einen Auszubildenden, der nicht gleich mit den deutschen Gewohnheiten vertraut ist."
"Wir profitieren von qualifizierbaren Bewerbern aus aller Welt", betont Autohauschef Thomas Liegert. Mit Ahmad Ahmadi gibt er dem zweiten Flüchtling eine Chance. Der Erste, Mohamed Samimi, hat schon die Hälfte der Ausbildung absolviert. Zuweilen greift der 21jährige seinem Landsmann Ahmadi unter die Arme. Die Berufsschul-Zwischenprüfung hat Samimi mit Bestnoten abgeschlossen. Sein Traumberuf Kfz-Mechatroniker rückt in greifbare Nähe. Aber:
"So einfach war das auch nicht. Also, am Anfang die Sprache war sehr schwierig, die Schule war für mich auch am Anfang sehr schwierig. Aber ich hab hier meinen Hauptschulabschluss mit Durchschnitt eins gemacht. Das war meine größte Angst, dass ich überhaupt eine Arbeit hier finde. Aber irgendwann hab' ich diese Lehrstelle gefunden und hab mich sehr gefreut."
Einwanderungsgesetz bleibt auf der Agenda
Liegert: "Der Wille, das war unfassbar!", schwärmt Andrea Liegert: Wie Samimi sich durchbiss, das hat der Autohaus-Chefin imponiert. Bis vor Kurzem hatten Arbeitgeber noch das Problem, dass sie ihre Azubis im Asylverfahren jederzeit durch Abschiebung verlieren konnten. Doch inzwischen hat sich ein rheinland-pfälzisches Modell durchgesetzt: Bundesweit wird den Ausländerbehörden empfohlen, Azubis für die Dauer der Ausbildung und die Phase der Berufsfindung danach zu dulden. Mit dem Vorschlag, Flüchtlingen als Auszubildenden einen längerfristig sicheren Aufenthaltsstatus zu geben, konnten sich die Kammern und die rot-grüne Landesregierung bislang auf Bundesebene nicht durchsetzen. Ein Einwanderungsgesetz bleibt aber auf der Agenda, so die grüne Wirtschaftsministerin Eveline Lemke.
"Was wir hier geben, ist nicht nur eine Zukunftsperspektive für ein Berufsbild, sondern wir möchten auch eine Zukunftsperspektive zum Hierbleiben geben."
Die wünschen sich auch Ahmadi und Samimi. Der eine würde gern ein Ingenieurstudium nachschieben, der andere möchte im Autohaus Bösken weiterarbeiten und seinen Meister machen. Nur ein winziges Integrationshemmnis erkennt Ahmadi: Noch versteht er kein Pfälzisch. Die Kollegen in Kaiserslautern arbeiten dran.