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Gegen Mafia, Beppe Grillo und Reformstau

In reformunwilligen Politikbetrieb Italiens ist es schwer, politisch etwas zu erreichen, sagt Laura Garavini, Abgeordnete der Regierungspartei Partito Democratico: "Man hat jeden zweiten Tag den Eindruck, wir müssen dramatische Probleme lösen."

Von Gregor Hoppe | 20.09.2013
    Es ist ein heißer Hochsommertag in Rom. So heiß, dass dem Besucher schon um neun Uhr morgens die Sakkopflicht der italienischen Abgeordnetenkammer lästig fällt. Aber Laura Garavini, die in der höchst noblen "Galleria dei presidenti" wartet, wirkt frisch wie der Tag. Dabei hat sie gerade zwei endlose Sitzungstage hinter sich: Die Fünf-Sterne-Protestbewegung blockierte die parlamentarischen Prozeduren, die Plenarsitzung ging die vergangenen zwei Nächte durch. Das ist aber nicht das, was sie gegen die Partei des früheren Komikers Grillo einzuwenden hat, Laura Garavini hält die Grillo-Leute für den Beweis, dass die etablierten Parteien Fehler gemacht und Themen vernachlässigt haben. Aber:

    "Die Fünf-Sterne-Bewegung ist eine autoritäre Partei, sie werden von einem schon verurteilten Totschläger und Steuerhinterzieher geleitet. (*) Und er nutzt auch sehr oft eine faschistische Rhetorik. Eine Stimme für die Fünf-Sterne-Bewegung ist etwas, dass eine soziale fortschrittliche Mehrheit verhindern kann."

    Das überraschend starke Wahlergebnis der Fünf-Sterne-Bewegung - 25 Prozent auf Anhieb - hat bei den Wahlen im Februar die Mehrheit für die demokratische Partei verhindert. Die Demokraten, deren Vizeparteichef Enrico Letta Premier wurde, waren gezwungen, die Partei des Medienmilliardärs Silvio Berlusconi mit ins Regierungsboot zu holen. Auf Kosten ihrer eigenen Handlungsfreiheit und der Glaubwürdigkeit.

    ""Ich bin kein Fan dieser Großen Koalition. Auch wenn ich den jetzigen Ministerpräsidenten sehr schätze als Vizeparteichef. Also unser Enrico Letta ist wirklich ein großartiger Ministerpräsident. Nichtsdestotrotz habe ich Probleme, mit den italienischen Rechten zusammenzuarbeiten."

    Sogar als Regierungspartner erzwang die Berlusconi-Partei neulich einen Tag Parlamentspause. Einfach aus Protest dagegen, dass das Kassationsgericht früher als geplant in einem Verfahren gegen Berlusconi zu urteilen beschloss. Ein solcher Vorgang allein scheint schwer erträglich zu sein, für eine Frau, die etwas verändern möchte im Land, aber auch im unglaublich reformunwilligen Politbetrieb Italiens.

    "Man hat jeden zweiten Tag den Eindruck, wir müssen dramatische Probleme lösen. Zwei Tage später weiß keiner mehr, welchen Grund die Aufregung hatte. Beispielsweise im Wahlkampf war es so, dass immer wieder Querschüsse aus den eigenen Reihen kamen und die haben uns gerade unheimlich geschwächt."

    Die Profilsucht einzelner Akteure, ihre Unfähigkeit, sich pragmatisch einfach mal der gemeinsamen Sache unterzuordnen, hat der italienischen Linken oft schon den Erfolg verdorben. Laura Garavini zog erstmals 2006 als sogenannte Auslandsitalienerin in die Abgeordnetenkammer ein. Damals war Ex-Kommissionspräsident Romano Prodi für Mitte-Links aus Brüssel zurückgekommen, schlug Berlusconi zum zweiten Mal bei den Wahlen, um 20 Monate später von den eigenen Leuten gestürzt zu werden. Laura Garavini kennt die Auslandsitaliener in ganz Europa. Das bringt sie mit den unterschiedlichsten Ansätzen sozialdemokratischer Politik zusammen.

    "Ich arbeite viel mit Facebook, mit Twitter, mit Internet und nichtsdestotrotz bin ich ganz fest davon überzeugt, dass der ganz persönliche Kontakt mit den Menschen noch immer wichtig ist. Um mit ihnen zu sprechen, zuzuhören, zu erklären, warum man gewisse politische Entscheidungen im Parlament getroffen hat. Und das ist der Grund, warum ich im letzten Wahlkampf innerhalb von sechs Wochen über 30.000 Kilometer gefahren bin, in acht unterschiedlichen Ländern, in großen Städten Europas, dort, wo viele Italiener leben."

    Laura Garavini stammt aus der traditionell roten Region Emilia-Romagna, einer wirtschaftlichen Powerzone Italiens, aus einem Familienbetrieb von Obstbauern. Sie war Gewerkschafterin, hat lange Jahre in Deutschland gelebt. Eine Anti-Mafia-Initiative Berliner und deutscher Gastwirte hat sie ins Leben gerufen. Sie bringt Erfahrungen mit, die sie bestimmte aktuelle Debatten unter ganz anderen Gesichtspunkten betrachten lassen. Und nun braucht Laura Garavini doch noch schnell einen Espresso, vor der nächsten Sitzung des Anti-Mafia-Auschusses , was dem Reporter nur recht sein kann, der sich sofort hinter der fiependen Sicherheitsschleuse des Sakkos entledigen darf.

    * Anmerkung der Redaktion: Laura Garavini hat diese Aussage inzwischen korrigiert. Grillo ist nicht wegen Totschlags, sondern wegen fahrlässiger Tötung verurteilt worden. Sie bedauert ihren Irrtum.