Am Anfang steht der Baum. Welches Holz er liefert, macht nicht selten einen Unterschied zwischen Qualität und Ramsch im Instrumentenbau. Tropenhölzer eigenen sich aufgrund ihrer Klangeigenschaften und Widerstandsfähigkeit besonders gut. Doch die kostbaren Hölzer sind bedroht durch Raubbau, illegalen Handel und den Klimawandel. In Brasilien versuchen Bogenbauer bereits, durch Wiederaufforstung das Aussterben von Fernambuk zu verhindern, auf Madagaskar kämpfen Geigenbauer sogar für den Erhalt eines Naturparks. Doch nicht alle Betriebe wollen das Problem wahrhaben, manchmal geht Tradition vor Naturschutz. Dabei gibt es durchaus Alternativen.
Es ist ein Bild wie von einer Postkarte: Schmetterlinge flattern zwischen Blumen, Grillen zirpen im Gras an einem bewaldeten Berghang. Dahinter ragen majestätisch die Alpen in den blitzeblauen Himmel. "Hier sind wir jetzt ungefähr auf 1000 Meter Höhe an einem Nordhang. Und hier geht es los mit den mit den schönen Instrumenten-Bäumen." sagt Holzhändler Andreas Pahler. "Die Fichte dominiert hier. Dann sehen wir da oben eine Buche, dahinten ist ein Ahorn. Vom Nutzholz-Aspekt habe ich auch den schönen Effekt, dass die Fichte relativ astfrei im unteren Bereich wächst. Das ist natürlich etwas, was die Instrumentenbauer gern haben oder ich auch, als Schnittstelle zwischen Wald und Werkbank, und da bekomme ich gutes Wert-Holz raus."
Andreas Pahler ist Holzhändler in Mittenwald, dem Mekka für Geigenbauer. Aus den gefällten Stämmen sucht er sich die Besten aus: Das Holz muss möglichst astfrei sein und dicht aneinander liegende Jahresringe haben – also sehr langsam gewachsen sein. Deshalb wird Holz aus den höchsten Berglagen verwendet – gefällt zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt, sagt Holzhändler Heinz Kreuzer: "Jeder Baum sollte bei Neumond geschlagen werden. Im dreizehnten Neumond im Jahr. Das ist um Weihnachten, Neujahr…"
Auch Heinz Kreuzer ist Holzhändler in Mittenwald. Was nach Esoterik klingt, beruht auf einer alten Bauernweisheit und ist wissenschaftlich belegt: Im Winter besitzt der Baum am wenigsten Saft, er hält sozusagen Winterschlaf. Für einen optimalen Klang muss der Baum so trocken wie möglich sein. Erst wenn der Baum gefällt ist, kann der Holzhändler entscheiden, ob er sich für eine Geige eignet. Wie ein Buch kann er den aufgeschnittenen Stamm lesen und sogar Himmelsrichtungen, Hanglage und Klima bestimmen.
Andreas Pahler stützt sich auf seinen Wanderstab und deutet vor sich in den Mischwald: "Die Fichte wächst hier im Hochgebirge ab 1000 Meter. Und der Ahorn, das ist der Bergahorn, der muss noch ein bisschen geriegelt oder geflammt sein, also hat so eine leicht wellige Struktur. Und den gibt es hier auch oder gab es. Der Bergahorn kommt weitgehend aus Südosteuropa, Bosnien." Der Großteil der Geige ist aus europäischen Hölzern gebaut: Die Fichte eignet sich für die Decke, der Ahorn für Boden, Hals und Zargen. Bosnischer Bergahorn hat eine besonders gute Qualität – und genau das wurde ihm zum Verhängnis. Von den ursprünglichen Wäldern ist fast nichts mehr übrig. Schuld daran sind Raubbau und illegaler Handel. Pahler: "Das ist ein massives Thema und auch ein großes Problem. Ich bekomme es selbst oft mit in Bosnien, wenn ich da bin. Wenn ein schöner Ahorn irgendwo steht, dann steht er irgendwann nicht mehr da. Und es muss jetzt nicht unbedingt der Eigentümer sein, der ihn umgeschnitten hat."
Raubbau für die Hochkultur?
Das illegale Fällen und Handeln mit Holz geht oft Hand in Hand mit geschwächten staatlichen Strukturen und Korruption. Daran sind manchmal auch deutsche Holzhändler beteiligt. Von Raubbau betroffen ist aber nicht nur der Ahorn in Bosnien. Bratschist Detlef Grooss engagiert sich seit Jahren für den Umweltschutz und ordnet die Thematik aus Musiker-Perspektive ein: "Zum Thema Raubbau: Noch eine wirklich verheerende Bilanz haben wir zum Beispiel in dem Fernambuk gehabt. Fernambuk ist das Tropenholz aus Brasilien aus dem unsere Bögen sind. Also Geigen-, Bratschen-, Cello- und Kontrabass-Bögen. Und da sind wirklich ¾ der Bestände in den letzten hundert Jahren abgeholzt worden."
Meistens ist nicht die Musikindustrie schuld am illegalen Einschlag, sondern die Möbelindustrie. Bei Fernambuk ist das allerdings anders: Dieses Holz wird fast ausschließlich für Instrumenten-Bögen verwendet. Im Jahr 2000 wurden große Mengen beschlagnahmt, die eigentlich für den Bogenbau gedacht waren. Raubbau für die Hochkultur? Ein großer Player am illegalen Holzmarkt ist China. Musikinstrumente werden dort in Massen produziert und in die ganze Welt verkauft. 95% der nach Deutschland importierten Streichinstrumente kommen aus China. Holzhändler Norbert Niedermayer hat die Handelsströme nach Asien zurückverfolgen lassen, mit einem überraschenden Ergebnis: "Das endet manchmal in der Botschaft von einem Land und wird dann zum Teil auf Regierungsebene sozusagen ausgehandelt. Da findet Raubbau statt. Das ist den Behörden hier in Deutschland oder in der EU auch bekannt, aber es gibt im Grunde fast keine Handhabe, dagegen vorzugehen."
