Archiv


"Geld allein nützt Afrika wenig"

Vor dem Hintergrund der weltweiten Hungerkrise hat der aus Äthiopien stammende Autor und Unternehmensberater Prinz Asfa-Wossen Asserate von der Europäischen Union die Weiterführung erfolgreicher Projekte in Afrika gefordert. Insbesondere die Landwirte müssten weiter gefördert werden. Man dürfe jedoch die afrikanischen Agrarflächen nicht zum Anbau von Pflanzen zur Biospritherstellung missbrauchen.

Moderation: Bettina Klein |
    Bettina Klein: Zehn Millionen Euro hat die Bundesentwicklungshilfeministerin gestern zugesagt für die Soforthilfe an Hungernde. Längst nicht genug, folgt man dem Appell, den heute viele Prominente, darunter viele bekannte Künstler in überregionalen Zeitungen veröffentlichen. Sie erinnern an die Zusage der Bundesregierung, bis 2010 ein halbes Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungsarbeit aufzuwenden, und da wären wir dann bei zusätzlichen Mitteln von mindestens 750 Millionen Euro. Gerade die jüngste Nahrungsmittelkrise hat aber gezeigt, dass Geld allein nicht reicht, dass es um Strukturen geht, die verändert werden müssen. Und deshalb habe ich einen der Unterzeichner des heutigen Appells gefragt, weshalb diese Forderung. Prinz Asfa-Wossen Asserate ist Unternehmensberater und Autor und stammt selbst aus Äthiopien.

    Asfa-Wossen Asserate: Es ist richtig, dass Geld allein nützt Afrika wenig. Aber ohne Geld geht es auch nicht. Und was wir hier fordern, ist ja wirklich nicht mehr Geld, sondern das, was die Europäischen Länder schon versprochen haben, einzuhalten und die guten Programme, und wir müssen ja wirklich zugeben, dass einige gute Projekte in Afrika schon laufen, dass sie am Leben erhalten werden. Zum Beispiel der Schuldenerlass von Köln aus dem Jahre 1999 hat erheblich dazu beigetragen, dass in Afrika nun 29 Millionen Kinder zusätzlich zur Schule gehen können.

    Klein: Welche Projekte sind aus Ihrer Sicht gut, sind sinnvoll in Afrika und wären bedroht, wenn die jetzt vorgesehenen Kürzungen in Kraft treten würden?

    Asserate: Es sind in erster Linie Projekte, die mit der besseren medizinischen Versorgung von Afrikanern zu tun haben. Es sind schulische Projekte. Es sind vor allem Landwirtschaftsprojekte, die gerade jetzt von außerordentlicher Wichtigkeit für Afrika sind. Zum Beispiel gibt es die unglaublichen Eigentumsverhältnisse in Afrika, die noch nicht geklärt worden sind. Der afrikanische Bauer lebt heute zum großen Teil von der Subsistenzwirtschaft. Solange das der Fall ist, wird Afrika bestimmt sich nicht selbst ernähren können. Wir brauchen mehr Initiativen für die Bauern. Die Bauern müssen auch das Gefühl haben, dass das Land, was sie bebauen, ihnen gehört.

    Klein: Wir sind ja jetzt bei Problemen, bei Rahmenbedingungen, die Sie nennen, Prinz Asserate, die tatsächlich in der Verantwortung der betroffenen Staaten liegen. Und da ist die Frage, von wo aus kann und sollte mehr Druck ausgeübt werden, denn bisher hat das ja offenbar nicht gefruchtet?

    Asserate: Ja, ich glaube, das muss von der Politik kommen. Die Europäer beziehungsweise der Westen muss auf der einen Seite sagen können, ja, wir sind bereit, euch zu helfen, und der Westen muss dann auch sein Versprechen halten. Aber auf der anderen Seite muss er auch sagen können, weil wir das tun, haben wir auch ein Anrecht darauf, euch zu ermahnen, solche Sachen wie Good Governance und die Menschenrechte aufrechtzuerhalten. Ich glaube, das sind die zwei Pole, die von den Europäern gefordert wurden. Hilfe, auf der anderen Seite aber afrikanische Gewaltherrscher und afrikanische Diktaturen auch sozusagen mit allen politischen Mitteln zu bekämpfen.

