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Geld für E-Sport
NRW-Regierung hofiert die Gaming-Industrie

Nordrhein-Westfalen profiliert sich als E-Sport- und Gaming-Standort, angetrieben von der schwarz-gelben Landesregierung: Für eine neue Stiftung, die E-Sport-Talente fördern soll, hat die Staatskanzlei 200.000 Euro Startkapital spendiert. Die Branche nimmt das wohlwollend zur Kenntnis.

Von Moritz Küpper |
E-Sportler bei einem Demonstrationswettbewerb während der Dlf-Sportkonferenz 2019
Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen fördert den E-Sport mit drei Millionen Euro pro Jahr (Dlf/Sturmberg)
Das Palais Lindenthal, ein eleganter Altbau, von dessen Dachterrasse sich der Kölner Dom sehen lässt. Ein Notariat hat hier, im Kölner Westen, seinen Sitz. Doch wer links um das Gebäude herumgeht, der steht auf einmal in einer anderen Welt: Computer an Computer stehen hier, im Keller ein Fitnessraum - in der Ecke eine Küche, in der frisch gekocht wird.
"Wir befinden uns in der SK Magenta Facility in Köln, wir haben eine ähnliche Location in Berlin stehen. Das ist unser Leistungszentrum, das ist quasi unsere Säbener Straße", begrüßt Alexander Müller, der Geschäftsführer der "SK Gaming", der wohl bekanntesten deutschen E-Sport-Organisation, an der mittlerweile auch Fußball-Bundesligist 1. FC Köln oder der Autobauer Daimler beteiligt sind. Dicht drängen sich Medienvertreter, Gäste, Menschen aus der Branche. Der Grund: Die Gründung der neuen "esports player foundation", einer Art Sporthilfe für E-Sport-Talente, weshalb auch Nathanael Liminski gekommen ist:
"Als Mann mit Krawatte bin ich unschwer als Vertreter der Regierung erkennbar. Ich vertrete hier heute die Staatskanzlei, den Ministerpräsidenten, der ja bei sich im Haus, aufgrund der Bedeutung der beiden Themen, sowohl das Thema Games, als auch das Thema Sport, vereinigt hat. Und das kommt hier in diesem Projekt, sozusagen perfekt zusammen."
Stiftungsgeld für E-Sport-Nachwuchs
Krawatte trifft Konsole - doch in Nordrhein-Westfalen ist dies keine seltene Begegnung. Denn: Die schwarz-gelbe Landesregierung an Rhein und Ruhr profiliert sich länger als großer Förderer der Gaming- und E-Sport-Szene, gibt nun - bevor Wirtschaftsunternehmen das Ganze später alleine schultern sollen - auch 200.000 Euro Startkapitel, um die neue Stiftung zu gründen:
"Wir sind sehr stolz darauf, dass wir als Köln, als Nordrhein-Westfalen, da weit über die Landesgrenzen hinaus, sozusagen Hauptstandort sind. Nur, dass das so bleibt, bei der Dynamik, die wir im E-Sport sehen, hängt natürlich auch davon ab, ob wir 'Profis' produzieren, generieren, Vorbilder, und damit auch, im Weiteren, wenn man so will, am Ende eine Jugendarbeit auch, die das sozusagen auch tatsächlich in der Sache trägt. Es wird da nicht nur von großen Namen, Firmen und Unternehmen, der Politik, abhängen, sondern letztlich muss es aus dem Sport selber rauskommen. Und dafür ist diese Stiftung ein super Beitrag."