Feel-Good-Gesetz gegen illegalen Holzhandel
Innerhalb der EU gibt es eine Handhabe, zumindest auf dem Papier: Hier gilt seit 2013 ein Gesetz, das die Einfuhr von illegalem Holz in die EU verbietet: die europäische Holzhandels-Verordnung. Umweltschützer kritisieren das Gesetz allerdings von Anfang an. Einer von ihnen ist Johannes Zahnen vom WWF, ein smarter Typ, mit Nadelstreifenhemd und George-Clooney-Frisur: "Wir haben keine ausreichend effektiven Kontrollen, und in den seltenen Fällen, wo man was gefunden hat, sind die Strafen so lächerlich gering, dass sie keine abschreckende Wirkung erzielt. Bisher, obwohl das wirklich eine gute Idee ist, ist das so eine Art Feel-Good-Gesetz, was den europäischen Bürgern signalisiert: 'Hier ist was geregelt.' Aber in Wirklichkeit gibt es Lücken, Schlupflöcher und vor allem eine schlechte Implementierung."
Dass es auch anders gehen kann, zeigt das Positivbeispiel USA: 1990 trat dort der "Lacey Act" in Kraft, seitdem wurden mehrere Millionenstrafen verhängt. In Europa suchen 28 Länder nach illegalem Holz. Trotzdem gibt es hier noch keinen einzigen vergleichbaren Fall. Jahrelang betrugen die Strafen lediglich 50 Euro. Mittlerweile werden zwar Strafen in Höhe von einigen Tausend Euro ausgesprochen – bei Edelhölzern ist allerdings oft schon ein einzelner Kubikmeter mehr wert. Die regulierende Wirkung, die das Gesetz eigentlich haben sollte, bleibt aus. Johannes Zahnen vom WWF spricht noch ein weiteres Problem an: "Viele Holzprodukte fallen nicht unter die europäische Holzhandelsverordnung, darunter die Musikinstrumente. Und das bedeutet, sie werden nicht kontrolliert von den Behörden oder vom Zoll, die können ungehindert in Europa eingeführt werden. Der Zoll sagt: Selbst wenn wir wissen, dass das illegal ist, sobald es nach Europa kommt, wird es per Definition legal und kann an den Markt gebracht werden."
Mit jedem Musikinstrument lässt sich die europäische Holzhandelsverordnung also umgehen. Eine weitere Schwäche: Nur das erste Land, in das das Holz eingeführt wird, muss prüfen, ob das Gesetz eingehalten wird. Johannes Zahnen: "Das heißt letztendlich, dass die europäische Holzhandelsverordnung nur so gut werden kann wie das schwächste Land in der EU. Denn jeder Holzhändler, der dubioses Holz importieren möchte, hat dann 27 Ausweichmöglichkeiten. Und diese Fälle sind belegt, dass man dann einfach in ein anderes Land geht, wenn man hier zu streng kontrolliert wird. Das hat aber noch weitere Auswirkung. Denn dann haben auch die Länder wenig Interesse, streng zu kontrollieren, weil sie dann Angst haben: Wenn wir anfangen, streng zu kontrollieren, wandern unsere Unternehmen in Nachbarländer ab. Und das hat zum Ergebnis, dass die EUTR, so wie sie jetzt aufgestellt ist, nicht funktionieren kann und wird."
Ein vernichtendes Urteil. Aber nicht alle sehen die EUTR, die Holzhandelsverordnung der Europäischen Union, so skeptisch. Holzwissenschaftler Alexander Pfriem schließt illegalen Holzhandel in Europa aus: "Nicht das, was in Europa gehandelt wird. Das kann man tatsächlich ausschließen, weil da die Mechanismen funktionieren. Die Geigenbauer in Deutschland oder die Musik-Instrumentenbauer in Europa insgesamt, die kriegen Nicht-Raubbau-Holz in den Händen."
Johannes Zahnen hält dagegen: "Die Situation in Europa ist die Folgende, dass wir eine europäische Holzhandelsverordnung haben, die illegales Holz stoppen soll, die aber ihre Lücken und Schwächen hat. Vor dem Hintergrund ist stark davon auszugehen, dass wir nach wie vor eine ganze Menge illegales Holz nach Europa importiert bekommen. Es gibt übrigens auch eine ganze Menge Regionen in Europa, wo wir den illegalen Holzeinschlag auch in Europa selbst haben. Insbesondere in Osteuropa gibt es jede Menge Probleme mit illegalem Holzeinschlag, die auch belegt sind."
Illegales Holz in Europa?
Umweltschutzorganisationen wie der WWF sind sich einig: Trotz Verbot wird auch in der EU Holz illegal geschlagen und gehandelt. Besonders betroffen ist Rumänien. Letztes Jahr wurde in Rumänien mehr als die doppelte Menge des erlaubten Holzes zusätzlich eingeschlagen. Auch der Geigenbau ist betroffen, wenn auch nicht zuerst. Roger Hargrave ist eine Koryphäe im Neubau von Geigen. Er weiß, dass das illegale Holz oft auch nur in geringen Mengen transportiert wird, etwa als Handgepäck im Flugzeug oder im Kofferraum: "Dieses Holz wird direkt an die Türen von Geigenbauern geliefert. Die Leute kommen mit Wägen, machen den Kofferraum auf und da ist das ganze Holz drin. Entweder man bezahlt in bar oder man bekommt das Holz nicht."
