Correctiv-Recherche
Geheimtreffen mit AfD-Politikern und Rechtsextremisten sorgt für Empörung

Nach Recherchen des Netzwerks Correctiv haben sich im vergangenen November AfD-Politiker, Neonazis und Unternehmer in einem Hotel nahe Potsdam getroffen. Dort sollen sie die Vertreibung von Millionen Menschen mit Zuwanderungsgeschichte aus Deutschland besprochen haben. Der Bericht sorgt für empörte Reaktionen.

    Das Correctiv Logo in Berlin
    Das Correctiv-Logo (Britta Pedersen/dpa)
    Bundeskanzler Scholz rief zum Zusammenhalt von Demokraten auf. Dass man aus der Geschichte lerne, sei kein bloßes Lippenbekenntnis. Wer sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richte, sei ein Fall für den Verfassungsschutz und die Justiz, erklärte Scholz. Er betonte den Schutz aller Menschen, unabhängig von Herkunft und Hautfarbe. Mit Blick auf die Teilnehmer des Treffens sprach Scholz von "Fanatikern mit Assimilationsfantasien".
    Bundesinnenministerin Faeser sagte im Wochenmagazin "Stern", es werde deutlich, dass es notwendig und richtig sei, dass der Verfassungsschutz sehr genau beobachte, welche Kontakte es im rechtsextremistischen Spektrum gebe. Die SPD-Politikerin betonte, Deutschland sei eine wehrhafte Demokratie, die es nicht hinnehme, dass Rechtsextremisten ihre rassistischen Ausgrenzungspläne schmiedeten. Gefährlich seien nicht nur gewaltorientierte Rechtsextremisten, sondern auch geistige Brandstifter, die den Boden für Gewalt bereiteten, erklärte die Innenministerin.

    Ampel-Parteien sehen Parallelen zum Nationalsozialismus

    Vertreter der Regierungsparteien sahen Parallelen zum Nationalsozialismus und riefen zum Engagement gegen die AfD auf. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Dürr schrieb auf der Onlineplattform X: "Die Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen erinnern an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte." Die vom Medienhaus Correctiv angeführte Recherche zeige, dass die AfD die Demokratie und freiheitliche Grundordnung zutiefst ablehne.
    SPD-Generalsekretär Kühnert und Grünen-Fraktionschefin Haßelmann riefen Bürgerinnen und Bürger zum Engagement gegen die AfD auf. "An alle gerichtet, die nicht wollen, dass sich Geschichte wiederholt, appelliere ich: Bekennen Sie Farbe, und überlassen Sie das Feld nicht den Menschenfeinden", sagte Kühnert den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
    Haßelmann mahnte auf X: "Unsere Demokratie, unsere Freiheit, unser Grundgesetz und die Errungenschaften unserer vielfältigen Gesellschaft müssen wir verteidigen gegen die Feinde der Demokratie. Das ist hoffentlich spätestens jetzt vielen Menschen klar."
    Der frühere Bundestagspräsident Thierse (SPD) warb dafür, trotz aller Risiken ein Verbotsverfahren gegen die AfD zu prüfen. "Die AfD organisiert sich mit Demokratiefeinden und Umstürzlern. Das ist hochdramatisch", sagte er dem Berliner "Tagesspiegel". Wenn der Verfassungsschutz die AfD als eine in weiten Teilen rechtsextreme Partei definiere, müsse der Staat sie genauestens beobachten und ein mögliches Verbot prüfen.
    Auch CDU, CSU und Linke äußerten sich besorgt über den Correctiv-Bericht. Der CSU-Vorsitzende Söder sagte im "Interview der Woche" des Deutschlandfunks, es handle sich um Deportationspläne übelster Form. Auch er rief dazu auf, gegen die AfD zu mobilisieren. Allerdings seien die Hürden für ein Verbot der Partei verfassungsrechtlich extrem hoch - und ein Verfahren ziemlich sicher zum Scheitern verurteilt.

