"Also, der Start ins Fasten heißt Molino, ich zeige ihnen mal, wo das ist. Weizenkleie, Leinsamen, Rosinen und Feigen, und da hinten sind die Teller."
Brigitte Greim, Ende 60, drahtige Figur, kurze graue Haare, begrüßt ihre neu angereisten Gäste im Essraum. Das soll nun also das 'Abendbrot' sein - Leinsamen, Weizenkleie, Feigen, alles zu einem Brei verkocht - Ida und Paul sind skeptisch:
"Das sage ich erst, wenn ich es gegessen habe."
"Gesichtsmaske nennt man das"
Gesichtsmaske, aha. Insgesamt ein Dutzend weitere Menschen im Alter von 25 bis 70 Jahren haben sich in dieser Woche eingefunden, um diese eher ungewöhnliche Art von Urlaub miteinander zu erleben: Fasten in Kombination mit Wandern. Barbara aus Zürich erklärt, wieso sie sich das überhaupt antut:
"Ich habe ein schnelles Leben. Sport, Gesellschaft, familiäre Verpflichtungen, und ich möchte das Ganze einmal entschleunigen. Und zwar auf eine Art, in der ich körperlich und auch seelisch einen besseren Zugang zur mir finde. Ich möchte ein bisschen Spiegelschau machen."
Andere haben bereits Fastenkuren hinter sich. Harald zum Beispiel:
"Meine Schwester hat das einmal gemacht, und sie meinte, dass es vielleicht eine ganz gute. Gelegenheit wäre, meinen Kugelbauch etwas zu reduzieren. Mir ist dann aufgefallen, dass das im Arbeitsalltag kaum hinkommt - es locken dann immer wieder Genüsse, wie zum Beispiel Nusshörnchen. Angesichts dieser Genüsse erschien es mir nur in dieser, mehr oder weniger kasernierten Situation möglich, etwas Gewicht abzunehmen."
Gemüsebrühe, Obst- und Gemüsesäfte, Tee und natürlich ganz viel Wasser - das muss innerhalb der nächsten sechs Tage die Nusshörnchen ersetzen. Den Molino-Brei gibt es nämlich nur zum Einstieg. Danach folgt das Abführen. Und mit entleertem Darm geht es dann ins Wochenprogramm - tägliche Wandertouren, schließlich befindet man sich ja mitten im schönen Schwarzwald.
"Heute wollen wir Richtung Westen gehen. Es geht ein wenig rauf und runter, und Thema wird sein: Wald und Käfer."
Wanderführer Michael ist hauptberuflich Biologe und vermittelt daher auch gern nebenbei noch ein wenig naturkundliches Wissen.
"Dann geht der kleine Käfer rein, und dann schlüpfen die Jungen aus den Eiern und fressen sich dann durch. Die Schicht an der Borke wird dann zerstört, und innerhalb von wenigen Wochen stirbt der Baum ab."
Die Gruppe hört zu, Nachfragen kommen aber keine. Wie schaut es denn aus mit der Befindlichkeit der Teilnehmer, an diesem ersten Fastenwandertag? Lawrence, gebürtiger Brite, und Ida, die aus der Slowakei stammt, leiden ein wenig:
"Mir fällt es schwer, bergauf zu gehen. Aber ich freue mich über die frische Luft. Es ist schön, dass auch das Wetter mitspielt."
"Ich habe doch Kopfschmerzen bekommen. Aber ich weiß, dass es nach zwei Tagen vorbei ist, und daher ist es ok."
Neueinsteigerin Barbara ergeht es ähnlich:
"Ich fühle mich ziemlich müde und energetisch ziemlich unten. Es geht so mit dem Laufen, aber jede Steigung wird zum O-Weh."
Michael kennt das alles schon, er führt bereits seit sechs Jahren Fastengruppen durch den Schwarzwald und ist davon überzeugt, dass Fasten und Wandern sehr gut zusammenpassen:
"Wenn man nur fastet, also das zu Hause macht, dann ist man innerhalb einer halben Stunde vor dem Kühlschrank und sagt sich 'ach ja, ich faste ja'. Aber wenn man in der Natur ist, dann hat man ein anderes Verhältnis zu seinem Körper und dann spielt das keine so große Rolle. Außerdem ist es leichter in der Gruppe zu fasten als alleine. Die Erfahrung habe ich selber gemacht - ich faste ja auch einmal im Jahr."
Und dann macht er trotzdem weiterhin Wandertouren - um sich besser in seine Teilnehmer hineinversetzen zu können, so sagt er.