Ein solcher Wagen stand vor kurzem auch vor der Werkstatt von Bogenmacher Mathias Wohlleber in Berlin. Das Kennzeichen kam aus Rumänien. Wohlleber: "Da werden Förster bedroht, da wurden Förster umgebracht. Da geht es offensichtlich um viel Geld und es geht um Hölzer, die auch wir verwenden im Instrumentenbau, vor allem wäre das der Bergahorn." Der illegale Holzhandel nimmt zu und befeuert den Artenschwund. Das Washingtoner Artenschutzabkommen, kurz CITES, soll als Gegenmittel wirken: Ist eine Art bedroht, wird sie in das Abkommen aufgenommen. Auf der CITES-Liste stehen mittlerweile viele Tropenhölzer, die auch im Instrumentenbau verwendet werden: Wie Fernambuk, es wurde im Jahr 2007 gelistet und zehn Jahre später alle Palisander-Arten weltweit – die Hölzer werden für Streichbögen gebraucht. Im Abkommen stehen sie auf der zweithöchsten Schutzstufe, die eine nachhaltige Nutzung der Arten gewährleisten soll. Sie erfordert eine Aus- und Einfuhrgenehmigung. Außer für die meisten Musikinstrumente, denn Produkte unter 10 Kilogramm sind ausgenommen. Johannes Zahnen vom WWF wirft den Instrumentenbauern deshalb Lobbyismus vor: "Aus Sicht des WWF macht das genauso wenig Sinn wie die Ausnahmen in der europäischen Holzhandelsverordnung. Denn den Wäldern ist es ja letztendlich immer egal, wofür sie geschädigt oder übernutzt werden."
Auf dem Markt explodieren die Preise. Junge Bogenbauerinnen und Bogenbauer haben Schwierigkeiten, Fernambuk-Holz zu bekommen und meiden deshalb die Selbstständigkeit. Bei anderen Hölzern ist es schon zu spät. Geigenbauer Ekkard Seidl: "Das legendärsten, schönste, beste Ebenholz kam aus Mauritius. Dort gibt es wohl noch einen einzigen Baum. Das ist im Prinzip ausgestorben. Leider." Ebenholz zeichnet sich durch seine schwarze Farbe aus. Der Geigenbauer macht daraus Griffbrett, Wirbel, Kinn- und Saitenhalter. Die meisten Ebenhölzer stehen nicht unter Artenschutz – noch ist genug vorhanden. Aber in Madagaskar wurden 2013 die ca. 280 verschiedenen Ebenhölzer für den Handel gesperrt. Der Grund: Die politischen Kontrollmechanismen waren nicht stark genug, um eine legale Abholzung zu gewährleisten.
Eine CITES-Listung erfordert einen hohen Bürokratieaufwand: Händler und Geigenbauer müssen ihre Bestände den lokalen Behörden melden. Auch Geigenbauer Roger Hargrave: "Die kamen, um mich zu besuchen, haben alles gemessen und gewogen und das war okay. Aber wenn ich das alles unter meinem Bett versteckt hätte – die hätten das nie gefunden."
Auch Musiker*innen spüren die Auswirkungen der CITES-Listungen. Selbst wenn nur Bestandteile ihrer Instrumente unter den Artenschutz fallen, müssen sie beim Zoll ein Zertifikat vorzeigen. Bratschist Detlef Grooss: "Es ist ein riesiges Problem. Es ist völlig sinnvoll, dass manche Dinge mit einem Handelsbann belegt werden. Aber bei einem Elfenbein-Teil an einem Geigenbogen, was vielleicht 70 Jahre alt ist, ist das fraglich. Das kann die größten Probleme machen. Und die Leute am Zoll sind auch nicht unbedingt immer die Spezialisten, die Elfenbein von ganz normalen Stück Kuhknochen unterscheiden können."
Stefan Mai arbeitet für das Hauptzollamt Hamburg. Jeden Monat gibt es hier circa 100 000 Anmeldungen, der Artenschutz ist davon nur ein geringer Teil. "In Zahlen ist das wirklich schwer festzumachen.", sagt er. "Wir haben das ab und zu tatsächlich, dass Ware angemeldet wird und sich am Ende herausstellt, dass tatsächlich keine Genehmigung vorhanden ist, obwohl die Ware genehmigungspflichtig wäre. Das kommt relativ selten vor, muss ich sagen."
Bei der illegalen Einfuhr würden die Waren oft mit Absicht falsch bezeichnet werden, beispielsweise als Brennholz. Holz aus Raubbau zu finden, sei schwierig, wenn es nicht dem Artenschutz unterläge. Alle geschützten Hölzer haben eine Nummer, die die Zöllnerin bei der Einfuhr in die EU überprüft. Oft werden allerdings nur die Papiere kontrolliert und nicht die Ware.
