Wir befinden in einem Pumpwerk von Kanal Wien. Das hat die Funktion, das Schmutzwasser und das Frischwasser von Transdanubien, also dem nordöstlichen Teil von Wien, nach Simmering hinüber zu pumpen, zu den Klärwerken.
Nackte Betonwände, spärliches Neonlicht, metallene Kabelschächte. Das Pumpwerk an der Donau gibt eine ziemlich ungemütliche Kulisse ab. Doch Rupert Ursin fühlt sich wohl.
Das hier ist für uns eine fast ideale Umgebung, weil im Tunnel, da sind keine Motoren, keine Züge und kein Nichts.
Für sein Experiment braucht Ursin vor allem eines: einen ruhigen, vibrationsarmen Untergrund. Der Physiker beamt Lichtteilchen, sog. Photonen, von einem Donauufer zum anderen. Vor sieben Jahren war es seinem Chef Anton Zeilinger zum ersten Mal überhaupt gelungen, ein Lichtquant zu teleportieren: Er hatte die Eigenschaften des Lichtteilchens quer über den Labortisch gezaubert - und zwar ohne jede Zeitverzögerung. Das Experiment fasziniert Laien wie Fachleute: Erstere fühlen sich ans Raumschiff Enterprise erinnert. Letztere erhoffen sich lukrative Anwendungen für die Telekommunikation.
Mit anschaulicher Alltagsphysik hat das Beamen von Licht nichts zu tun, es ist pure Quantenphysik. Grundlage bilden zwei besondere Lichtteilchen. Sie entstehen, wenn ein Laserstrahl auf einen Spezialkristall fällt. Der Kristall spaltet den Strahl in zwei Photonen auf, die in unterschiedliche Richtungen davonfliegen. Das Entscheidende: Die Lichtzwillinge sind verschränkt, sie sind auf spukhafte Weise miteinander verknüpft. Bildlich gesprochen verhalten sie sich wie zwei Würfel, die gleichzeitig geworfen stets dieselbe Augenzahl zeigen - egal, wie groß die Distanz zwischen ihnen ist.
Einen der Zwillinge lassen die Wiener nun mit einem weiteren, einem dritten Lichtquant zusammenstoßen, Passagier genannt. Dabei passiert das Unfassbare: Die Schwingungsrichtung des Passagiers - quasi sein Charakter - übertragt sich auf den anderen, den entfernten Zwilling - und zwar unverzüglich, ohne jeden Zeitverzug. 1997 hatte Zeilinger diese Quantenteleportation quer über den Labortisch, über eine Strecke von einem Meter. Rupert Ursin wollte herausfinden, ob das Spielchen auch über größere Strecken funktionierte - durch einen 600 Meter langen Abwassertunnel unter der Donau.
Rupert Ursin zeigt die Sendestation seines Quantenbeamers - eine mit Plexiglas abgeteilte Ecke der Pumpwerkhalle. Auf dem Plexiglas sind lauter Formeln und Skizzen hingekritzelt. Es fehlt eine Tafel.
Irgendwann fängt jeder Physiker zu zeichnen an. Ohne Zeichnung kann man wenig denken. Und jetzt schaut das halt so aus. Aber es ist alles abwaschbar.
In der Mitte des Labors steht ein wuchtiger Tisch mit Hunderten von Spiegeln, Linsen und Blenden. Ursin stützt sich auf die Tischkante auf. Unter dem Gewicht gibt das Gestell nach; es ruht auf luftgefederten Stoßdämpfern.
Der ganze Tisch kann sich bewegen und ist vibrationsgedämpft.
Die Blenden und Spiegel führen einen grünen Laserstrahl im Zickzack über den Tisch. Ursin hält einen Bogen Papier in den Strahl.
Und das ist wirklich so stark, dass das Papier zu brennen anfängt. Jetzt geht Rauch auf.
Der Lichtstrahl endet in einem Bauteil, das das Grün in einen unsichtbaren UV-Strahl verwandelt. Der wird weitergelenkt zum Herzstück der Anlage.
Das ist der zentrale Kristall des gesamten Experiments. Das gesamte Know-how der Zeilingergruppe steckt in diesem Kristall. Der ist durchsichtig. Der ist drei Millimeter da drinnen.
Der Winzling erzeugt das magische Paar der verschränkten Photonen. Eines wird in ein Glasfaserkabel geleitet und unter der Donau zum anderen Ufer geführt. Das andere lassen die Physiker mit dem Passagier zusammentreffen, also dem zu teleportierenden Photon - in der Hoffnung, dass seine Schwingungsrichtung beim Lichtquant am anderen Ufer erscheint.