Nathanael Liminski (Chef der NRW-Staatskanzlei und für Medien zuständiger Staatssekretär) mit einem E-Sportler
Fan und Förderer des E-Sport: NRW-Staatssekretär Nathanael Liminski (picture alliance / Günther Ortmann)
Die Politik in NRW ist - auch was die Bedürfnisse der Branche angehen - pragmatisch, weiter als der organisierte Sport, der sich schwer damit tut, E-Sportler in seinen Reihen zu integrieren, wie der CDU-Politiker Liminski, in der Staatskanzlei zuständig für Medien, im Anschluss bekräftigt:
"Wir führen in Deutschland eine intensive Debatte über die Definition von Sport, aber ich glaube, die Realität ist längst weiter. Tausende junge Menschen machen E-Sports und leben da Werte, die auch im traditionellen Sport gelebt werden: Leistungsbereitschaft, Teamfähigkeit, Fitness. Und das sind Dinge, die wir aus unserer Sicht als Beitrag zur Gesellschaft ansehen und es ist gut, dass die E-Players-Foundation den Spieler als Ganzes in den Blick nimmt und damit auch zum Ausdruck bringt: E-Sports ist nicht nur Zocken, sondern E-Sports ist Sport, in dem Sinne, als dass Leistung gebracht werden soll, als dass Exzellenz entwickelt werden soll, als dass gewonnen werden soll und Spitze erreicht werden soll."
Drei Millionen Euro pro Jahr für Gaming-Industrie
Es sind auch diese Töne, die ankommen, in einer Branche, die boomt - und dennoch weiterhin um Anerkennung kämpft, sagt auch der Gründer der E-Sport-Organisation "SK Gaming" und heutige Geschäftsführer der ESL, der Electronic Sports League, Ralf Reichart:
"Für ESL, für uns, erinnere ich mich vor allen Dingen an die Diskussion Ende der 2010er-Jahre - also 2008, 09, 10 - als Computerspielen noch stark in der Kritik war. Als andere Landesregierungen, Bayern insbesondere, aber auch in Baden-Württemberg, schon aktiv gegen das Thema geschossen haben. Da war NRW für uns immer so der Safe-Harbour."
Der sichere Hafen also. In dieser Zeit war der heutige CDU-Ministerpräsident Armin Laschet Jugendminister. Seit seinem Amtsantritt in der Staatskanzlei wurde die Games-Förderung verdreifacht auf nunmehr drei Millionen Euro pro Jahr, eine Entwickler-Konferenz vor der Spielemesse "Gamescom" aufgesetzt, nun eben die "esports player foundation" unterstützt. Für Reichart, seit Jahrzehnten in der Branche, so etwas wie deren Gründervater, steht daher fest:
"Also, NRW steht ziemlich klar im Thema E-Sport auf Platz eins, im Thema Gaming wahrscheinlich auch eins oder zwei. Ich meine, das einzige Bundesland oder dann die Hauptstadt, die dann irgendwo auf Augenhöhe mitsprechen kann, ist Berlin. Alles andere ist meilenweit entfernt. Also insbesondere München, das historisch mal schon so Anfang der 2000er-Jahre das Zentrum der deutschen Games-Industrie war - die ersten großen Publisher waren alle rund um München - hat dann da das Nachsehen."
Lob von Branchenverband und E-Sport-Liga
Manchmal sind es auch Kleinigkeiten, wie beispielsweise ein jährliches Treffen beim Ministerpräsidenten, die Eindruck machen, weiß auch Felix Falk, der Geschäftsführer des Branchen-Verbandes "Game": "Also, dieses Engagement von Nordrhein-Westfalen ist eben auch glaubwürdig, weil es eben langfristig gedacht ist und nicht mal schnell vor einer Wahl, sondern wirklich auch dauerhaft. Ich glaub, beim ersten runden Tisch mit Armin Laschet haben alle noch gesagt: Hm, mal gucken, ob das auch nochmal so in dieser Form geben wird? Aber ja, das ist ein langfristiges Engagement, was auch glaubwürdig ist."
Und sicherlich auch nicht ganz selbstlos, weiß auch ESL-Chef Reichert: "Es geht ja immer um die Distanz zwischen Politik und Gesellschaft. Und wie Gaming haben wir an jeder Ecke die Diskussion: ist in der Mitte der Gesellschaft, Mainstream, größtes Medium. Und dass in NRW die Politik, und das auch schon seit vielen Jahren… - und ich glaube, das ist gut für eine Gesellschaft, wenn die Politik sich mit den Themen der Bürger direkt und nah auseinandersetzt."