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Gekaufte Vorfahrt

Grundsätzlich gilt bisher: Alle Daten werden gleich schnell durchs Netz geleitet. Altgedienten Internetaktivisten - unter ihnen viele politisch und sozial engagierte Bürger - ist dieses Prinzip heilig. Neue Geschäftsmodelle basieren aber auf anderen Verkehrsregeln - ein Ende der Netzneutralität wäre die Folge.

Von Daniel Blum |
    Ein wichtiges Tor bei der letzten WM, das Ja-Wort der schwedischen Prinzessin. Live dabei: Die Zuhörer und Zuschauer der Echtzeitmedien - der schnellste Weg, Nachrichten aus aller Welt zu empfangen. Doch was wäre, wenn es bei solchen Berichten aus aller Welt öfters mal haken und stottern würde – wären diese Echtzeitmedien dann auch so erfolgreich?

    Keine Frage: Echtzeitmedien funktionieren nur dann, wenn die Übertragung fehlerlos läuft. Und das wird allmählich zu einem Problem – im Internet. Denn auch dort gibt es, wie bei Radio und Fernsehen, immer mehr Echtzeitübertragungen. Nicht nur bei Informationsangeboten, auch zur Unterhaltung. So wie die etablierten elektronischen Medien mit Hörspielen und Filmen locken, so präsentiert auch das Internet immer häufiger Audio- und Bilddateien als sogenannte Streamings, zum Beispiel in der Mediathek der ARD oder bei Youtube. Das heißt, dass man bereits zuhören und zusehen kann, bevor die Daten komplett heruntergeladen wurden. Doch dafür ist das Internet eigentlich nicht gemacht...

    Bei einem Streaming wird ein kontinuierlicher Fluss von Datenpäckchen am einen Ende der Welt ins Netz eingespeist und muss kurz danach am anderen Ende der Welt ankommen – und das bitte in genau derselben Reihenfolge. Man möchte ja nicht den Schluss vor dem Anfang erleben. Nun jagen die Datenpäckchen aber nicht immer exakt auf dem selben Weg durch das Leitungsgeflecht, und hin und wieder bleibt mal eines irgendwo an einer Kreuzung im Stau stecken. Wenn man nur Emails empfängt oder auf Webseiten Texte liest, stört das wenig; der PC wartet dann halt auf das trödelnde Datenpäckchen. Bei Echtzeitübertragungen führen solche Wartezeiten allerdings zu Rucklern.

    Im Internet rufen immer mehr User immer umfangreichere Dateien ab. Insbesondere zu Spitzenzeiten stockt der Datenverkehr schon mal. Freitag abends zum Beispiel, wenn die Nachfrage nach Videos aus dem Netz besonders groß ist. Das Problem liegt, sagen unabhängige Experten und Verbraucherschützer, auf der "letzten Meile". Das heißt: auf den Leitungen unmittelbar in der Nachbarschaft des Endverbrauchers. Um dieses Problem zu beheben, müssten die privaten Netzbetreiber mehr und bessere Leitungen vor Ort legen, insbesondere in ländlichen Gebieten.

    Gerade dort aber rentiert sich diese Investition in schnellere Leitungen für die Deutsche Telekom und ihre Konkurrenten nicht so schnell. Daher setzen Sie auf eine andere Idee, um ihren Kunden eine störungsfreie Übertragung zu bieten: Sie wollen für den Datenaustausch im Internet neue Verkehrsregeln einführen. Telekommunikationskonzerne in Amerika und Europa, denen die meisten Internetleitungen gehören, möchten gerne von ihren nationalen Behörden grünes Licht bekommen für ein neues Geschäftsmodell: Gut betuchte Inhalteanbieter sollen sich einen Wettbewerbsvorteil erkaufen und ihre Dateien schneller durchs Netz schicken können.

    Wenn an den Knotenpunkten des Internets aber für bestimmte Datenpäckchen eine grüne Welle geschaltet wird, dann werden zwangsläufig für andere Datenpäckchen die Ampeln auf rot gestellt. Davor warnt auch Cornelia Tausch, Internetexpertin bei der Verbraucherzentrale Bundesverband, der Dachorganisation der Verbraucherverbände und -zentralen:

    "Wenn ich etwas priorisiere, bedingt das immer, dass andere Datenpakete nachrangig behandelt werden. Das würde natürlich bedeuten, dass andere Angebote künstlich verknappt werden müssten."