Rupert Ursin zieht schwarze Vorhänge vors Plexiglas und knipst das Licht aus. Es wird zappenduster. Die Lichtdetektoren für das Experiment sind extrem empfindlich. Sie registrieren selbst das kleinste Leuchten.
Also wirklich von jedem Lämpchen von jedem Computer. Es muss alles abgeklebt werden. Deswegen ist dieses Labor nach außen auch so gut geschützt mit seinem schwarzen Vorhang. Und wenn man hier drinnen das Licht abdreht, ist es wirklich stockfinstere Nacht.
Alle 30 Sekunden beamt die Maschine ein Photon. Doch die unzähligen Spiegel und Blenden muss Ursin immer wieder mal von Hand justieren.
Man sieht hier Tausende von Schrauben. Um einen Eindruck zu geben: Der Laser steht dahinten. Der Weg bis zu diesen Glasfasern ist ca. fünf Meter. Und ich muss die Glasfaser treffen genau in ihrem Kern. Der Kern der Glasfaser ist ungefähr fünf Mikrometer groß. Und ich muss vier dieser fünf mikrometergroßen Glasfasern gleichzeitig treffen. Da kann man ungefähr abschätzen, wie viel Aufwand technischer und psychologischer Natur da drin steckt.
Sein größter Feind ist der Staub. Wenn der sich auf den Spiegeloberflächen absetzt, wird Ursin zum Putzteufel.
Und wenn man mal zählt, wie viele Oberflächen sind und das Signal schon dann verschwindet, wenn auf einer einzigen Oberfläche ein Staubkorn drauf ist, dann kann man abschätzen, wie viel Arbeit das ist. Man kann das Staubkorn nach zehn Minuten gefunden haben. Aber es sind auch schon drei Tage vergangen.
Bei der Sendestation ist alles klar. Jetzt interessiert mich natürlich auch die Empfangsstation am anderen Donauufer.
"600 Meter hört sich nicht weit an. Aber es ist wirklich weit zu gehen. Aber wenn Sie gehen wollen ..." "Sehr gern!" "Okay."
Wir gehen ein Metalltreppe hinunter. Nach ein paar Stufen hält Ursin an.
Wir befinden uns jetzt bereits unter Donau-Niveau. Das ist der Strich, der anzeigt, wo das normale Donau-Niveau ist. Wir gehen jetzt ungefähr drei Stockwerke senkrecht hinunter.
Der Tunnel ist nur so etwa 1.75 Meter hoch. Wir müssen uns beim Laufen bücken, und das ist ziemlich anstrengend. Rupert Ursin zeigt auf die meterdicken Röhren neben uns.
Das ist Trinkwasser, dieses Rohr. Und unterhalb sind die zwei großen Rohre für das Schmutzwasser. Auf der linken Seite liegt unsere Glasfaser - das ist das da.
Es ist ein unscheinbares schwarzes Kabel in einem Kabelschacht. Nach 300 Metern stoppt Ursin und deutet auf einen an die Wand gemalten Strich - die Grenze zwischen dem 2. und dem 22. Bezirk von Wien.
Links steht 22, rechts steht 2. Das ist die Donaumitte. Wir sind also jetzt genau unterhalb der Donau.
Dann endlich erreichen wir die Empfangsstation. Ursin, vom Weg noch aus der Puste, kramt den Schlüssel aus der Tasche.
Das ist das zweite Labor. Wir befinden uns hier am Handelskai, 600 Meter weit weg vom großen Laser, Hier kommt die Glasfaser aus dem Tunnel.
Das Labor ist kaum größer als eine Besenkammer. Darin stehen ein Rechner und ein Stahlgerüst mit Lichtsensoren. Die Apparatur registriert die Photonen aus der Glasfaser und schaut nach, ob das Beamen geklappt hat und die Lichtquanten die richtige Schwingungsrichtung zeigen. Doch ist mit 600 Metern das Ende der Fahnenstange schon erreicht? Nein, nein, meint Physiker Ursin.
Da denken wir an die sieben bis acht Kilometer oder auch die Richtung Weltraum, Satelliten-Anwendungen. Das scheint alles möglich zu sein, nachdem wir die Resultate von diesem Experiment hier haben.
Die Sache hat nämlich einen konkreten Hintergedanken: Im Prinzip eignet sich die Quantenteleportation zur abhörsicheren Datenübertragung. Schließlich verschwindet bei der Teleportation eine Information und taucht an anderer Stelle wieder auf, ohne zwischendrin zu existieren. Ein Spion hätte demnach keine Chance, an die Information heranzukommen. Und so könnte das Quantenbeamen aus Wien eines Tages dazu dienen, Geheimdaten per Laser und Satellit absolut sicher über den Atlantik zu schicken.
