Wer erst einmal ein wertvolles altes Meisterinstrument sein eigen nennt, gibt das nicht mehr so gern aus der Hand. Schon gar nicht für eine schnöde wissenschaftliche Holzuntersuchung. Doch Violinen, und auch die kostbarsten, müssen manchmal zum Doktor; genauer gesagt zum Geigenbauer oder Geigenrestaurator. Und das war die Chance für Joseph Nagyvary, Biochemiker an der Texas A&M University in College Station:
"”Wenn man zum Beispiel einen Stimmriss, einen Sprung unter dem Stimmstock einer Geige repariert, dann muss man das Holz etwas abtragen. Es bleibt also bei jeder Reparatur, bei jeder Ausbesserung im Inneren einer Stradivari ein entsprechendes Stückchen Originalholz bei den Restauratoren. Und nach solchem Holz habe ich gesucht. Die Sache ist natürlich sehr rar, und nur so viel darf ich sagen: Das Material stammt von zwei der bekanntesten Geigen von Stradivari und Guarneri aus den Jahren 1717 bzw. 1741.""
Material übrigens von den Instrumentböden, die stets aus Ahornholz gebaut werden. Nagyvary ergatterte außerdem weitere Späne aus einer englischen Bratsche von 1769 und einer französischen Meistergeige von 1840. Und dann nahm er die antiken Proben, zusammen mit einem Vergleichsmuster aus modernem Ahornholz, mit elektromagnetischen Wellen unter Beschuss: Deren Frequenz liegt beim ersten Verfahren, der Kernresonanzspektroskopie, im Bereich der Radiowellen. Und beim zweiten, der Infrarotspektroskopie, im Bereich der Wärmestrahlung.
Spektroskopischen Analysen liegt ein Phänomen zugrunde: Atome oder Moleküle lassen sich aufgrund ihrer immer ganz charakteristischen Wechselwirkung mit den elektromagnetischen Wellen eindeutig identifizieren. Und somit kann man erstens feststellen, was an chemischen Bestandteilen in einer Probe steckt. Und zweitens, in welchen Mengen es darin vorkommt. Bei Nagyvarys Messungen fielen zwei der untersuchten Ahornspäne, nämlich genau die aus den Cremonenser Geigen, chemisch völlig aus der Rolle. Nagyvary:
"” Holz hat drei Hauptbestandteile: Der bekannteste ist Zellulose, die anderen sind Lignin und Hemicellulose. Mehr als 50 Prozent der Hemicellulose fehlt bei der Guarneri und der Stradivari. Und auch eine solche Beschädigung des Lignins, wie wir sie hier festgestellt haben: Das kann nicht allein durch Abkochen in Wasser, sondern nur durch den zusätzlichen Einsatz eines Oxidationsmittels hervorgerufen werden. Die Messergebnisse beider Analyseverfahren passen da zusammen: Die italienischen Meister haben etwas sehr drastisches mit ihrem Holz gemacht.""
Kein Beweis, dazu war schon die Anzahl der Proben zu gering. Aber eine starke Bestätigung für eine Theorie, die Joseph Nagyvary schon seit Jahrzehnten verficht: In Cremona gab es demnach für eine gewisse Zeitlang eine lokale Tradition, wie Holz vor der Weiterverarbeitung präpariert wurde. Wässern oder Abkochen, aber vor allem der Einsatz verschiedener Chemikalien dienten einem Zweck: Dem Holzwurm das Leben schwer zu machen. Der Klang verbessernde Effekt dieser Holzschutzbehandlung war reiner Zufall, und Stradivari sich seines "Geheimnisses" selbst gar nicht bewusst. Unumstritten ist diese Erklärung nicht, aber Nagyvary bleibt nicht bei purer Theorie: Er versucht seit Jahrzehnten die genauen physikalischen und vor allem chemischen Prozeduren zu rekonstruieren. Und er baut Geigen aus dem so präparierten Holz. Mit Erfolg: Die besten "Nagyvarys" können es bei Hörvergleichen sogar mit echten Stradivaris aufnehmen. Nagyvary:
"”Die modernen Geigenbauer sind technisch mittlerweile zehn Mal so gewieft wie einst Stradivari, aber die Violinen klingen immer noch nicht so gut. Bisher gehörte das eben nicht zur überlieferten Lehre, aber darin liegt die Bedeutung unserer Arbeit: Beim Geigenbau muss man grundlegend umdenken und hoch entwickelte chemische Verfahren verstärkt mit einbeziehen.""
