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Geklonte Affen
"Es gibt ethische Standards, die man beachten sollte"

Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Peter Dabrock, hält die chinesischen Klon-Versuche mit so hoch entwickelten Tieren wie Primaten für ethisch problematisch. China entwickele sich im Bereich der Lebenswissenschaften in einer dramatischen Schelligkeit fort, die es im Blick zu halten gelte, sagte Dabrock im Dlf.

Peter Dabrock im Gespräch mit Sandra Schulz |
    Peter Dabrock, Vorsitzender des Deutschen Ethikrats
    Peter Dabrock, Vorsitzender des Deutschen Ethikrats (imago)
    Sandra Schulz: Das braun-graue Fell im Gesicht ist charakteristisch, der Backenbart und auch der lange Schwanz. Als Javaneraffen werden sie bezeichnet, Langschwanzmakaken oder auch Krabbenesser. Diese Äffchen interessieren uns heute Morgen, weil es chinesischen Forschern jetzt erstmals gelungen ist, diese Primatenart zu klonen. Die beiden Äffchen Zhong Zhon und Hua Hua sind genetisch nicht voneinander zu unterscheiden. Genetisch identisch sind sie auch mit dem Affen, der vor ihnen schon auf der Welt war, von dem die Erbsubstanz stammt.
    Zugehört hat Professor Peter Dabrock, Theologe der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg und der Vorsitzende des Deutschen Ethikrates. Einen schönen guten Morgen wünsche ich.
    Peter Dabrock: Guten Morgen, Frau Schulz.
    Symbolisch schon etwas Bedeutendes
    Schulz: Ist das jetzt ein Schritt auf dem Weg, der bei geklonten Menschen endet?
    Dabrock: Wer A sagt, muss noch lange nicht B sagen. Aber es ist auf jeden Fall symbolisch ein Einschnitt. Selbst wenn es wissenschaftlich nur eine Weiterentwicklung der Methode ist, ist es doch symbolisch schon etwas Bedeutendes, weil wir hier zum ersten Mal ein Klonen eines Primaten haben und nicht von irgendwelchen anderen Tieren, und bekanntlich verbindet der Mensch dann doch mit den Affen mehr als mit anderen Tieren.
    Die geklonten Affen Hua Hua und Zhong Zhong
    Die geklonten Affen Hua Hua und Zhong Zhong (dpa-Bildfunk / Chinese Academy of Sciences / Qiang Sun and Mu-ming Poo)
    Schulz: Aber wenn wir über menschliches Klonen sprechen, müsste Ihr Satz dann nicht eher lauten, wer A sagt, der darf nicht B sagen?
    Dabrock: Das sehe ich persönlich auch so. Ich muss allerdings auch eingestehen – und wir haben es hier ja mit einer globalen Fragestellung zu tun, also einer Fragestellung, die global betrachtet wird -, das ist weltweit nicht unbedingt so. Der Versuch, das reproduktive Klonen per einer UNO-Resolution zu verbieten, ist in den 2000er-Jahren krachend gescheitert. Das, was vermutlich bei uns in Deutschland intuitiv alle sagen würden, Mensch, das darf man auf gar keinen Fall machen, ist weltweit deutlich umstrittener.
    Reproduktive Freiheit in USA hochgeschrieben
    Schulz: Und was sind da die Argumente?
    Dabrock: Die Argumente sind vermutlich vor allen Dingen libertärer Art. Man nennt das die reproduktive Freiheit, dass Menschen quasi ein Menschenrecht darauf haben - und in den USA wird das insbesondere ganz hochgeschrieben, aber offensichtlich auch in ostasiatischen Ländern -, Nachkommen bekommen zu können, und dass dabei die Methode sekundär ist, dass bei seltenen Erkrankungen und Krankheitsmustern, aber vielleicht auch manchmal bei bestimmten sozialen Wünschen man eine Kopie von sich selbst herstellt, und das sehe ich persönlich durchaus sehr kritisch.
    Schulz: Ergibt es denn überhaupt Sinn, ethisch – ich sage es jetzt mal ein bisschen zugespitzt – sein eigenes Süppchen zu kochen, wenn es klar ist, dieses Moratorium oder dieses Verbot, das lässt sich international nicht durchsetzen? Warum soll sich Deutschland, warum soll sich Europa dann diese Schranke auferlegen?
    Hemmnisse führen zu Fortschritten
    Dabrock: Das ist eine berechtigte Frage. Allerdings hat auch die Wissenschaftsgeschichte in den gerade letzten Jahrzehnten gezeigt, dass bisweilen auch Hemmnisse in einem Bereich dazu führen, dass man Fortschritte in einem anderen Bereich erzielt. Das Gesamtprojekt der Stammzellforschung aus dem Ineinander von embryonaler adulter und induzierter Stammzellforschung wäre vermutlich nicht auf die Art und Weise so fruchtbar geworden, wenn es nicht bestimmte Länder gegeben hätte, in denen man hätte sagen müssen, wir müssen einfach nach Alternativmethoden gucken. Von daher bin ich da nicht ganz so skeptisch.