    Klein: Und da sind wir genau bei der Frage, sollte man weiterhin Geld der Entwicklungshilfe in solche Staaten fließen lassen, wo eben Diktatoren am Drücker sind und dafür sorgen, dass eben die Kleinbauern weiter in dieser Situation sind, in der sie sind?

    Asserate: Ich bin der Meinung, da muss man unterschiedlich agieren. Auf der einen Seite darf man nicht die Falschen treffen mit einem Embargo zum Beispiel. Das trifft, wir haben das in der Geschichte gesehen, immer die Falschen. Glauben Sie mir, wenn jetzt die europäischen Staaten ein Embargo auf ein irgendein afrikanisches Land setzen würden, wären diejenigen, die am meisten leiden würden, die ganz einfachen Bauern, die Arbeiter, die Kinder und die Frauen.

    Klein: Was ist denn der Ausweg? Sie sagen auf der einen Seite, nicht Embargo, aber dennoch muss Druck auf die Regime ausgeübt werden?

    Asserate: Es muss Druck außerhalb des Embargos, und deshalb sage ich ja, man darf nicht Totalembargo, sondern man könnte damit anfangen, dass man sagt, wir werden Hungerhilfe weiterhin geben für die afrikanischen Länder. Wir werden medizinische Hilfe geben. Aber wir werden eine Zeit lang keine Budgethilfe mehr für Afrika zur Verfügung stellen.

    Klein: Für die Staatshaushalte, meinen Sie?

    Asserate: Für die Staatshaushalte. Das wäre zum Beispiel ein Weg. Aber ich meine, diese Möglichkeiten gibt es ja schon durch NEPAD zum Beispiel, was eine
    Organisation, die schon seit einigen Jahren funktioniert, und wo die Afrikaner selber gesagt haben, wir sind für diese guten Ideen, die wir mit den Europäern zusammen beschlossen haben, und wir werden die Verantwortung übernehmen und solche disziplinären Maßnahmen ergreifen. Man muss nur die afrikanischen Länder daran erinnern und ihnen sagen, jetzt ist es soweit, ihr müsst hier einschreiten.

    Klein: Was ist denn die Ursache dafür, dass man in diesem Prozess, den Sie angesprochen haben, das heißt eben, Entwicklungshilfe zu koppeln an den Anspruch gute Regierungsführung, was ist die Ursache dafür Ihrer Meinung nach, dass man da eben noch nicht so weit gekommen ist, wie das wünschenswert wäre?

    Asserate: Es ist die Tatsache, dass die Europäer in den letzten 30 Jahren eine Außenpolitik gegenüber Afrika hatten, die man einfachheitshalber als Realpolitik bezeichnen kann. Eine Politik, die es seit Henry Kissinger gibt, die da besagt, du kannst der größte Diktatur, der größte Gewaltherrscher auf Gottes Erden sein. Solange du an der Macht bist, kommen wir Europäer, wir Demokraten auf Knien und beten dich an. Das ist natürlich fatal. Es mag vielleicht ein Ausweg gewesen sein für die Europäer in der Zeit, als es noch zwei große Länder gab, die Sowjetunion und Amerika. Und da könnte es vielleicht ein Ausweg gewesen sein. Aber heute ist es absolut kein Ausweg für die Europäer, so eine Politik zu betreiben.

    Klein: Gibt es denn heute noch Beispiele aus Ihrer Sicht, wo es immer noch so läuft, wie Sie es gerade skizziert haben?