"”Wenn man zum Beispiel einen Stimmriss, einen Sprung unter dem Stimmstock einer Geige repariert, dann muss man das Holz etwas abtragen. Es bleibt also bei jeder Reparatur, bei jeder Ausbesserung im Inneren einer Stradivari ein entsprechendes Stückchen Originalholz bei den Restauratoren. Und nach solchem Holz habe ich gesucht. Die Sache ist natürlich sehr rar, und nur so viel darf ich sagen: Das Material stammt von zwei der bekanntesten Geigen von Stradivari und Guarneri aus den Jahren 1717 bzw. 1741.""
Material übrigens von den Instrumentböden, die stets aus Ahornholz gebaut werden. Nagyvary ergatterte außerdem weitere Späne aus einer englischen Bratsche von 1769 und einer französischen Meistergeige von 1840. Und dann nahm er die antiken Proben, zusammen mit einem Vergleichsmuster aus modernem Ahornholz, mit elektromagnetischen Wellen unter Beschuss: Deren Frequenz liegt beim ersten Verfahren, der Kernresonanzspektroskopie, im Bereich der Radiowellen. Und beim zweiten, der Infrarotspektroskopie, im Bereich der Wärmestrahlung.
Spektroskopischen Analysen liegt ein Phänomen zugrunde: Atome oder Moleküle lassen sich aufgrund ihrer immer ganz charakteristischen Wechselwirkung mit den elektromagnetischen Wellen eindeutig identifizieren. Und somit kann man erstens feststellen, was an chemischen Bestandteilen in einer Probe steckt. Und zweitens, in welchen Mengen es darin vorkommt. Bei Nagyvarys Messungen fielen zwei der untersuchten Ahornspäne, nämlich genau die aus den Cremonenser Geigen, chemisch völlig aus der Rolle. Nagyvary:
"” Holz hat drei Hauptbestandteile: Der bekannteste ist Zellulose, die anderen sind Lignin und Hemicellulose. Mehr als 50 Prozent der Hemicellulose fehlt bei der Guarneri und der Stradivari. Und auch eine solche Beschädigung des Lignins, wie wir sie hier festgestellt haben: Das kann nicht allein durch Abkochen in Wasser, sondern nur durch den zusätzlichen Einsatz eines Oxidationsmittels hervorgerufen werden. Die Messergebnisse beider Analyseverfahren passen da zusammen: Die italienischen Meister haben etwas sehr drastisches mit ihrem Holz gemacht.""
Kein Beweis, dazu war schon die Anzahl der Proben zu gering. Aber eine starke Bestätigung für eine Theorie, die Joseph Nagyvary schon seit Jahrzehnten verficht: In Cremona gab es demnach für eine gewisse Zeitlang eine lokale Tradition, wie Holz vor der Weiterverarbeitung präpariert wurde. Wässern oder Abkochen, aber vor allem der Einsatz verschiedener Chemikalien dienten einem Zweck: Dem Holzwurm das Leben schwer zu machen. Der Klang verbessernde Effekt dieser Holzschutzbehandlung war reiner Zufall, und Stradivari sich seines "Geheimnisses" selbst gar nicht bewusst. Unumstritten ist diese Erklärung nicht, aber Nagyvary bleibt nicht bei purer Theorie: Er versucht seit Jahrzehnten die genauen physikalischen und vor allem chemischen Prozeduren zu rekonstruieren. Und er baut Geigen aus dem so präparierten Holz. Mit Erfolg: Die besten "Nagyvarys" können es bei Hörvergleichen sogar mit echten Stradivaris aufnehmen. Nagyvary:
"”Die modernen Geigenbauer sind technisch mittlerweile zehn Mal so gewieft wie einst Stradivari, aber die Violinen klingen immer noch nicht so gut. Bisher gehörte das eben nicht zur überlieferten Lehre, aber darin liegt die Bedeutung unserer Arbeit: Beim Geigenbau muss man grundlegend umdenken und hoch entwickelte chemische Verfahren verstärkt mit einbeziehen.""