Zweihundert Falschdeklarationen an einem Tag
Die einzelnen Tropenhölzer zu unterscheiden ist nicht leicht, denn immer wieder gibt es noch unbestimmte Arten. Deshalb arbeitet der Zoll mit Experten zusammen, wie Gerald Koch vom Thünen-Institut. Bei einem Einsatz auf der Musikmesse in Frankfurt 2017 kontrollierte er gemeinsam mit dem Zoll an einem Tag 700 Instrumente – bei fast jedem Dritten fehlten die erforderlichen CITES-Dokumente. Gerald Koch: "Da hatten wir doch bei einigen Ausstellern, die auch uneinsichtig waren, einen ziemlich großen Frust-Faktor. Die waren wirklich so frustriert, dass sie dann vor unseren Augen, das war live mit den Zöllnern, mehrere Instrumente zerstört haben. Sie sind auf relativ hochwertigen Gitarren herumgetreten, weil sie ihren Frust nicht zurückhalten konnten. Da sieht man, welche Emotionen da eine Rolle spielen."
Gerald Koch registriert seit den verschärften CITES-Regulierungen 20-30% an Falschdeklarationen. Die Musikinstrumente kann er nur auf Artenschutz und nicht auf illegalen Handel überprüfen. Er bestimmt den genetischen Fingerabdruck, die DNA des Holzes. So kann festgestellt werden, ob die Herkunft in den Papieren richtig angegeben ist. Natürlich wird nicht jedes Holzprodukt einzeln geprüft – die Anzahl an Stichproben sei jedoch in Deutschland sehr hoch, sagt Gerald Koch. Viele Instrumentenbauer und Musiker verlassen sich auf den Zoll, wie Geigenbauer Ekkard Seidl: "Ich kann die genaue Herkunft, also den Standort von dem Baum nicht prüfen. Das funktioniert gar nicht. Es sei denn, ich bin in dem Wald, in dem Grundstück, und dann steht der Baum vor mir. Ansonsten ist es praktisch nicht nachweisbar, wo jetzt die Fichte oder der Ahorn oder letztlich auch das Ebenholz wirklich herkommen. Da muss ich dann darauf vertrauen bei den Leuten, wo ich einkaufe, dass das schon seinen rechten Weg geht."
Stegmacher Bastian Teller fährt dagegen jedes Jahr nach Bosnien, damit er sich vor Ort die Baumstämme einzeln aussuchen kann. Trotzdem weiß auch er nicht genau, ob sein Holz legal geschlagen ist: "Ich verlasse mich da drauf. Wir arbeiten schon sehr lange zusammen, und ich hätte ja auch gar nicht die Zeit. Ich bin vier, fünf Tage vor Ort. Ich muss da direkt das Holz spalten, direkt anschauen. Ich habe da viel zu tun. Und auf gewisse Dinge muss man sich vielleicht einfach auch manchmal im Leben verlassen."
Wenig Zeit und viel zu tun. Der Arbeitsalltag der Instrumentenbauer*innen ist eng getaktet. Hinzu kommen die CITES-Zertifikate, die einen hohen Bürokratieaufwand erfordern. Statt dem Holz hinterherzuspionieren, verlassen sich viele daher lieber auf die Zusammenarbeit mit den Holzhändlern, die seit Generationen gut funktioniert. Johannes Zahnen vom WWF sieht das kritisch: "Die Aussage "Ich vertraue meinem Holzhändler", die ist nicht viel wert, das muss ich leider sagen. Der WWF führt ein Projekt durch in Osteuropa mit Interpol, wo wir uns um illegales Holz kümmern. Und ich muss sagen, bekannte europäische Unternehmen sind genauso betroffen von dem Problem wie unbekannte kleine Unternehmen irgendwo in Übersee."
Mehr Problembewusstsein der Branche wünschenswert
Ein Beispiel: Der deutsche Händler Nagel aus Hamburg war in einen großen Skandal verwickelt. Er hatte mit illegal gefälltem Tropenholz gehandelt und musste deshalb im Jahr 2011 Insolvenz anmelden. Unter seinen Kunden waren auch angesehene Geigenbauer. Aber statt diesen Weckruf ernst zu nehmen, scheint die Branche ihn als Einzelfall abzustempeln. Silke Lichtenberg ist Geigenbauerin und promoviert über die Nutzung von Tropenhölzern im Instrumentenbau. Sie wünscht sich mehr Problembewusstsein von ihren Kolleginnen und Kollegen: "Zu einem Großteil habe ich den Eindruck, dass für viele, nicht für alle, das Problem mit der Handelsverordnung CITES aufhört. Das Ärgernis ist quasi, dass diese Baumart jetzt auf CITES gelistet ist und den Geigen- und Bogenbauern das Leben schwer macht. Wobei wir, das ist das, was ich raushöre, ja eigentlich so wenig von diesen Holzarten in Mengen überhaupt verwenden. Und da glaube ich ist noch viel Bewußtseinsbildung gefragt und notwendig."
Ein Argument, das in vielen Gesprächen auftaucht: Die Branche versteht sich als Tropfen auf dem heißen Stein. Der Verbrauch an Tropenhölzern sei zu gering, um ins Gewicht zu fallen. Als Anhaltspunkt: Laut dem Thünen-Institut werden weniger als 0,2 Prozent der nach Deutschland importierten Tropenhölzer für den Instrumentenbau verwendet. Und von allen importierten Hölzern machen Musikinstrumente nur 0,03 Prozent aus. Die Auswirkungen sind trotzdem gravierend – so sieht es jedenfalls Johannes Zahnen vom WWF: "Es gibt einen dokumentierten Fall in den USA, wo ein Ahorn-Baum aus einem Schutzgebiet entnommen wurde für die Musikindustrie. Es gab da ein Ring von illegalen Holzfällern, die ganz gezielt in dieses Naturschutzgebiet reingegangen sind, um einen ganz bestimmten Baum dort mitten aus dem Naturschutzgebiet zu entnehmen, sodass man sagen muss: Die Volumen sind kleiner, aber die Schäden, die angerichtet werden, weil man nur die hochwertigsten Bäume haben will, egal wo die stehen, ob die jetzt im Naturschutzgebiet stehen, ob das sehr geschützte Bäume sind - man möchte hochwertige Bäume haben, und die Schäden sind deswegen viel, viel größer als jetzt zum Beispiel bei der Möbelindustrie."