Rund 1000 Menschen kommen jährlich allein in dieses Tagungshaus zum Fasten. Und in den vergangenen Jahren steigt die Zahl jährlich immer weiter an. Ein Lifestyletrend? Brigitte Greim:
"Früher war diese Bewegung ab einem Alter von 50 oder 60 Jahren, die sich Gedanken über ihr Alter machten und dann ihre Ernährung umstellen wollten, mit einer Fastenzeit vorher. Heute sind schon bei jungen Menschen Probleme da. Der Kopf ist überbelastet, also 'Ich arbeite zu viel, ich esse verkehrt'. Die Belastungen sind größer geworden."
Es sind also tatsächlich eher die psychischen Belastungen im Alltag, die Menschen zum Fastenwandern bringen, als Gewichtsprobleme. Bauch frei - Kopf frei, so sagt Brigitte Greim, möchte aber gleichzeitig betont wissen, dass ein Fasten ohne eine anschließende Änderung der Lebens- und Essgewohnheiten wenig Sinn macht.
Am Ende der Woche ist die Stimmung im Wald dann auch schon deutlich besser - bei Paul zum Beispiel:
"Kraft ist da, Ausdauer ist da. Kopfweh vom Anfang ist nun auch weg - nun kann man anfangen, es zu genießen."
Und siehe da - auch Michaels Erläuterungen finden nun Anklang:
"Es ist schön, dass man hier geführt wird, man wird aufmerksam gemacht auf bestimmte Schönheiten, die man sonst nicht so wahrnimmt. Aber hier beim Fasten hat man die Zeit dazu."
"Wir sitzen in strahlender Sonne mit Blick auf die Berge über das weite Land, kein Gasthaus ist in Sicht - wir brauchen keins! Und wir genießen einfach nur."
Genießen scheint inzwischen das große Stichwort zu sein - Lawrence sitzt am Morgen des Abreisetags im Essraum und schält mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen seinen ersten Apfel nach sechs Tagen Fastenkur.
"Es ist schon eine Erleichterung, nach Gemüsebrühe und Obstsäften. So einen Apfel habe ich noch nie so geschmeckt! Ich würde es jederzeit wieder machen."
Und zumindest Inge ist sich auch völlig darüber im Klaren - dass sich im Alltag etwas ändern muss. Sie hat daheim bereits vorgesorgt:
"Ich habe vor, zu Hause mein Essverhalten zu ändern und habe mir darum vor meiner Abreise einen neuen Essplatz eingerichtet, an einer anderen Stelle als vorher, und werde mir nun auch hier noch neues Geschirr zulegen. Ich möchte mir ein bisschen mehr Zeit nehmen zum Essen, und ein bisschen weniger.""
Brigitte Greim, Ende 60, drahtige Figur, kurze graue Haare, begrüßt ihre neu angereisten Gäste im Essraum. Das soll nun also das 'Abendbrot' sein - Leinsamen, Weizenkleie, Feigen, alles zu einem Brei verkocht - Ida und Paul sind skeptisch:
"Das sage ich erst, wenn ich es gegessen habe."
"Gesichtsmaske nennt man das"
Gesichtsmaske, aha. Insgesamt ein Dutzend weitere Menschen im Alter von 25 bis 70 Jahren haben sich in dieser Woche eingefunden, um diese eher ungewöhnliche Art von Urlaub miteinander zu erleben: Fasten in Kombination mit Wandern. Barbara aus Zürich erklärt, wieso sie sich das überhaupt antut:
"Ich habe ein schnelles Leben. Sport, Gesellschaft, familiäre Verpflichtungen, und ich möchte das Ganze einmal entschleunigen. Und zwar auf eine Art, in der ich körperlich und auch seelisch einen besseren Zugang zur mir finde. Ich möchte ein bisschen Spiegelschau machen."
Andere haben bereits Fastenkuren hinter sich. Harald zum Beispiel:
"Meine Schwester hat das einmal gemacht, und sie meinte, dass es vielleicht eine ganz gute. Gelegenheit wäre, meinen Kugelbauch etwas zu reduzieren. Mir ist dann aufgefallen, dass das im Arbeitsalltag kaum hinkommt - es locken dann immer wieder Genüsse, wie zum Beispiel Nusshörnchen. Angesichts dieser Genüsse erschien es mir nur in dieser, mehr oder weniger kasernierten Situation möglich, etwas Gewicht abzunehmen."
Gemüsebrühe, Obst- und Gemüsesäfte, Tee und natürlich ganz viel Wasser - das muss innerhalb der nächsten sechs Tage die Nusshörnchen ersetzen. Den Molino-Brei gibt es nämlich nur zum Einstieg. Danach folgt das Abführen. Und mit entleertem Darm geht es dann ins Wochenprogramm - tägliche Wandertouren, schließlich befindet man sich ja mitten im schönen Schwarzwald.
"Heute wollen wir Richtung Westen gehen. Es geht ein wenig rauf und runter, und Thema wird sein: Wald und Käfer."
