Das Gartenhaus im Stadtpark von Magdeburg. Es ist 18 Uhr und der Saal gut gefüllt: Rund 140 Menschen sind gekommen, um sich Gerhard Schindler, den Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes, des deutschen Auslandsgeheimdienstes, einmal aus der Nähe anzuschauen.
Eingeladen hat ihn der lokale Bundestagsabgeordnete Burkard Lischka von der SPD - und so ist es auch Lischka selbst, der Schindler interviewt - gut eine Stunde lang.
"Ich glaube, dass solche Veranstaltungen uns ganz guttun, uns dem Bundesnachrichtendienst. Weil wir ein Stück weit miterleben, wie die Stimmung der Bevölkerung gegenüber den Nachrichtendiensten in Deutschland ist. Und deshalb freue ich mich, dass ich heute Abend bei ihnen in Magdeburg sein darf."
Der BND-Präsident gibt sich jovial und leutselig. Er versteht sich darauf, Stimmung zu machen, landet immer wieder Lacher, hat das Publikum schnell im Griff.
"Es hat in vielen Teilen Spaß gemacht, allerdings hat es auch oft keinen Spaß gemacht. Aber dieses Schmerzensgeld erhält man ja jeden Monat aufs Konto, und insofern bin ich sehr zufrieden", sagt Schindler auf die Frage, wie viel Spaß ihm die Arbeit denn mache.
BND-Chef sucht bewusst die Öffentlichkeit
Ein BND-Chef zum Anfassen, der aus dem Nähkästchen plaudert. Es ist nicht das erste Mal, dass Schindler sich auf ein Podium setzt - im Gegenteil. Kein BND-Präsident vor ihm hat die Öffentlichkeit so gesucht wie Gerhard Schindler. Das gilt auch für die Medien:
Regelmäßige Hintergrundgespräche mit BND-Experten zu aktuellen Themen gehören genauso dazu wie Interviews mit Spionen, die der BND vereinzelt ermöglicht - was früher undenkbar war. Das Zauberwort heißt Transparenzoffensive.
"Klar ist, das ist ein Spagat. Auf der einen Seite sind wir ein Geheimdienst, von daher müssen unsere Methoden, unsere Quellen aber auch die operativen Mitarbeiter, die das leisten, die müssen geheim bleiben. Aber ich glaube, es gibt viele Bereiche in einem Nachrichtendienst, die man offen legen kann, wo es im Grunde genommen irgendwie historisch bedingt ist, keiner kann es mehr richtig erklären, warum es geheim ist."
Wie weit aber geht die Transparenz? Passt das überhaupt zusammen - Transparenz und Geheimdienst? Schindlers Kurs - politisch übrigens vom Kanzleramt abgesegnet - wird in anderen Sicherheitsbehörden skeptisch gesehen.
Der Begriff wecke Erwartungen, die ein Geheimdienst unmöglich erfüllen könne, heißt es. Und in der Tat: Schaut man sich an, wo der BND transparent geworden ist, dann sind das beispielsweise seine Außenstellen.
"Da stand nie das Schild Bundesnachrichtendienst dran. Bei einem stand 'Ionosphäreninstitut' – ich wusste gar nicht, was das ist", erklärt Schindler sehr zur Erheiterung des Publikums.
"Bei einer anderen Außenstelle stand 'Fernmeldeweitverkehrsstelle der Bundeswehr'. Wenn sie dann gegoogelt haben bei BND, da stand dann unter Außenstellen: 'Fernmeldeweitverkehrsstelle der Bundeswehr ist eine Außenstelle des BND'. Das macht überhaupt keinen Sinn mehr."
Nur: Das öffentlich zu machen, was ohnehin bekannt ist - hat das viel mit Transparenz zu tun? Nein, meint Konstantin von Notz, für die Grünen im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages.
"Die Frage, was macht der Bundesnachrichtendienst genau, an welchen Außenstellen, wo werden Daten weitergeleitet, wie sehen die Selektoren aus, all das bleibt im Verborgenen, eben auch vor dem Parlament, das gehört ja nicht unbedingt in die Zeitung, aber vor die Kontrollinstanzen, die verfassungsrechtlich so vorgesehen sind. Und da merkt man keinen Sinneswandel."
Im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages erlebe man keinen BND, der um Transparenz bemüht sei, sagt von Notz.
"Das Gegenteil ist der Fall: Es wird gemauert, die Zeugen erzählen uns praktisch nichts, lassen häufig wesentliche Dinge weg, die sich in zweiten, dritten und vierten Vernehmungen doch noch auftun – ich sehe deshalb im Hinblick auf die Transparenz massive Probleme."
Raus aus der Schmuddelecke
Das soll sich nun ändern - das Parlamentarische Kontrollgremium soll größer werden und mehr Befugnisse bekommen und der BND eine neue Rechtsgrundlage. So soll ihm beispielsweise die Spionage innerhalb Europas verboten werden - bis auf wenige begründete Ausnahmen.
"Sie dürfen sicher sein, wir wollen klare Regelungen. Wir haben es auch nicht gern, wenn wir da in der rechtlichen Grauzone rumwuseln. Wir bevorzugen klare Regelungen", betont Schindler.
Der BND-Präsident will den Geheimdienst raus aus der Schmuddelecke holen. Die Geheimen hatten sich im Geheimen immer ganz wohl gefühlt, sich mit ihrem schlechten Image abgefunden. Doch die Geheimdienste sind nach den Enthüllungen von Edward Snowden so sehr wie nie zuvor in die Kritik geraten - auch der BND aufgrund seiner Kooperation mit der amerikanischen NSA. Das größte Problem für den BND: Er kann nicht über seine Erfolge sprechen. In diesem Sinne ist die Geheimhaltung auch ein Fluch für den Dienst. Schindler versucht es vereinzelt, dort wo es geht:
"Wir haben beispielsweise 38 Anschläge auf deutsche Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan verhindert. Wo wir wirklich guten Gewissens sagen können, das haben wir, der Bundesnachrichtendienst, verhindert."
Zeigen was man kann und was man leistet - das will der BND auch in seiner neuen Zentrale in Berlin Mitte, so sie denn irgendwann einmal fertig wird. Geplant ist dort auch ein großes Besucherzentrum, mit Zutritt für jedermann, in dem der Geheimdienst sich der Öffentlichkeit präsentieren will. Ein weiterer Baustein im PR-Konzept des BND.