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Geist aus dem Grammofon

Geisterbeschwörungen sind heute ein bisschen aus der Mode. Man kann sich also durchaus wundern, wenn ein Berliner Off-Theater eine "Séance" auf den Plan setzt – erst recht, wenn die Geister mit Hilfe von Plattenspielern angelockt werden sollen, auf denen Musik der 40er-Jahre läuft.

Von Oliver Kranz |
    Das Publikum sitzt im Kreis. In der Mitte gibt es einen Tisch, ein paar Stühle und 20 Plattenspieler, deren Teller ständig in Bewegung sind. Der Komponist Martin Lorenz steht am Mischpult und steuert den Klang ...

    "Ein Gruseleffekt ist zum Teil das Knistern - man weiß nicht: Beginnt Musik, beginnt nichts? Zum Teil haben wir aber auch Stimmen verfremdet, die nur durch das Knistern sprechen, quasi in Sound-Design-Manier."

    Es gehört schon viel Fantasie dazu, in den verkratzten Schallplattenaufnahmen Stimmen aus dem Jenseits zu erkennen. Und zuerst soll man das auch nicht, denn im Stuhlkreis wird handfestes Theater gespielt – die Komödie "Blithe Spirit - Ein munterer Geist" von Noël Coward. Es geht um einen Schriftsteller, der sich eine Geisterbeschwörerin ins Haus holt, weil er sich von ihr Inspiration für sein neues Buch erhofft. Eigentlich will er sie als Betrügerin entlarven, doch am Ende spukt es wirklich. Die verstorbene Ehefrau des Schriftstellers taucht auf und macht ihm und seiner neuen Frau das Leben schwer. Der Regisseur Johannes Müller macht das Stück zum Ausgangspunkt des Abends.

    "Die Situation ist einfach komisch, also diese Situation, dass auf einmal einen Geist mit auf der Bühne steht und dadurch, dass behauptet wird, die ist ein Geist, alle Leute denken, die ist tatsächlich unsichtbar und es fanden irgendwelche Dinge an, zu schweben, mit denen man gar nicht rechnet. Das ist theatral glaube ich eine gute Vorlage."

    "Madame Arcati: Bitte legen Sie die Hände auf den Tisch mit den Handflächen nach unten. Ich nehme an, das ist das Grammofon? – Mr. Condomin: Ja ..."

    Die Geisterbeschwörerin wird von Cora Frost gespielt, der Schriftsteller von Hauke Heumann. Die beiden geben sich lässig unterkühlt, was wunderbar zum Ton der alten Komödie passt. Schließlich geht es nicht nur um Geister, sondern auch um die richtige Art, seinen Martini zu trinken – dry versteht sich, ohne störende Zutaten. Es dauert eine Weile, ehe die Geisterseherin ihr Ritual beginnt. Die Plattenspieler werden eingeschaltet und die verstorbene Ehefrau erscheint – eine englisch sprechende, schrill aufquietschende Blondine.

    "Irgendwie glaube ich auch ein bisschen an Geister. Das Interessante ja auch, wo man so denkt, das ist was, was durch die Aufklärung total verloren gegangen ist, also dass man an belebte Gegenstände glaubt. Aber es gibt ja Völker auf der Welt, die heute noch dran glauben. Wir tun das heute nicht mehr, dass einem ein Stein eine Antwort geben kann. Trotzdem gibt es bei uns diesen Song, da wird ein Stein angesungen, um Antwort gebeten. Das finde ich total schön."

    Doch so schön auch gesungen wird - der Stein antwortet nicht. Und auch die Spukgeschichte wird nicht zu Ende erzählt. Nach dem Auftauchen der verstorbenen Ehefrau verliert die Inszenierung ihre Konturen. Es wird getanzt, gesungen und immer wieder Musik gespielt ...

    "Ich glaube unsere Arbeit ist vergleichbar mit dem, was ein Hip-Hop-DJ tut. Der sampelt, nimmt Teile von Musik, setzt sie neu zusammen, die überlagert der. Das machen wir auch, aber wir nehmen andere Tonquellen."

    Die Soundperformance ist hörenswert, zumal Martin Lorenz den Klang durch eine Vielzahl von Lautsprechern in den Raum strömen lässt. Der gedankliche Bruch, der durch den Übergang des Theaterstücks in eine eher abstrakte Performance entsteht, ist schon schwerer nachzuvollziehen. Auf einmal geht es nicht mehr um die komödiantische Spukgeschichte, sondern ums Theater an sich:

    "Es spielt auch mit dem Gedanken, das Theater an sich ja irgendwie eine spiritistische Sitzung ist. Wo man drin sitzt, das Licht geht aus und alle versuchen, auf eine Art von Reise miteinander zu gehen. Das ist wie eine Verabredung. Wir setzen uns hin, das Licht geht aus und wir spacen in irgendeine Richtung ab. Es sind Leute auf der Bühne, die sich in irgendwas herein steigern - fast wie beim Voodoo oder so."


    Doch der Voodoo-Zauber, der in Johannes Müllers Inszenierung betrieben wird, ist eher zahm. Da werden Dialoge gesprochen und Tänze getanzt, ohne dass die emotionale Temperatur steigt. Keiner der Akteure verausgabt sich - und so kann auch kein Funken überspringen. Nach gut zwei Stunden herrscht im Stuhlkreis der "Opération Spirituelle" Langeweile – und das würde bei einer echten Geisterbeschwörung ganz bestimmt nicht passieren.

    Weitere Vorstellungen: bis Sonntag, den 2.9., täglich um 20 Uhr.