    Asserate: Ja, das ist meine Befürchtung, liebe Frau Klein, dass die Zeiten, nach denen es die Sowjetunion jetzt nicht mehr gibt und eine Zeit lang die Europäer sich wirklich darauf spezialisiert haben und gesagt haben, wir brauchen die Menschenrechte, wir brauchen Good Governance und verschiedene andere Sachen, dass seit November des letzten Jahres, befürchte ich, dass wir in der europäischen Politik eine Erneuerung haben werden, wo Sie dann sagen, die Chinesen sind schon so in Afrika drin, dass wir uns nicht mehr leisten können, irgendetwas gegen afrikanische Länder zu sagen, die keine Menschenrechte beachten.

    Klein: Können Sie ein Beispiel nennen für ein Land, wo die Europäische Union oder auch die Bundesregierung sozusagen sich stärker positionieren müsste und die Interessen sozusagen auch der Menschen dort vertreten müsste?

    Asserate: Ja, natürlich Simbabwe liegt uns natürlich sehr nahe. Aber ich muss Ihnen eines sagen, Frau Klein. Was wir brauchen, ist eine gemeinsame europäische Afrikapolitik. Bevor wir das haben, wird uns das Ganze nicht helfen. Wenn die Deutschen zum Beispiel sagen würden, ich werde jetzt dieses oder jenes Land mit politischen Mitteln bekämpfen, dann gibt es dann andere europäische Länder, die dann sagen, das ist genau die Zeit, wo wir die beste Geschäfte mit diesem afrikanischen Land machen werden. Und dann bringt uns das überhaupt nichts mehr.

    Klein: Sie selbst, Prinz Asserate, beraten Unternehmen, die mit Afrika Handel treiben wollen. Welchen Rat brauchen die von Ihnen, welchen Rat geben Sie denen?

    Asserate: In erster Linie muss ich sie überhaupt dazu bringen, in Afrika zu investieren. Und ohne diese europäische Hilfeleistung und ohne europäische Investitionen in der Zukunft werden wir die wirtschaftlichen Probleme Afrikas wahrlich nicht lösen können. Auf der anderen Seite werden mich meine deutschen Investoren fragen, gib mir einen guten Grund, warum ich heute in Afrika investieren soll. Ich gebe ihnen 100 Gründe, die sie aber nicht hundertprozentig befriedigen. Eine große Hilfe wäre, wenn die Bundesregierung mehr Hermes-Bürgschaften für Afrika zur Verfügung stellen würde. Das heißt, ich könnte wenigstens auftreten und sagen, der Totalausfall, wenn du eines Tages verstaatlicht werden solltest, ist geregelt, ist gesichert. Und das ist leider Gottes nicht der Fall. Nur wenige afrikanische Länder können Hermes-Bürgschaften erhalten.

    Klein: Was ja auch wiederum gekoppelt ist an die Justiz und innenpolitischen Systeme dieser Länder?

    Asserate: Natürlich, die Rechtstaatlichkeit muss immer gewahrt werden.

    Klein: Abschließend gefragt, abgesehen von dem Geld, was Ihrer Meinung nach weiterhin auch jetzt fließen muss, was wären wichtige Hilfsmaßnahmen aus Ihrer Sicht vor dem Hintergrund der aktuellen Nahrungskrise, die wir haben?

    Asserate: Ich glaube, dass wir jetzt zum Beispiel aufhören müssen, in Afrika daran zu denken, Bioöl überall anzubauen. Wir brauchen die afrikanischen Agrarflächen dazu, um mehr Lebensmittel für die Bevölkerung zu organisieren. Und da müssten europäische Länder den Afrikanern auch wirklich ein Machtwort sprechen. Denn am Ende des Tages ist es doch so, dass die Afrikaner letzten Endes Biogas produzieren, um es dann zu harten Dollars zu machen und nach Europa zu exportieren. Und wenn dann Europa, wie das auch das BMZ, glaube ich, schon verlangt hat, zu diesem Moment aufhört, diese Biogasinstitutionen zu unterstützen, wäre das schon eine große Hilfe.

    Klein: Ein Gespräch mit dem äthiopischen Unternehmensberater Prinz Assfa-Wossen Asserate.