Kleiner Verbrauch, großer Schaden – letztendlich sitzen alle im selben Boot: Ein Erhalt der Bäume und Ökosysteme ist für Instrumentenbauer wie Umweltschützer wichtig. Stegmacher Bastian Teller plädiert deshalb für mehr Akzeptanz auf allen Seiten: "Wir in der Musikbranche sagen immer: Wir sind ja nicht schuld daran. Wir haben nur so einen geringen Teil. Und es wird immer alles auf die Chinesen geschoben, die alles niederwalzen. Aber ich denke, jeder hat halt seinen Teil, und die kleinen Teile machen irgendwann das Ganze. Dann müssen wir einfach damit leben, dass wir vielleicht einfach qualitativ anderes Holz haben. Oft sind dann im Ebenholz Streifen mit drin. Dann ist es nicht hundertprozentig schwarz und das wird irgendwie alles aussortiert, im Endeffekt weggeschmissen. Und ich mache es mittlerweile so, dass ich das alles verwende, weil es einfach zu teuer, zu schade, zu wertvoll ist, nur weil da ein Streifen drin ist. Es muss also ein Umdenken auch bei den Musikern und bei den Geigenbauern stattfinden."
Konservative Kundschaft im Geigenbau
Beim Kauf einer Geige oder eines Cellos entscheidet nicht nur das Ohr, sondern auch das Auge. Instrumente müssen optisch beeindrucken: Pechschwarzes Ebenholz, geflammter Ahorn oder Schlangenholz. Geigenbauer Frank Schlegel ist unsicher, ob sich das so bald ändern wird: "Das liegt sicher auch an der relativ konservativen Kundschaft, die wir im Geigenbau haben. Im Gegensatz zum Beispiel zum Gitarrenbau, wo man viel, viel experimentierfreudiger ist. Bei den Geigen-Kunden ist es häufig so, dass sie eigentlich genau das wollen, was sie schon immer hatten. Und wenn das möglich ist, dann sind sie eigentlich zufrieden."
Auch wenn konservative Kundschaft den Umschwung erschwert, die Branche verändert sich. Das Bewusstsein für Umwelt und Nachhaltigkeit wächst. Bratschist Detlef Grooss hat vor zwei Monaten zusammen mit anderen Musiker*innen den Verein "Orchester des Wandels" gegründet. Er steht allen Musikerinnen und Musikern in Deutschland offen. Gemeinsam setzen sie sich für Nachhaltigkeit, Artenvielfalt und Umweltschutz ein: "Da haben wir als Kulturschaffende enorme Möglichkeiten, das Thema irgendwie anzubringen in der Öffentlichkeit und die werden bisher eigentlich noch gar nicht genutzt. Und es ist auch eine Überlegung, wie wir eigentlich selber mit drin hängen. Zum Beispiel dadurch, dass Orchester zum Teil viel in der Gegend rumfliegen müssen für Konzerte und inwieweit es da Möglichkeiten gibt, erst mal Dinge einzusparen, aber in manchen Punkten wird sich manches nicht vermeiden lassen. Da wäre dann das Thema Kompensation auch interessant."
Der Wunsch nach einer Plattform scheint groß zu sein: Unter den Mitgliedern sind Orchester aus Berlin, Duisburg, Braunschweig oder Bremen. Auch große Namen von Weltrang sind im Gespräch.
Neben dem Verein gibt es auch ein reales "Orchester des Wandels". Es setzt sich aus Mitgliedern der Staatskapelle Berlin zusammen und spielt Benefizkonzerte zum Thema Klima. Der Erlös geht zu großen Teilen an das Projekt "Eben!Holz" - Es hat das Ziel, auf Madagaskar Waldflächen aufzuforsten, die durch illegalen Holzeinschlag und Brandrodungen zerstört wurden. Bogenmacher Mathias Wohlleber hat das Projekt 2013 mitgegründet. Seine Werkstatt in Berlin ist hell, aufgeräumt und einladend. Wohlleber spricht mit Inbrunst: "Wir haben mitbekommen, dass es ein Problem ist und haben gesagt: Wir müssen jetzt handeln, wir können als Kulturschaffende, die diese Materialien nutzen, uns nicht hinstellen und sagen: Es geht uns nichts an!"
Wiederaufforstung auf Madagaskar – "Eben!Holz"
Das Projekt "Eben!Holz" wird auf Madagaskar von der Umweltschutzorganisation WCS und dem Zoo Zürich umgesetzt. In zehn Jahren sollen 200 Hektar Fläche mit circa 200 000 Bäumen bepflanzt werden. Mathias Wohlleber: "Wir haben natürlich dann besonders die Ebenhölzer und Palisander-Sorten im Blick. Aber der erste Gedanke ist nicht "Wir pflanzen jetzt die Sachen an, die wir brauchen", sondern wir sagen: Wir versuchen, dort möglichst viel zu erhalten oder wieder ins Lot zu bringen, um dann in ferner Zukunft vielleicht tatsächlich mal was davon zu haben und dann aber nicht wie bisher, dass man sagt, wir holen dort das Holz raus, und was da passiert, ist uns egal, sondern wenn wir dann Holz holen, sind wir auch bereit, dafür entsprechend so zu zahlen, dass die Menschen vor Ort auch etwas davon haben."