    Prinzipiell sei dieser Einwand berechtigt, räumt Philipp Blank von der Deutschen Telekom ein:

    "In Spitzenzeiten wird das tatsächlich der Fall sein. Es wird dann tatsächlich so sein, dass bestimmte Dienste schnell ankommen, in einer gesicherten Qualität ankommen, während eine E-mail ein paar Sekunden später ankommt oder eine Internetseite zwei, drei Sekunden länger braucht, bis die Seite komplett aufgebaut ist. Das könnte dann natürlich der Fall sein, ja."

    Sonderlich schlimm sei das aber nicht, meint der Firmensprecher, denn letztlich würden die Verbraucher von diesem Internet der zwei Geschwindigkeiten profitieren:

    "Für einen User spielt es keine Rolle, ob eine E-mail ein paar Sekunden später ankommt. Es spielt aber sehr wohl eine Rolle, ob sein Video unterbrochen wird, während er es schauen möchte."

    Von richtiger Chancengleichheit kann im Internet ohnehin schon lange nicht mehr die Rede sein. Globale Konzerne wie Google speisen ihre Inhalte nicht von einem einzigen Standort aus ins Leitungsnetz, sondern verteilt von vielen Servern, in regionaler Nähe aller wichtigen Ballungsräume. Ihre Datenpäckchen haben dadurch im Schnitt nur kurze Wege zurückzulegen und kommen vergleichsweise schnell an ihr Ziel.

    Zudem können sich Konzerne die modernsten und teuersten Komprimierungstechnologien leisten. Das heißt: Es müssen weniger Datenpäckchen auf den Weg gebracht werden, Downloads sind schneller beendet. Und: Finanzstarke Unternehmen mieten sich bei den Netzbetreibern für einzelne Wegstrecken Standleitungen, auf denen nur ihre eigenen Daten unterwegs sind, exklusiv.

    Grundsätzlich aber gilt bisher: Bei der Durchleitung ist das Netz neutral. Das bedeutet: Wer Datenpäckchen ins Internet stellt – Wikipedia-Texte oder Youtube-Videos, Parteiprogramme oder Pornofotos –, der kann noch so viel Geld haben: Seine Datenpäckcken werden nicht schneller durchs Netz geleitet als konkurrierende Angebote. Zwar steht es jedem Verbraucher frei, sich zu Hause einen modernen DSL-Anschluss zuzulegen, um sich grundsätzlich fixer durch die Webseiten zu klicken oder schneller downloaden zu können. Aber ob ein User dabei nun Informationen von einer lokalen Bürgerinitiative oder einer Regierungspartei abruft, von einer kleinen Versandfirma oder einem Handelsgiganten wie amazon: Das Leitungsnetz bleibt neutral, es transportiert alle Datenpäckchen im selben Tempo.

    Altgedienten Internetaktivisten – unter ihnen viele politisch und sozial engagierte Bürger – ist diese Netzneutralität daher heilig. Zu ihnen zählt Padeluun, Sprecher von FoeBud, einer Bürgerrechtsorganisation:

    ""Wenn nur diejenigen, die viel Geld haben, sich tolle, gute und schnelle Netze und Netzanbindungen leisten können, würde das bedeuten, dass Menschen, die Informationen mit weniger Geld anbieten wie zum Beispiel unser kleiner Verein oder der Verbraucherschutzverein, dann diskriminiert wären, die wären nicht so gut am Netz und ihre Informationen würden dann nicht so gut rezipiert werden können."

    Ohne Netzneutralität gebe es keine Chancengleichheit, weder für politische Informationsplattformen, noch für kommerzielle Firmen – so argumentiert auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Lars Klingbeil, in seiner Fraktion für Neue Medien zuständig:

    "Ich möchte, dass die Innovationskraft, die ich bei vielen Menschen merke, die sich mit dem Internet beschäftigen, die Ideen auf den Weg bringen, die neue Geschäftsmodelle auf den Weg bringen, dass all dieses Potenzial und diese Kreativität nicht gefährdet wird durch eine Einschränkung der Netzneutralität."