Nackte Betonwände, spärliches Neonlicht, metallene Kabelschächte. Das Pumpwerk an der Donau gibt eine ziemlich ungemütliche Kulisse ab. Doch Rupert Ursin fühlt sich wohl.
Das hier ist für uns eine fast ideale Umgebung, weil im Tunnel, da sind keine Motoren, keine Züge und kein Nichts.
Für sein Experiment braucht Ursin vor allem eines: einen ruhigen, vibrationsarmen Untergrund. Der Physiker beamt Lichtteilchen, sog. Photonen, von einem Donauufer zum anderen. Vor sieben Jahren war es seinem Chef Anton Zeilinger zum ersten Mal überhaupt gelungen, ein Lichtquant zu teleportieren: Er hatte die Eigenschaften des Lichtteilchens quer über den Labortisch gezaubert - und zwar ohne jede Zeitverzögerung. Das Experiment fasziniert Laien wie Fachleute: Erstere fühlen sich ans Raumschiff Enterprise erinnert. Letztere erhoffen sich lukrative Anwendungen für die Telekommunikation.
Mit anschaulicher Alltagsphysik hat das Beamen von Licht nichts zu tun, es ist pure Quantenphysik. Grundlage bilden zwei besondere Lichtteilchen. Sie entstehen, wenn ein Laserstrahl auf einen Spezialkristall fällt. Der Kristall spaltet den Strahl in zwei Photonen auf, die in unterschiedliche Richtungen davonfliegen. Das Entscheidende: Die Lichtzwillinge sind verschränkt, sie sind auf spukhafte Weise miteinander verknüpft. Bildlich gesprochen verhalten sie sich wie zwei Würfel, die gleichzeitig geworfen stets dieselbe Augenzahl zeigen - egal, wie groß die Distanz zwischen ihnen ist.
Einen der Zwillinge lassen die Wiener nun mit einem weiteren, einem dritten Lichtquant zusammenstoßen, Passagier genannt. Dabei passiert das Unfassbare: Die Schwingungsrichtung des Passagiers - quasi sein Charakter - übertragt sich auf den anderen, den entfernten Zwilling - und zwar unverzüglich, ohne jeden Zeitverzug. 1997 hatte Zeilinger diese Quantenteleportation quer über den Labortisch, über eine Strecke von einem Meter. Rupert Ursin wollte herausfinden, ob das Spielchen auch über größere Strecken funktionierte - durch einen 600 Meter langen Abwassertunnel unter der Donau.
Rupert Ursin zeigt die Sendestation seines Quantenbeamers - eine mit Plexiglas abgeteilte Ecke der Pumpwerkhalle. Auf dem Plexiglas sind lauter Formeln und Skizzen hingekritzelt. Es fehlt eine Tafel.
Irgendwann fängt jeder Physiker zu zeichnen an. Ohne Zeichnung kann man wenig denken. Und jetzt schaut das halt so aus. Aber es ist alles abwaschbar.
In der Mitte des Labors steht ein wuchtiger Tisch mit Hunderten von Spiegeln, Linsen und Blenden. Ursin stützt sich auf die Tischkante auf. Unter dem Gewicht gibt das Gestell nach; es ruht auf luftgefederten Stoßdämpfern.
Der ganze Tisch kann sich bewegen und ist vibrationsgedämpft.
Die Blenden und Spiegel führen einen grünen Laserstrahl im Zickzack über den Tisch. Ursin hält einen Bogen Papier in den Strahl.
Und das ist wirklich so stark, dass das Papier zu brennen anfängt. Jetzt geht Rauch auf.
Der Lichtstrahl endet in einem Bauteil, das das Grün in einen unsichtbaren UV-Strahl verwandelt. Der wird weitergelenkt zum Herzstück der Anlage.
Das ist der zentrale Kristall des gesamten Experiments. Das gesamte Know-how der Zeilingergruppe steckt in diesem Kristall. Der ist durchsichtig. Der ist drei Millimeter da drinnen.
Der Winzling erzeugt das magische Paar der verschränkten Photonen. Eines wird in ein Glasfaserkabel geleitet und unter der Donau zum anderen Ufer geführt. Das andere lassen die Physiker mit dem Passagier zusammentreffen, also dem zu teleportierenden Photon - in der Hoffnung, dass seine Schwingungsrichtung beim Lichtquant am anderen Ufer erscheint.
