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Gehirnfunktion
Selbstgespräche fördern die Konzentration

Wer mit sich selbst spricht, mag auf andere seltsam oder verträumt wirken - dabei machen es ganz viele. Vor allem im Job oder im Studium können Selbstgespräche tatsächlich dabei helfen, Dinge besser auf die Reihe zu bekommen.

Von Astrid Wulf |
    MRT- Aufnahmen eines Gehirns.
    Die Wissenschaft hat herausgefunden, dass bei Selbstgesprächen dieselben Hirnregionen aktiv sind wie bei richtigen Gesprächen. (picture alliance / ZB / Waltraud Grubitzsch)
    Frau: "Ich schimpfe richtig mit mir. Ah - verdammt noch mal, jetzt haste nicht aufgepasst du blöde Kuh."
    Mann: "Zu Hause tatsächlich schon. Dass ich im ruhigen Moment dann, wenn ich aufräume oder so, anfange, zu kommentieren, was ich tatsächlich tue. Wenn ich die Spülmaschine ausräume, sage ich: und jetzt das dahin."
    Frau: "Ich rede zu einer anderen Person, die irgendwie in meinem Kopf ist und dann gibt die mir Antworten oder ich versuche, meine eigenen Gedanken an der abzuarbeiten."
    Wie beruhigend - die meisten von uns verfallen hin und wieder in Selbstgespräche. Wer sich ab und zu mit sich selbst unterhält, muss also keine Angst haben, irgendwie seltsam zu sein – im Gegenteil. Selbstgespräche helfen dabei, uns besser fokussieren zu können, sagt Therapeut (*) Dirk Schippel aus Lübeck:
    "Warum wir das machen ist die Sortierung. Ich versuche, meine Gedanken zu sortieren, damit es nicht so wild durcheinanderläuft, um sie zu strukturieren, weil mich das letztendlich auch wieder beruhigt. Und die Konzentration fördert.
    Bessere Merkfähigkeit
    Wer mit sich selbst spricht, kann sich Dinge auch besser merken - gerade für mündliche Prüfungen sind Selbstgespräche ein perfekter Übungsmodus. Aber auch die nicht so freundlichen Selbstgespräche à la "Ich bin ja so bescheuert" müssen mal sein:
    "Das machen wir ganz speziell auch, um uns selbst zu beruhigen. Wenn Sie zum Beispiel in Stress geraten, oder wenn etwas schnell gehen muss. Und auch um diese Emotion einfach rauszulassen, also als Ventil."
    So was macht man ja eher unbewusst, man kann Selbstgespräche aber auch ganz absichtlich einsetzen, zum Beispiel, um in stressigen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren. Das ist dann allerdings was für Fortgeschrittene. Dafür muss man nämlich über sich selbst in der dritten Person sprechen, sagt Therapeut Schippel.
    "Das heißt, dass ich da nicht zu mir spreche und sage: "Ich bin nervös", sondern ich sage zum Beispiel "Thomas ist nervös". Das heißt, ich bin nicht völlig mit dem Gefühl verbunden, "Oh Gott, ich bin total wütend oder traurig" oder wie auch immer, sondern ich versuche, durch die sprachliche Distanz und dadurch, dass ich versuche, mich als Beobachter zu sehen, eine Distanz aufzubauen. Und wir wissen aus vielen Studien, dass dieser Effekt noch mehr Effekte auf die Selbstberuhigung wirklich hat."
    In einem Lübecker IT-Unternehmen ist das Team eher skeptisch, ob diese Art von Selbstgesprächen künftig Schokolade und Zigaretten gegen Stress ablösen könnten. Wobei Mitarbeiter Tobias Schnoor zum Beispiel schon daran glaubt, dass die Technik funktioniert:
    "Ja. Ich könnte mir vorstellen, dass man das Ganze damit verarbeiten kann. Ob ich das jetzt tatsächlich machen würde, weiß ich nicht."
    Form der Psychohygiene
    Sein Kollege Yves Kuhl hingegen ist schon von der Vorstellung genervt, dass Gegenüber am Schreibtisch ab sofort, sobald es stressig wird, nur noch mit sich selbst in der dritten Person spricht:
    "Ich würde ihm sagen, er soll die Klappe halten. Ich glaube nicht, dass das effektiv ist, ich glaube eher, das würde ihn selber noch nervöser machen."
    Therapeut Schippel empfiehlt, es trotzdem auszuprobieren und es einfach zu ignorieren, wenn Ihre Kollegen Sie angucken, als hätten Sie nicht alle Tassen im Schrank.
    "Ja – das wirkt ein bisschen komisch, oder vielleicht auch ganz stark komisch, aber letztendlich ist das eine Form der Psychohygiene, die uns extrem guttut. Also wäre eher die Frage, ob wir nicht eher eine Kultur schaffen dürfen, eine Unternehmenskultur, wo Menschen auch so mit sich sprechen können."
    Egal, ob bewusst oder unbewusst. Selbstgespräche tun uns richtig gut – bei der Arbeit, beim Studium oder auch beim Putzen zu Hause. Sie sind Ventil, strukturieren unsere Gedanken und helfen, in schwierigen Situationen zurechtzukommen. Aber nicht nur das: Die Wissenschaft hat herausgefunden, dass bei Selbstgesprächen dieselben Hirnregionen aktiv sind wie bei richtigen Gesprächen. Vielleicht ist das der beste Effekt: Wer mit sich selbst spricht, fühlt sich weniger allein.
    (*) Anmerkung der Online-Redaktion: Die Berufsbezeichnung wurde im Nachhinein auf Wunsch der Autorin geändert.