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Geheimnisse der tödlichen Töchter

Medizin. - In Berlin treffen sich seit gestern für fünf Tage Ärzte aus ganz Deutschland zum . Unter den Topthemen sind auch jene Prozesse, die in der frühen Phase der Krebsentstehung stattfinden. So unterscheiden sich gutartige von bösartigen Tumoren beispielsweise in der Tatsache, dass nur letztere entartete Zellen streuen, die dann andernorts lange Zeit unentdeckt neue Geschwulste, so genannte Metastasen, bilden. Von neuen Details in diesem noch weitgehend im dunkeln liegenden Vorgang erhoffen sich Mediziner zukünftig bessere Therapien gegen Krebs.

    Organe und die verschiedenen Gewebe des menschlichen Körpers grenzen sich immer gut gegeneinander ab, oft bilden äußere Häute einen dichten Abschluss zur Umgebung. Ganz anders liegt der Fall dagegen bei Krebsgeschwulsten: Ihre entarteten Zellen besitzen die Eigenschaft, in die geschlossenen Verbände anderer Gewebe einzudringen und dort neue, gefährliche Kolonien, die so genannten Metastasen, zu setzen. Auch können sich einzelne Tumorzellen aus einem Herd lösen und durch den Körper wandern, bis sie an geeigneter Stelle ein Gewebe oder Organ finden und dort ebenfalls eine neue Ansiedelung gründen. Inzwischen belegen weit über 1000 Forschungsarbeiten, dass Krebszellen bei diesem Vorgang hochkomplexe und sehr oft ganz unterschiedliche Strategien verfolgen. So müssen sie zunächst ihre Oberfläche verändern, bevor sie in ein anderes Gewebe eindringen können.

    "Bei der Metastasierung müssen sich einzelne Zellen aus dem Tumor herauslösen, in ein umgebendes Gewebe eindringen und von dort Anschluss an das Blut- oder Lymphgefäßsystem finden", erläutert Professor Rainer Engers vom Institut für Pathologie der Universität Düsseldorf. Der Pathologe konzentriert sich bei seinen Untersuchungen dieser Prozesse vor allem auf ein Gen: das so genannte "Tiam". Jene Enzyme, der Bauplan das Gen enthält, bilden eine Reaktionskaskade, an deren Ende die Membran der Zelle gezielt verändert wird und so beispielsweise füßchenartige Ausstülpungen formen kann. Eine aktive Bewegung der Zelle wird so erst möglich. "Tiam" könnte daher, so hofft der Forscher, möglicherweise eines Tages zum Angriffspunkt neuer Therapien werden, die die unkontrollierte Streuung von Tumoren unterdrücken oder wenigstens einschränken.

    Anja Müller von der Abteilung Radioonkologie und Strahlentherapie der Universität Düsseldorf erkundet einen anderen Aspekt der Metastasierung: Krebszellen bilden an ihrer Hülle Rezeptoren für so genannte "Chemokine" - lösliche Botenstoffe - und ähneln in dieser Hinsicht der äußerst mobilen Eingreiftruppe des Körpers, den weißen Blutkörperchen. "Es scheint, als veranlassten Chemokin-Rezeptor-Interaktionen die gerichtete Wanderung von Tumorzellen in bestimmte Gewebe hinein", berichtet Müller. Dies könne möglicherweise erklären, warum verschiedene Tumorarten nur in bestimmte Organen siedelten. So besitzen Brustkrebszellen sehr viele Rezeptoren für das Chemokin "CXCR 12", das in Lymphknoten, der Lunge und in Knochen gebildet wird, nicht aber etwa in Nieren, Muskeln oder der Haut. Dies könnte erklären, warum sich Metastasen des Mammakarzinoms vor allem in lymphatischen Geweben, Lunge und Knochen bilden.

    [Quelle: Michael Engel]