Der natürliche Wald und sein Ökosystem sollen erhalten bleiben. Die Bäume werden in weit abgelegenen Gebieten gezüchtet und angepflanzt. Das ist gar nicht so leicht. Die Flächen müssen zuerst mit der Machete von einer wuchernden Ingwerpflanze befreit werden. Auch nach dem Pflanzen benötigen die Keimlinge eine intensive Pflege - kommt die Wucherpflanze zurück, raubt sie ihnen das Licht. Für insgesamt fünf Jahre wird das Wachstum der Setzlinge ständig überwacht. Erst danach wird der junge Wald sich selbst überlassen.
Gleicher Breitengrad, anderer Kontinent: Hier liegt das zweite Wiederraufforstungsprojekt der Instrumentenbauer. Anders als auf Madagaskar werden nicht über 100 verschiedene Arten angepflanzt, sondern eine einzige: Der Fernambuk-Baum, auch Pao Brasil genannt. Brasilien verdankt ihm seinen Namen. Und die Bogenmacher ihre Existenz. Denn seit dem 18. Jahrhundert besteht die Bogenstange aus Fernambuk. Deshalb gibt es die "Internationale Initiative zur Erhaltung des Fernambuk-Baumes", kurz IPCI. Mit großem Schrecken stellten ihre Gründer fest, dass mittlerweile nur noch ca. 1700 samentragende Fernambuk-Bäume in freier Natur stehen. Bogenmacher Thomas Gerbeth ist designierter Vorsitzender von IPCI Deutschland: "Das ist gerechnet auf das, was dieses Riesen-Vorkommen ursprünglich mal war, so wenig, dass wir selber erschrocken sind. Und wir haben dann mit Kooperationspartnern, Kakao-Farmern, herausgefunden, dass unsere Fernambuk-Pflanze mit Kakao eine sehr gute Symbiose eingeht. Und so ist die Grundidee gewesen, Kakao-Farmer zu finden, die unsere Pflanzen setzen und dadurch einen besseren und höheren Ertrag haben und gleichzeitig natürlich auch unsere Bäume gut wachsen."
Die perfekte Symbiose
Die Fernambuk-Pflanze spendet dem Kakao den nötigen Schatten. Der wiederum schafft einen nährstoffreichen Boden, auf dem der Fernambuk gedeihen kann: eine perfekte Symbiose. Die Bäume werden in Gewächshäusern angepflanzt, ihre Äste regelmäßig abgeschnitten. Damit der Baum für den Bogenbau geeignet ist, soll er astfrei und gerade nach oben wachsen. Diese Form des Anbaus steht allerdings in der Kritik: Plantagen-Holz sei weniger wertig als aus einem natürlichen Wald. Bogenmacher Thomas Gerbeth: "Ich würde diesen Vorwurf nicht ablehnen, aber die Beispiele, die uns gezeigt wurden, haben die Qualitäten, die wir suchen. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Qualitäten zu finden sein werden, die für einen hochwertigen Bogenbau gebraucht werden."
In 15 Jahren ist es soweit: Dann können die ersten Bäume geschlagen werden. Insgesamt will IPCI 500.000 Bäume anpflanzen. Etwa die Hälfte ist schon in der Erde. Anders als das "Eben!Holz"-Projekt auf Madagaskar werden die Fernambuk-Bäume in Brasilien für den Eigen-Bedarf der Bogenbauer gepflanzt. Geigenbauerin Silke Lichtenberg sieht das aus ökologischer Sicht kritisch: "Wenn ich von vornherein pflanze mit der einzigen Zielsetzung, den Baum und das Holz, das durch den Baum entsteht, wirtschaftlich nutzen zu wollen. Dann gehe ich je nachdem ganz anders dran. Und wenn ich einen Wald schützen möchte und eine Pflanzenart erhalten möchte, dann ist die Chance, dass ich diese Art ökologisch wertvoll erhalte, dann am ehesten gegeben, wenn ich versuche ein möglichst waldnahes Ökosystem wiederherzustellen. Nur wenn ich dieses Ökosystem erhalte, kann ich die einzelne Art auch erhalten." Die Wiederaufforstungsprogramme helfen, die stark dezimierten Arten zu erhalten. Aber Kritiker werfen den Instrumentenbauer*innen vor, den Umweltschutz nur als Vorwand zu nennen: im Vordergrund stünde der eigene Profit. Geigenbauer Ekkard Seidl verteidigt sich: der Branche gehe es nicht um günstige Preise, sondern ums nackte Überleben: "Wenn der Sonderstatus, den wir als Instrument- oder Bogenmacher haben, nicht wäre im Bezug auf diese Hölzer, würde uns sozusagen die Existenzgrundlage entzogen. Dann könnten wir unseren Laden zusperren. Es gibt keinen Ersatz, keinen gleichwertigen oder ähnlichen Ersatz für diese Holzarten."
Ist Fernambuk wirklich alternativlos?