Rupert Ursin zieht schwarze Vorhänge vors Plexiglas und knipst das Licht aus. Es wird zappenduster. Die Lichtdetektoren für das Experiment sind extrem empfindlich. Sie registrieren selbst das kleinste Leuchten.
Also wirklich von jedem Lämpchen von jedem Computer. Es muss alles abgeklebt werden. Deswegen ist dieses Labor nach außen auch so gut geschützt mit seinem schwarzen Vorhang. Und wenn man hier drinnen das Licht abdreht, ist es wirklich stockfinstere Nacht.
Alle 30 Sekunden beamt die Maschine ein Photon. Doch die unzähligen Spiegel und Blenden muss Ursin immer wieder mal von Hand justieren.
Man sieht hier Tausende von Schrauben. Um einen Eindruck zu geben: Der Laser steht dahinten. Der Weg bis zu diesen Glasfasern ist ca. fünf Meter. Und ich muss die Glasfaser treffen genau in ihrem Kern. Der Kern der Glasfaser ist ungefähr fünf Mikrometer groß. Und ich muss vier dieser fünf mikrometergroßen Glasfasern gleichzeitig treffen. Da kann man ungefähr abschätzen, wie viel Aufwand technischer und psychologischer Natur da drin steckt.
Sein größter Feind ist der Staub. Wenn der sich auf den Spiegeloberflächen absetzt, wird Ursin zum Putzteufel.
Und wenn man mal zählt, wie viele Oberflächen sind und das Signal schon dann verschwindet, wenn auf einer einzigen Oberfläche ein Staubkorn drauf ist, dann kann man abschätzen, wie viel Arbeit das ist. Man kann das Staubkorn nach zehn Minuten gefunden haben. Aber es sind auch schon drei Tage vergangen.
Bei der Sendestation ist alles klar. Jetzt interessiert mich natürlich auch die Empfangsstation am anderen Donauufer.
"600 Meter hört sich nicht weit an. Aber es ist wirklich weit zu gehen. Aber wenn Sie gehen wollen ..." "Sehr gern!" "Okay."
Wir gehen ein Metalltreppe hinunter. Nach ein paar Stufen hält Ursin an.
Wir befinden uns jetzt bereits unter Donau-Niveau. Das ist der Strich, der anzeigt, wo das normale Donau-Niveau ist. Wir gehen jetzt ungefähr drei Stockwerke senkrecht hinunter.
Der Tunnel ist nur so etwa 1.75 Meter hoch. Wir müssen uns beim Laufen bücken, und das ist ziemlich anstrengend. Rupert Ursin zeigt auf die meterdicken Röhren neben uns.
Das ist Trinkwasser, dieses Rohr. Und unterhalb sind die zwei großen Rohre für das Schmutzwasser. Auf der linken Seite liegt unsere Glasfaser - das ist das da.
Es ist ein unscheinbares schwarzes Kabel in einem Kabelschacht. Nach 300 Metern stoppt Ursin und deutet auf einen an die Wand gemalten Strich - die Grenze zwischen dem 2. und dem 22. Bezirk von Wien.
Links steht 22, rechts steht 2. Das ist die Donaumitte. Wir sind also jetzt genau unterhalb der Donau.
Dann endlich erreichen wir die Empfangsstation. Ursin, vom Weg noch aus der Puste, kramt den Schlüssel aus der Tasche.
Das ist das zweite Labor. Wir befinden uns hier am Handelskai, 600 Meter weit weg vom großen Laser, Hier kommt die Glasfaser aus dem Tunnel.
Das Labor ist kaum größer als eine Besenkammer. Darin stehen ein Rechner und ein Stahlgerüst mit Lichtsensoren. Die Apparatur registriert die Photonen aus der Glasfaser und schaut nach, ob das Beamen geklappt hat und die Lichtquanten die richtige Schwingungsrichtung zeigen. Doch ist mit 600 Metern das Ende der Fahnenstange schon erreicht? Nein, nein, meint Physiker Ursin.
Da denken wir an die sieben bis acht Kilometer oder auch die Richtung Weltraum, Satelliten-Anwendungen. Das scheint alles möglich zu sein, nachdem wir die Resultate von diesem Experiment hier haben.
Die Sache hat nämlich einen konkreten Hintergedanken: Im Prinzip eignet sich die Quantenteleportation zur abhörsicheren Datenübertragung. Schließlich verschwindet bei der Teleportation eine Information und taucht an anderer Stelle wieder auf, ohne zwischendrin zu existieren. Ein Spion hätte demnach keine Chance, an die Information heranzukommen. Und so könnte das Quantenbeamen aus Wien eines Tages dazu dienen, Geheimdaten per Laser und Satellit absolut sicher über den Atlantik zu schicken.