Wanderführer Michael ist hauptberuflich Biologe und vermittelt daher auch gern nebenbei noch ein wenig naturkundliches Wissen.
"Dann geht der kleine Käfer rein, und dann schlüpfen die Jungen aus den Eiern und fressen sich dann durch. Die Schicht an der Borke wird dann zerstört, und innerhalb von wenigen Wochen stirbt der Baum ab."
Die Gruppe hört zu, Nachfragen kommen aber keine. Wie schaut es denn aus mit der Befindlichkeit der Teilnehmer, an diesem ersten Fastenwandertag? Lawrence, gebürtiger Brite, und Ida, die aus der Slowakei stammt, leiden ein wenig:
"Mir fällt es schwer, bergauf zu gehen. Aber ich freue mich über die frische Luft. Es ist schön, dass auch das Wetter mitspielt."
"Ich habe doch Kopfschmerzen bekommen. Aber ich weiß, dass es nach zwei Tagen vorbei ist, und daher ist es ok."
Neueinsteigerin Barbara ergeht es ähnlich:
"Ich fühle mich ziemlich müde und energetisch ziemlich unten. Es geht so mit dem Laufen, aber jede Steigung wird zum O-Weh."
Michael kennt das alles schon, er führt bereits seit sechs Jahren Fastengruppen durch den Schwarzwald und ist davon überzeugt, dass Fasten und Wandern sehr gut zusammenpassen:
"Wenn man nur fastet, also das zu Hause macht, dann ist man innerhalb einer halben Stunde vor dem Kühlschrank und sagt sich 'ach ja, ich faste ja'. Aber wenn man in der Natur ist, dann hat man ein anderes Verhältnis zu seinem Körper und dann spielt das keine so große Rolle. Außerdem ist es leichter in der Gruppe zu fasten als alleine. Die Erfahrung habe ich selber gemacht - ich faste ja auch einmal im Jahr."
Und dann macht er trotzdem weiterhin Wandertouren - um sich besser in seine Teilnehmer hineinversetzen zu können, so sagt er.
Rund 1000 Menschen kommen jährlich allein in dieses Tagungshaus zum Fasten. Und in den vergangenen Jahren steigt die Zahl jährlich immer weiter an. Ein Lifestyletrend? Brigitte Greim:
"Früher war diese Bewegung ab einem Alter von 50 oder 60 Jahren, die sich Gedanken über ihr Alter machten und dann ihre Ernährung umstellen wollten, mit einer Fastenzeit vorher. Heute sind schon bei jungen Menschen Probleme da. Der Kopf ist überbelastet, also 'Ich arbeite zu viel, ich esse verkehrt'. Die Belastungen sind größer geworden."
Es sind also tatsächlich eher die psychischen Belastungen im Alltag, die Menschen zum Fastenwandern bringen, als Gewichtsprobleme. Bauch frei - Kopf frei, so sagt Brigitte Greim, möchte aber gleichzeitig betont wissen, dass ein Fasten ohne eine anschließende Änderung der Lebens- und Essgewohnheiten wenig Sinn macht.
Am Ende der Woche ist die Stimmung im Wald dann auch schon deutlich besser - bei Paul zum Beispiel:
"Kraft ist da, Ausdauer ist da. Kopfweh vom Anfang ist nun auch weg - nun kann man anfangen, es zu genießen."
Und siehe da - auch Michaels Erläuterungen finden nun Anklang:
"Es ist schön, dass man hier geführt wird, man wird aufmerksam gemacht auf bestimmte Schönheiten, die man sonst nicht so wahrnimmt. Aber hier beim Fasten hat man die Zeit dazu."
"Wir sitzen in strahlender Sonne mit Blick auf die Berge über das weite Land, kein Gasthaus ist in Sicht - wir brauchen keins! Und wir genießen einfach nur."
Genießen scheint inzwischen das große Stichwort zu sein - Lawrence sitzt am Morgen des Abreisetags im Essraum und schält mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen seinen ersten Apfel nach sechs Tagen Fastenkur.
"Es ist schon eine Erleichterung, nach Gemüsebrühe und Obstsäften. So einen Apfel habe ich noch nie so geschmeckt! Ich würde es jederzeit wieder machen."
Und zumindest Inge ist sich auch völlig darüber im Klaren - dass sich im Alltag etwas ändern muss. Sie hat daheim bereits vorgesorgt:
"Ich habe vor, zu Hause mein Essverhalten zu ändern und habe mir darum vor meiner Abreise einen neuen Essplatz eingerichtet, an einer anderen Stelle als vorher, und werde mir nun auch hier noch neues Geschirr zulegen. Ich möchte mir ein bisschen mehr Zeit nehmen zum Essen, und ein bisschen weniger.""