Stimmt das? Gibt es wirklich keine Alternativen oder haben sie sich nur nicht durchgesetzt? Mundstücke für Blasinstrumente kommen mittlerweile aus dem 3D-Drucker. Als Ersatz für Ebenholz wird mit recyceltem Papier und Harz experimentiert. Aus dem Kunststoff Carbon werden Bögen für Streichinstrumente gefertigt. Wäre das nicht ein guter Ersatz für Fernambuk? Bratschist Detlef Grooss ist ambivalent: "Es gibt sehr, sehr ausgefeilte Bögen, zum Beispiel aus Carbon. Das gibt es auch bei den Streichinstrumenten, aber das ist sehr vereinzelt und da sehe ich ein großes Fragezeichen, ob sich das durchsetzt." Carbon ist leicht, robust und kann problemlos mit auf Reisen genommen werden. Viele Bogenmacher sind von diesem Ersatz allerdings nicht überzeugt und schwören auf das alternativlose Fernambuk-Holz, wie Bogenmacher Mathias Wohlleber: "Es gibt zum Beispiel die Geschichte mit der Dornbusch-Akazie, die für billige Bögen verwendet wird, nur die wird auch eher vereinzelt in Steppen-Gegenden wachsen, die ziemlich trocken sind, das heißt, sie werden auch sehr langsam wachsen. Wenn wir das nutzen, werden wir der Gegend ziemlich schaden. Alternative Materialien in anderer Form gibt es, wurden von uns aber nur als Material klassifiziert, das man für billigere Bögen oder Instrumente verwenden möchte."
Im hochwertigen Instrumentenbau gibt es keine Alternativen für Tropenhölzer – so der gängige Glaube der Geigen- und Bogenmacher. Holzwissenschaftler Alexander Pfriem von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde ist anderer Meinung: Gemeinsam mit der TU Dresden hat er untersucht, ob sich heimische Holzarten so verändern lassen, dass sie die Tropenhölzer substituieren können: "Das ist etwas, was total interessant ist für die Musikinstrumenten-Hersteller, weil sie sagen: Hey, wenn ich da heimisches Holz nehmen kann, das veredeln kann und ich hab sowas ähnliches wie Palisander von der klanglichen Qualität her, dann ist das super. Und da haben wir mittlerweile doch recht gute Ergebnisse erzielt. Die Instrumente aus heimischem Laubholz, die da verwendet wurden, sind schon anders, aber auch sehr gut."
Das Holz wird modifiziert. In einem riesigen Backofen wird es, je nach Sorte, unterschiedlich lang und intensiv erhitzt. Dadurch ändert sich die physikalische Struktur: Die Dämpfung wird reduziert, das Holz wird leichter und leitet den Schall besser. Alexander Pfriem: "Und die müssen dann sowohl in einem objektiven Test, also indem man sie anklopft und die Klangspektren analysiert, gegeneinander getestet werden, aber auch in Spiel-Tests gegeneinander getestet werden." Aber auch in den Spieltests lässt sich kein qualitativer Unterschied feststellen. Bei einem Blindtest hinter einem Vorhang sollten die Probanden angeben, ob das gehörte Instrument aus Tropen- oder Thermoholz war. Die Trefferquote lag bei 50 Prozent. Trotzdem schaffen es die Thermohölzer nicht, im Instrumentenbau Fuß zu fassen. Geigenbauer Martin Schleske hat kurzzeitig mit ihnen experimentiert, sein Urteil: "Unterlegen. Kommt überhaupt nicht ran an das natürlich gewachsene Ebenholz. Lässt sich nicht so gut bearbeiten und hat auch klanglich eine ganz andere Eigenschaft. Also das Ebenholz selber, was man für Musikinstrumente braucht, ist eigentlich nicht zu ersetzen."
Heimisches Thermoholz - eine Teillösung
Trotz guter Testergebnisse sind Thermohölzer im Geigenbau nicht marktfähig. Die meisten Kunden sind Gitarrenbauer, wie Armin Hanika. Ganze 80% seines Umsatzes macht er mit Instrumenten, die entweder komplett oder teilweise aus Thermoholz sind. Seine Vermutung: "Die Geige ist einfach wesentlich älteres Instrument und ein wesentlich konservativere Klientel. Man hat relativ klare Vorstellungen, wie der Klang sein soll. Und der hat sich relativ wenig geändert, diese Vorstellung. Die Gitarren-Community ist viel offener. Das spielt eine große Rolle." Dabei bietet das Thermoholz sogar Vorteile: Es muss weder gelagert noch eingespielt werden. Teilweise sei die Klang-Qualität sogar besser als die von Tropenhölzern, sagt Hanika. Aber viele Geigenbauer haben noch große Lager, aus denen sie bis zur Rente ihr Holz beziehen können. Möglicherweise fehlt ihnen der Leidensdruck. Die nachfolgende Generation könnte dieses Blatt wenden.
Thermoholz als Ersatz für Tropenholz ist sicherlich nur eine Teillösung. Und womöglich nur kurzfristig: Auch Ahorn, Erle und Kirsche stehen einem existenzbedrohenden Gegner gegenüber – dem Klimawandel. Bogenmacher Mathias Wohlleber macht sich Sorgen: "Wir im Instrumentenbau erleiden den Klimawandel hier noch nicht so, aber die Menschen auf Madagaskar zum Beispiel in der Gegend, wo das neue Projekt stattfinden soll. Das ist im Norden und Nordosten Madagaskars, und dort kommen aus dem Indischen Ozean die ganzen Zyklone herein, mit Geschwindigkeiten, die deutlich höher sind als Katrina, der Wirbelsturm, der vor einigen Jahren San Luis in USA verwüstet hat. Und diese Zyklone werden stärker. Sie werden häufiger."
Bald trifft es auch die Instrumentenbauer. Bogenmacher Wohlleber faltet seine Hände und wagt einen Blick in die Kristallkugel: "Thema Klimawandel ist natürlich auch für uns von sehr großer Bedeutung, die Bäume, die werden nicht mehr die gleichen Qualitäten aufweisen wie das Holz, das wir jetzt vielleicht schon im Keller oder unserem Dachboden gestapelt haben. Wir werden davon hart getroffen werden." Auch in den Regenwäldern Brasiliens hat sich das Klima deutlich verändert. Bogenmacher Thomas Gerbeth sieht das allerdings positiv: "Das ist eigentlich das Klima, wie wir es vor 100 Jahren dort vorgefunden haben. Durch diese höhere Trockenheit, die wir jetzt haben, wachsen die Bäume langsamer - im Moment ideal."
