
Eine Stele des Künstlers Hans-Joachim Prager solle der judenfeindlichen Hassbotschaft der mittelalterlichen Plastik eine Botschaft der Toleranz und der Versöhnung entgegensetzen, kündigte die Evangelische Landeskirche Anhalts in Dessau an.
Die 1,25 Meter hohe Stele wurde im vergangenen Herbst im Rahmen eines Kunstwettbewerbs von einer Jury ausgewählt. Die Plastik ist Lesepulten in jüdischen Synagogen nachempfunden. Sie besteht aus einem Granitblock mit dem Bibelwort "Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde" sowie einem schwarzen Bronzeaufsatz. Darauf sind Namen jüdischer Familien aus Zerbst aufgeführt, die Opfer des Nationalsozialismus wurden, sowie der Verfassungsgrundsatz: "Die Würde des Menschen ist unantastbar." Auf den Seitenplatten befinden sich 240 Vornamen. Die Deckplatte trägt in goldenen Lettern die Inschrift: "Wir - die wir hier stehen. Wir sind. Wir denken. Wir wirken. Zusammen - wir gehen."
"Historisches Erbe, dem wir uns stellen müssen"
Gemeindepfarrer Lutz-Michael Sylvester erklärte: "Die Kirchengemeinde hat beschlossen, nicht in eine Diskussion über die mögliche Entfernung der Schmähplastik einzutreten. Diese gehört mit ihrer menschenverachtenden Aussage zu unserem historischen Erbe, dem wir uns stellen müssen, zur mahnenden Erinnerung."
Im Zweiten Weltkrieg wurde Sankt Nicolai schwer beschädigt und ist heute eine gesicherte Ruine mit offenem Kirchenschiff. Die Schmähplastik aus Sandstein stammt aus dem Jahr 1450 und zeigt Juden, die an den Zitzen einer Sau trinken, einer blickt in den After des Tieres. Schweine gelten im Judentum als unreine Tiere.
Fall Wittenberg weiter vor Gericht
In Europa gibt es geschätzte 50 weitere ähnliche Darstellungen an Kirchen. Der Umgang damit wird in Deutschland vielfach diskutiert und beschäftigt auch höchste Gerichte. Der Bundesgerichtshof entschied 2022, dass eine entsprechende Schmähplastik aus dem 13. Jahrhundert an der Wittenberger Stadtkirche nicht entfernt werden muss. Durch eine Bodenplatte und einen Schrägaufsteller unterhalb des Reliefs sei das Schandmal in ein Mahnmal umgewandelt. Der jüdische Kläger wandte sich daraufhin mit einer Verfassungsbeschwerde an das Bundesverfassungsgericht.
Diese Nachricht wurde am 24.05.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.