    Dann gibt es einfach auch bestimmte ethische Standards, die wir als Gesellschaft hier und in Europa erkämpft haben, beispielsweise in Fragen des Tierwohles, des Tierschutzes, die man beachten sollte. Das finde ich beispielsweise bei den Versuchen in China durchaus auch problematisch, dass mit so hochentwickelten Tieren Versuche durchgeführt werden, die, wie Herr Lange ja gerade geschildert hat, doch noch sehr ineffizient sind und bei denen wir auch nicht wissen, wie das geklonte Tier sich dann weiterentwickelt. Wir wissen, Dolly war auch nicht sonderlich gesundheitlich robust.
    Was machen die Chinesen im Bereich des Genom Editing?
    Schulz: Da braucht man aus Ihrer Sicht gar nicht den Schritt überhaupt zu machen zum menschlichen Klonen. Um ethisch dicke Fragezeichen zu setzen, reicht Ihnen das, was die Forscher in China gemacht haben?
    Dabrock: Ja. Ich glaube, was wichtig ist – das sieht man auch heute in den Reaktionen -, es wird ganz häufig entweder gesagt, das ist ganz schlimm, oder das ist noch ganz, ganz weit weg mit dem Menschenklon. Ich glaube, das ist eine unterkomplexe Sichtweise. Insgesamt muss man sagen, China entwickelt sich im Bereich der Lebenswissenschaften in einer dramatischen Schnelligkeit fort, und es gilt, nicht nur dieses eine Experiment sich anzuschauen, sondern auch beispielsweise anzuschauen, was die Chinesen im Bereich des Genom Editing machen. Diese Dinge wachsen im chinesischen Wissenschaftsmarkt zusammen, und das im Blick zu behalten und diese Motive sowohl der individuellen Forscher wie auch der chinesischen Wissenschaftsforschung insgesamt, das finde ich auch noch mal insgesamt einen zu bedenkenden Faktor.
    Hochrangige Ziele, die wir zulassen sollten
    Schulz: Es ist ja generell nicht so, dass unsere Gesellschaften besonders zimperlich umgehen würden mit Tieren. Wenn ich daran erinnere, dass zum Beispiel in der Hühnerzucht, in der industriellen Landwirtschaftsproduktion von Eiern, dass da in großen Mengen Küken vergast werden oder getötet werden. Wenn wir jetzt über diese Forschungen sprechen und die chinesischen Forscher ja auch sagen, wir wollen uns anschauen, wie wir neurologischen Krankheiten auf die Schliche kommen können, Alzheimer, ist das nicht ein ganz starkes Argument?
    Dabrock: Ich finde auch diesen Punkt sehr wichtig, den Sie ansprechen. Wir haben ja gerade in Deutschland auch eine ganz breite Tendenz zu sagen, Tierversuche sind immer schlecht. Aber da gibt es meines Erachtens zwei Kontrollkriterien, die man für sich persönlich, bevor man Wissenschaftler an der Stelle jetzt verurteilt, doch mal durchgehen sollte. Zum einen: Wie schaut es mit meinem Fleischkonsum aus? Nehme ich Fleisch von der Billigtheke, dann sollte man da einerseits zurückfragen. Und zum anderen: Habe ich schon mal Medikamente genommen, komplexere Medikamente, von denen ich ausgehen muss, dass sie gar nicht anders hatten zustande kommen können denn durch Tierversuche.
    Wenn man die zwei Kontrollfragen betrachtet hat, dann ist das kein Freibrief für jede Form von Tierversuchen, aber es macht jedenfalls deutlich, es gibt bestimmte hochrangige Ziele, die wir um unserer selbst willen oder um unserer Kinder willen vermutlich schmerzlich, aber dann doch zulassen sollten. Da kennt die Tierethik drei Kriterien, dass sie sagt, dass man möglichst wenig Tierversuche durchführen muss, dass man sie dann auch verbessern können soll und dass man nach Alternativmethoden gucken soll. Das ist das sogenannte Drei-R-Prinzip im Englischen dann. Wenn man das anwendet, dann bleiben doch ein paar Versuche übrig, hier beispielsweise in der Medikamententestung, wo man dann doch Versuche mit – Achtung! – keinen Menschenaffen, sondern "niederen Formen" von Affen, hier beispielsweise den Makaken durchführen muss. Das macht in Deutschland 0,1 Prozent aller Tierversuche aus.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.