Das kann sich aber schnell ändern: Durch langanhaltende Dürren vertrocknen hierzulande ganze Wälder. Sogar die Hochlagen sind betroffen und mit ihnen die wertvollen Fichten für den Geigenbau. Holzwissenschaftler Alexander Pfriem ist besorgt:"Diese Hochlagen in den Alpen beispielsweise oder auch im Erzgebirge sind sehr, sehr gefährdet, vor allen Dingen aufgrund des Klimawandels. Dort haben wir also sich ändernde Klimabedingungen, die also diese Rückzugsorte, in denen besonderen Bäume wachsen können, immer mehr gefährden und damit auch diese Ressource immer schwieriger zu erreichen macht." Ein neues Projekt soll deshalb klimawandelresistente Bäume finden. Alexander Pfriem: "Also unsere Idee ist es, in zwei Stoßrichtungen zu schauen, nämlich einerseits zu gucken: Gibt es alternative Standorte, wo Holz, welches für Musikinstrumenten geeignet ist, an anderer Stelle jetzt schon oder zukünftig zu Verfügung steht? Und zum anderen schauen wir, welche Holz-Arten jetzt schon an alternativen Standorten existieren, welche Qualitäten sie jetzt schon aufweisen und ob man diese Qualitäten durch Modifikations-Prozesse, also durch technische Verfahren, weiter verbessern kann."
Alexander Pfriem macht einen optimistischen Eindruck. Das Projekt soll im Balkan durchgeführt werden. Dort lässt die Holzqualität schon jetzt nach, sagt Stegmacher Bastian Teller mit Blick auf sein Holzlager: "Ich habe schon immer so ein bisschen das Gefühl, dass die Jahre, wo ich nicht so schönen Ahorn bekomme, dass es mehr wird. Und da denke ich, dass es wahrscheinlich schon damit zusammenhängt, dass es immer wärmer wird und dass einfach das Holz schneller wächst. Und dass ich dadurch eben nicht mehr diese Bedingungen habe, die ich eigentlich brauche." Diese Ansicht teilen viele Geigenbauer allerdings nicht, wie Ekkard Seidl aus Markneukirchen: "Von den europäischen Hölzern kann ich jetzt keinen Klimawandel am Holz so feststellen, dass das für Geigenbau nicht verwendbar wäre."
Der Klimawandel ist längst angekommen
Die meisten, Musiker wie Instrumentenbauer, spüren die Veränderungen durch den Klimawandel noch nicht – dabei ist er längst schon angekommen – auch in dem idyllischen Alpenwald, sagt Holzhändler Andreas Pahler: "Ich habe jetzt die letzten drei Jahre zwei wirklich intensive große Stürme erlebt, in den Gebieten, wo ich immer Holz hole. Das hat es früher nicht gegeben. Ich glaube schon, dass das einfach stärker wird, diese Sturmereignisse. Und das andere ist einfach so eine vermehrte Trockenheit. Und dadurch kommt auch der Borkenkäfer, der früher nur im Flachland war. Der kommt wirklich weit rauf in die Hochlagen." Früher hieß es noch, der Borkenkäfer käme nur auf 700 Höhenmeter – Andreas Pahler steht auf etwa 1000 Metern Höhe. Und wenige Kilometer weiter hat ein Sturm vor einigen Wochen 8000 Kubikmeter Holz gerissen, in Italien waren es 2018 sogar 14 Millionen.
Das Schlachtfeld muss aufgeräumt werden, sonst geht der Borkenkäfer in die liegenden Stämme. Also wird jeder einzelne Baum aus dem Wald geholt. Ein massiver Aufwand und auch nicht ganz ungefährlich. Das sturmbedingte Waldsterben hat dabei im Handel eine absurde Wirkung: kurzfristig wird der Markt mit Holz überflutet und die Preise sinken.In einem solchen Moment überwiegt oft die Freude über den billigen Kauf. Dabei wäre ein größeres Problembewusstsein dringend nötig! Bei den Händlern, aber auch bei den Verbrauchern. Kosten, Klang und Aussehen eines Instruments spielen noch immer die entscheidende Rolle beim Kauf – nach dem Umweltaspekt wird selten gefragt.
Händler, Musikerinnen und Instrumentenbauer müssen sich von verstaubten Idealen lösen und sich auf Alternativen einlassen. Auch wenn der Instrumentenbau im Vergleich zur Möbelindustrie weniger Einfluss hat: er ist beteiligt an Raubbau, Artenschwund und Klimawandel. Gerade wegen seiner Abhängigkeit von Ökosystemen sollte er ihren Schutz und Erhalt als Aufgabe annehmen. Erste Denkanstöße sind vorhanden – das zeigen Projekte wie "Eben!Holz" oder das "Orchester des Wandels". Aber sie bleiben Einzelfälle auf einem Markt, der die Probleme zu oft verschweigt, kleinredet oder ignoriert. Das betrifft auch die Politik, wenn gegen kriminelle Machenschaften noch zu wenig unternommen wird. Es müssen Lösungen gefunden werden, die langfristig sind und das große Ganze im Blick haben. Denn Bäume wachsen nicht von heute auf morgen. Bis die schönen Fichten im Alpenwald für hochwertige Geigen verwendet werden können, vergehen ein paar hundert Jahre.