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Geld-Illusionen steuern den Markt

Psychologie. – Die Wirtschaft ist eine vermeintlich bis ins Mark rationale Veranstaltung. Diesem Klischee hängen bei Akteuren und Zuschauern viele an. Wie groß jedoch der Einfluss der Irrationalität ist, das hat ein Wirtschaftswissenschaftler aus Dänemark untersucht und in "Science" dargelegt.

Von Mathias Schulenburg |
    Als der Euro die DM ablöste, glaubten viele Deutsche, einen allgemeinen Sprung der Lebenshaltungskosten auszumachen, obwohl die Statistik das nicht bestätigen konnte. Das, sagt Jean-Robert Tyran, Ökonomie-Professor an der Universität Kopenhagen, sei ein allgemeines Phänomen und habe auch damit zu tun, dass die Preise unterschiedlich wahrgenommen würden, häufig würde auch der Nominalwert, der bezifferte Wert des Geldes mit seinem realen Wert, der wirklichen Kaufkraft, verwechselt:

    "”Manche Preise sind einfach viel präsenter als andere. Die Leute merken sich, was ein Bier kostet, oder ein Haarschnitt, aber sie merken sich nicht die Preise für Schnürsenkel oder ihre Autoversicherung. Und wenn der besser sichtbare Preis hochgeht, nehmen die Leute eine Inflation wahr. Solche Wahrnehmungseigenarten sind ein interessantes Forschungsgebiet.""

    Professor Tyran wollte nun wissen, ob und wie solche eher psychologischen Befindlichkeiten einen Niederschlag im Marktgeschehen finden. Zu diesem Zweck arrangierte er Gruppen von Testpersonen für ein Monopoly-artiges Spiel, ein Experiment. Tyran:

    "”Wir versetzen die Leute in die Rolle von Firmeninhabern, die für ihre Produkte Preise festsetzen müssen. Und der Profit, den sie machen, hängt von ihren Preisen und den Preisen der anderen Firmen ab. Und dann setzen wir den Nominalwert ihres virtuellen Geldes herauf beziehungsweise herab, Inflation und Deflation, und sehen uns an, wie sich die Preise nach diesen so genannten monetären Schocks anpassen.""

    Dabei war diesen Spielen ein Dilemma zu eigen, dass sich auch in der wirklichen Welt findet. Tyran:

    "”Das Dilemma kommt dadurch in das Experiment, dass es Anreize gibt, der Mehrheit zu folgen. Also wenn etwa andere Firmen ihre Preise nicht senken, werden Sie sie auch nicht senken wollen, dadurch könnten Sie vielleicht mehr Kunden bekommen, würden aber Gewinne verschenken. Es gibt also den Anreiz, der Mehrheit zu folgen und damit hängt Ihre Handlung stark von Ihren Erwartungen ab, was die Handlungen der anderen Firmen angeht.""

    Ganz wie im richtigen Leben. Auch an der Börse bilden sich Wertfestsetzungen durch Erwartungen, was wohl andere tun und lassen werden, mit teils irrationalen Ergebnissen. Auch in Professor Tyrans Experimenten kämpfte Vernunft mit Widersinn:

    "”Es ist ja eigentlich klar, dass viele Leute den nominalen und den wirklichen Geldwert verwechseln. Was einen Ökonomen wirklich interessiert, ist: ab wann wirkt sich das auf den Markt aus. Und unser Befund ist: manchmal wirkt sich das aus und manchmal nicht. Das Wichtigste dabei: der Ausgang hängt stark davon ab, wie der Anreiz, der Mehrheit zu folgen, beschaffen ist. Wenn man zum Beispiel einen Anreiz hat, gegen den Strom zu schwimmen, dann kompensieren in unseren Experimenten die rational Handelnden den Einfluss der irrational Handelnden so, dass das gemittelte Ergebnis der Entscheidungen so aussieht, als hätten alle rational gehandelt.""

    Nicht einfach zu verstehen, aber deswegen steht es ja auch in "Science". Tyrans und anderer Methodik lässt sich auch zur Analyse des ewigen Auf und Ab im Immobiliensektor heranziehen, die treibende Kraft auch hier: Illusionen über die wahren Kosten. Die Geld-Illusionen seien mitunter von der Art, wie sie ein Autokäufer hat, der glaubt, dass es billiger sei, ein Auto über vier Jahre abzustottern als zwei, weil die monatlichen Raten niedriger sind. Lohneffekte: Wer drei Prozent mehr Lohn erhält, fühlt sich kaufkräftiger auch dann, wenn die Preise gleichzeitig um fünf Prozent gestiegen sind. Dann die Verlust-Aversion: Ein Verlust ruft in der Regel stärkere Emotionen hervor als ein Gewinn in gleicher Höhe. Und alle diese Mechanismen zusammengenommen, hinderten eben auch Immobilienkäufer, rational zu agieren. Im Markt kann es dann zu heftigen Schwankungen kommen, nach oben wie auch – gerade jetzt – nach unten.