    Natürlich beträfe eine solche Einschränkung hierzulande nur die Bereiche des Netzes, die der Deutschen Telekom gehören – das sind jedoch weite Teile der Leitungen. Aber selbstverständlich könnte ein Inhalteanbieter auch in anderen Ländern einen Sonderstatus erwerben, bei den dortigen Giganten der Telekommunikationsbranche. Denkbar ist auch, dass sich die Netzbetreiber untereinander absprechen: Lässt du meine Premium-Kunden bevorzugt durch, dann verhätschele ich auch deine! Für die Inhalteanbieter wäre das nicht billig. Aber die Kosten könnten sich diese Firmen peu à peu von ihren eigenen Kunden zurückholen, durch höhere Preise oder noch mehr Werbung auf den Webseiten.

    Die Deutsche Telekom hofft natürlich, mit solchen Geschäftsmodellen zusätzliche Gewinne zu erzielen. Allerdings würden die Vorfahrtsregeln letztlich allen Internetusern nützen, betont das Unternehmen. Denn sie würden den Engpass im Netz beseitigen, argumentiert Philipp Blank von der Deutschen Telekom:

    "Wenn Sie an Videokonferenzen denken, wenn Sie an Online-Spiele denken, das sind Dienste, die brauchen eine gesicherte Übertragungsqualität, sonst werden sie nicht genutzt werden, sonst werden sie nicht funktionieren."

    Für die Zukunft winken innovative, hochwertige Internetanwendungen, so die Deutsche Telekom - Echtzeitangebote, die es nur geben könne, wenn ihre Anbieter eine störungsfreie Übertragung garantiert bekommen:

    "Wenn Sie daran denken, dass eine Operation live ans andere Ende der Welt übertragen wird, so dass ein weiterer Arzt ins Geschehen mit eingreifen kann, wenn Sie an die Steuerung von intelligenten Stromnetzen denken – bei der Einspeisung von regenerativen Energien spielt das eine wichtige Rolle -, all das sind Beispiele, wo eine gesicherte Übertragungsqualität eine entscheidende Rolle spielt."

    Und damit seien diese neuen Qualitätsklassen im Internet doch für alle ein Gewinn: Für die Deutsche Telekom und die anderen Netzbetreiber sprudele eine neue Geldquelle. Und auch die Verbraucher könnten sich an den neuen, intelligenten Vorfahrtsregeln im Netz erfreuen, die die Anwendungen ausbremsen, bei denen Zeit keine große Rolle spielt, und diejenigen beschleunigen, die das brauchen.

    Doch gegen das Ende der Netzneutralität begehren nicht nur Internetaktivisten auf – auch aus Politik und Wirtschaft kommt Widerspruch. Denn nicht alle Inhalteanbieter würden sich diese Sondergebühren leisten können. Stürbe die Netzneutralität, würde auch für die Chancengleichheit im Netz das Totenglöcklein läuten. Internetangebote ohne kommerzielle Interessen würden ausgebremst werden, gemeinnützige Vereine und Privatleuten müssten das Internet endgültig dem Big Business überlassen – so die Kritik.

    Dem alten Geld beugen müssten sich womöglich junge Firmen mit innovativen Konzepten, die noch keine gefüllte Kriegskasse haben. Ein Beispiel: die Suchmaschinenfirma ecosia. Ein halbes Dutzend junger Leute haben dem Weltkonzern Google den Kampf angesagt und bieten auf ihrer Webseite Suchanfragen im Internet an. Sie finanzieren sich, wie der große Bruder, über Werbeanzeigen – von deren Erlös sie aber den Großteil an ein Regenwaldprojekt spenden. Einem Internet der zwei Geschwindigkeiten sieht die Berlinerin Jana Kroll, Pressesprecherin von ecosia, mit Bangen entgegen:

    "Für uns ist Geschwindigkeit im Internet extrem wichtig. Wenn jemand mit ecosia sucht, ist es wichtig, dass er seine Daten schnell bekommt, dass er seine Suchergebnisse schnell bekommt. Wenn unsere Ergebnisse nicht schnell dargestellt werden können, dann ist das ein entscheidender Wettbewerbsnachteil für so ein kleines Projekt wie ecosia."

