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Geknackte Gemeinschaft

Medizin. – Wollen sich Bakterien gegen eine feindliche Umwelt schützen, bilden sie so genannte Filme. Diese Bakterienfilme stellen für die Medizin ein wachsendes Problem dar, denn bei ihnen wirken die üblichen Mittel nur wenig oder gar nicht. In der aktuellen "Nature" stellen US-amerikanische Forscher ein Mittel vor, das die schleimige Festung der Bakterien knackt.

    Lange Zeit glaubten die Mikrobiologen, die Bakterien seien einzellige Einzelgänger, doch in den vergangenen fünf Jahren dämmerte es den Experten, dass die meisten Bakterien ein geselliges Leben bevorzugen. Beliebtestes Biotop der Mikroben ist dabei der selbstproduzierte Schleim eines Biofilms. "Darin organisieren sich die Bakterien als eine Gruppe oder Gemeinschaft", erklärt Pradeep Singh von der Medizinischen Hochschule der Universität von Iowa. Der Schleim dient letztlich als Schutz vor der Außenwelt, vor den zahlreichen gefährlichen Stoffen und Angreifern, die ein einzelnes Bakterium dort bedrohen. Diesen Zweck erfüllt der Biofilm mit erstaunlicher Effektivität. "Im Biofilm werden sie in erstaunlichem Ausmaß resistenter gegen tödliche Bedrohungen", so Singh. Antibiotika, Desinfektionsmittel, sogar die todbringenden Zellen und Gifte des Immunsystems verlieren gegenüber einem Biofilm stark an Durchschlagskraft.

    Getreu dem alten Motto "Teile und Herrsche" haben Singh und seine Kollegen daher nicht nach einem Mittel gesucht, das den Biofilm neutralisiert, sondern das seine Entstehung verhindert und die Bakterien vereinzelt. Der Name der Substanz ist "Lactoferrin", ein Eiweiß, das Eisen sehr stark bindet und in zahlreichen Körperflüssigkeiten wie Speichel oder Tränen vorkommt. "Lactoferrin sorgt dafür, dass den Bakterien der überlebenswichtige Nährstoff Eisen fehlt und sie regelrecht aushungert", meint Singh. Das führt dazu, dass sich die Bakterien nicht zusammenschließen sondern einzeln durch den Körper streifen. Diese Wirkung könnte man sich etwa bei medizinischen Gerätschaften aus Plastik zunutze machen, die besonders vom Problem der Biofilme betroffen sind. Eine Beschichtung mit Lactoferrin oder einem anderen Eisenfänger könnte die Bildung der Bakterienkolonien unterbinden. Möglicherweise sind auch Krankheiten wie etwa Mukoviszidose, bei denen Verschleimungen eine tragende Rolle spielen, eine Anwendung. Doch in diesem Fall ist die Anwendung von Eisenfängern nicht so einfach, erklärt Pradeep Singh.

    [Quelle: Michael Lange]