    Verfassungsschutz ruft Bevölkerung zu Wachsamkeit auf

    Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Haldenwang, rief zu mehr Wachsamkeit gegenüber Extremismus auf. Haldenwang sagte im ARD-Fernsehen, die Demokratie sei stärker bedroht, als es von der Mitte der Gesellschaft wahrgenommen werde. Dies zeige sich an einer Gleichgültigkeit gegenüber dem Erstarken bestimmter Parteien, aber auch am Umgang mit Antisemitismus. Die Mitte der Gesellschaft in Deutschland scheine sehr bequem geworden zu sein. Man habe sich im komfortablen Privatleben eingerichtet. Er wünsche sich, dass die schweigende Mehrheit wach werde und klar Position gegen Extremismus beziehe, so Haldenwang.

    Rechtsextremismus-Forscher: "Forderungen nach Vertreibung von Menschen aus Deutschland nichts Neues"

    Der Potsdamer Rechtsextremismus-Forscher Gideon Botsch sagte im RBB-Inforadio, die durch die Recherche bekannt geworden Zusammenkunft vom November berühre "Grundprinzipien unserer Verfassung". Es gehe nicht mehr darum, wie rechtsextrem die AfD sei, sondern wie verfassungswidrig sie sei und welchen Spielraum sie für die Umsetzung ihrer Ziele habe. Bei dem Treffen vorgestellte Forderungen nach Vertreibung von Menschen aus Deutschland seien nichts Neues, sagte Botsch etwa unter Hinweis auf Äußerungen des früheren AfD-Spitzenkandidaten Gaulands. Dieser hatte 2017 bei einer Wahlveranstalung gefordert, die frühere Integrationsbeauftragte Özoguz (SPD) in Anatolien zu „entsorgen“. Das jüngste Treffen mit AfD-Vertretern liefert Botsch zufolge weitere Argumente für ein Verbotsverfahren gegen die Partei. Dabei seien Punkte berührt, die im NPD-Verbotsverfahren aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts die Hauptmerkmale für die Verfassungswidrigkeit waren. Der Unterschied zum damaligen Verfahren gegen die NPD bestehe darin, das „wir jetzt eine Partei haben, die in der Lage ist, an diesen Zielen wirkungsvoll zu arbeiten“.
    Der Correctiv-Recherche zufolge war auf dem Treffen Ende November in Potsdam über Pläne zur massenhaften Ausweisung von Menschen mit Migrationshintergrund gesprochen worden. Auch zwei Vertreterinnen des CDU-nahen Vereins Werteunion sollen dabei gewesen sein. Nach dem Willen der Rechtsradikalen sollen nicht nur Menschen ohne deutschen Pass das Land verlassen müssen, sondern auch deutsche Staatsbürger mit internationalen Wurzeln, die ihnen nicht passen. Der AfD-Fraktionsvorsitzende im Magdeburger Landtag, Siegmund, plädierte Correctiv zufolge auf dem Treffen dafür, ständigen Druck auszuüben auf Personen oder Unternehmen, die als ausländisch wahrgenommen werden. Neben Siegmund sollen auch der persönliche Referent von Parteichefin Weidel und eine weitere Bundestagsabgeordnete anwesend gewesen sein.

    AfD bekräftigt Haltung

    Ein Sprecher von AfD-Chefin Weidel bestätigte dem ZDF, dass die Partei nicht von ihrem Kurs abweichen wolle: "Die AfD wird ihre Haltung zur Einwanderungspolitik, die im Parteiprogramm nachzulesen ist und die vollständig im Einklang mit dem Grundgesetz steht, nicht abändern." Der sozialpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, René Springer, postete unterdessen bei X: "Wir werden Ausländer in ihre Heimat zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimplan. Das ist ein Versprechen."
    Dem Bericht zufolge wurde auch darüber gesprochen, das Bundesverfassungsgericht zu diskreditieren, demokratische Wahlen in Zweifel zu ziehen und öffentlich-rechtliche Medien zu bekämpfen. Beraten wurde auch über die Beeinflussung junger Menschen in den Sozialen Medien wie TikTok oder YouTube mit Inhalten, die als "normale politische Thesen" wahrgenommen werden sollen.