    Konzerne wie Google könnten die Express-Durchleitung quasi aus der Portokasse bezahlen. Für ecosia sei das einfach nicht drin, seufzt Jana Kroll.

    Deshalb rufen die Kritiker nach dem Staat: Politiker sollen die geplanten Vorfahrtsregeln verbieten.

    Der Bundestag hat vor einigen Monaten eine Enquete-Kommission zum Internet eingesetzt. Ihr erstes und derzeit wichtigstes Thema: die Netzneutralität - die parteienübergreifend gelobt wird als zentrale Grundlage eines freien Internets.

    Der grüne Abgeordnete Konstantin von Notz warnt: Fiele die Netzneutralität, dann fiele die Spielwiese Internet einem kreativen Kahlschlag zum Opfer:

    "Der Albtraum wäre natürlich, wenn das Internet zu so einer Art Konsum- und Shoppingkanal verkommt. Also dass das Einspeisen von Ideen, das Sich-Einbringen, das Partizipieren, dass der eben total verloren geht. Sondern man nur noch seine Internet-Fernsehsendungen guckt und die Internet-Shoppingkanäle bedient ..."

    Auch für den CDU-Abgeordneten Peter Tauber ist die Netzneutralität unverzichtbar. Die Vorstellung, ein Internet-Marktführer wie Facebook – der Platzhirsch unter den sogenannten Sozialen Netzwerken – könnte sich Vorfahrt im Internet erkaufen, erfüllt ihn mit Sorge:

    "Man stelle sich vor, Facebook kann aufgrund der vorhandenen Mittel mit den entsprechenden Netzanbietern die skizzierten Verträge schließen: Das würde natürlich bedeuten, dass alle, die neu auf den Markt kommen, alle, die kleiner sind, die aber noch einen Tick innovativer, einen Tick attraktiver sind für den User, das Nachsehen haben. Und das wollen wir eben nicht. Das Internet muss an dieser Stelle offen sein, so dass vergleichbare Inhalte gleiche Startchancen haben."

    Für den SPD-Abgeordneten Lars Klingbeil gibt es nur einen Weg, die Netzneutraliät zu bewahren:

    "Ich erwarte von der Bundesregierung, dass man die Netzneutralität gesetzlich verankert. Um den Wettbewerb im Internet auch zu schützen."

    Die schwarz-gelbe Bundesregierung hält die Netzneutralität im Grundsatz für wichtig, sieht aber in der Praxis keinen Handlungsbedarf. Während die Fachpolitiker der Enquete-Kommission durch das Mittel der Netzneutralität den freien Wettbewerb schützen wollen, denkt die Regierung in genau umgekehrter Richtung: Der Wettbewerb sei das Mittel, die Netzneutralität zu schützen. Im Koalitionsvertrag heißt es wörtlich:

    "Wir vertrauen darauf, dass der bestehende Wettbewerb die neutrale Datenübermittlung im Internet sicherstellt, werden die Entwicklung aber sorgfältig beobachten und nötigenfalls mit dem Ziel der Wahrung der Netzneutralität gegensteuern."

    Der oberste deutsche Wettbewerbshüter fürs Internet ist Matthias Kurth, der Präsident der Bundesnetzagentur. Er teilt hier die Sichtweise der Regierung und erläutert sie:

    "Warum soll ich denn dem Inhaber eines Netzes quasi vorschreiben, welche technischen Lösungen er Kunden anbietet? Warum vertrauen wir eigentlich nicht auf die Kräfte des Wettbewerbs und des Marktes? Der Anbieter, der schlechte Qualität liefert, wird doch von uns allen als Verbraucher bestraft. Wir werden doch dort abwandern."

    Eine Sichtweise, die Verbraucherschützer verblüfft: Sollten große Netzbetreiber wie die Deutsche Telekom damit beginnen, den Inhalteanbietern ihre Qualitätsklassen zu verkaufen, dann könnten die Verbraucher dem neuen System faktisch gar nicht ausweichen.

    Auch ein Wechsel des Internetproviders hilft nicht. Der Deutschen Telekom gehören hierzulande zwei Drittel der schnellen Glasfaserkabel. Die Konkurrenz hat kein eigenes flächendeckendes Leitungsnetz, sie muss den Marktführer dafür bezahlen, dass sie zumindest teilweise dessen Leitungen mitnutzt. Und wenn dort Vorfahrtsregeln für die Datenpäckchen des Big Business gelten, dann kann ein Verbraucher dem nicht dadurch entgehen, dass er seinen Netzanschluss über einen anderen Provider abwickelt. Cornelia Tausch vom Verbraucherzentrale Bundesverband:

    "Wenn Netzneutralität nicht mehr gesichert wird, dann ist es über das ganze Netz nicht mehr gesichert. Wenn ich Dienste priorisiere, bedeutet das, sie werden über das gesamte Internet priorisiert – es hat also Auswirkungen auf alle Verbraucher und alle Angebote."

    In einem Punkt sind sich aber alle einig: Eine so genannte Diskriminierung einzelner Anbieter dürfe es nicht geben. Nur wann eine solche Diskriminierung bereits vorliegt – da gehen die Meinungen auseinander.

    Die Netzbetreiber erklären feierlich, sie wollten ihre digitalen Eilbriefmarken allen Inhalteanbietern offerieren - exklusive, womöglich sogar geheime Deals werde es nie und nimmer geben. So das Versprechen des Branchenverbandes Bitkom und auch des Marktführers, der Deutschen Telekom:

    "Wenn wir Qualitätsklassen einführen, dann müssen diese Qualitätsklassen diskriminierungsfrei sämtlichen Anbietern angeboten werden. Das ist oberste Bedingung, da gibt’s auch kein Vorbei dran."

    "Diskriminierungsfrei" heißt das Pflichtwort der Debatte – deshalb, weil anderenfalls das europäische und nationale Wettbewerbsrecht solchen Geschäftsmodellen sofort einen Riegel vorschieben würden. Die Einhaltung dieser Rechtsnormen überwacht in Deutschland die Bundesnetzagentur mit ihrem Präsidenten Matthias Kurth:

    "In dem Moment, in dem gleiche Regeln für alle gelten, ist das System ja eher verträglich und akzeptabel, als wenn man den Eindruck hat, es wird hinter verschlossenen Türen mit einem Anbieter irgendetwas vereinbart zu Konditionen, die ein anderer Anbieter nicht bekommen würde."

    Verbindlich festlegen will sich der Wettbewerbshüter noch nicht, ob es ihm genügt, dass die neuen, teuren Geschäftsmodelle formal allen angeboten werden – aber der Eindruck spricht dafür.

    Man stelle sich vor, ein Polizist würde auf einer überfüllten Kreuzung den Verkehr regeln und freie Fahrt für einen Obulus vergeben – würde das dadurch fair und gerecht erscheinen, dass er das Angebot "diskriminierungsfrei" allen Verkehrsteilnehmern macht?

    Bleibt das Internet tatsächlich allen gleichermaßen offen, wenn künftig Konzerne ihre Botschaften schneller und komfortabler verbreiten können als ein junger Firmengründer, die Regierungspartei prompter zu Wort kommt als die kleine Bürgerinitiative? Das ist die Grundsatzentscheidung, der sich die Politik derzeit stellen muss. Und die sie nicht an die Verbraucher und auch nicht an die Bundesnetzagentur delegieren kann.

    Eine Grundsatzentscheidung, für die sich eine simple Lösung anbietet: Man verschenkt die Vorfahrtsrechte statt sie zu verkaufen. Alle Echtzeitanwendungen, die auf schnelle und stabile Geschwindigkeiten angewiesen sind, erhalten die grüne Welle geschaltet, alle anderen Anwendungen müssen sich zur Rush Hour ein bisschen gedulden. Ob ein Anbieter groß oder klein ist, reich oder arm, nutzt ihm nichts und schadet ihm nichts.

    Eine salomonische Lösung, oder? Die von der Deutschen Telekom und den anderen großen Netzbetreibern aus verständlichen Gründen nicht propagiert wird – zusätzliche Profite lassen sich damit nicht erzielen.