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"Geld wird nicht gern gesehen"

Frankreich macht ernst: Alle Kabinettsmitglieder sollen ihre finanziellen Verhältnisse bis Ende der Woche offenlegen. Der Abgeordnete Benoist Apparu (UMP) sieht die Forderung kritisch. Eine Veröffentlichung sorge zwar für Transparenz. Sie könne Politiker aber in ihrer Arbeit behindern.

Benoist Apparu im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Christoph Heinemann: Sollten Politiker Ihre Vermögensverhältnisse offenlegen?

    Benoist Apparu: Ich bin hin- und hergerissen. Eine solche Veröffentlichung der Vermögensverhältnisse kann Transparenz schaffen und zeigen, dass Politiker nichts zu verbergen haben. Aber ich fürchte die Art und Weise, wie mit diesen Angaben umgegangen werden könnte. Dass man Abgeordnete oder Minister in Reiche und Arme einteilt und ihnen ständig ihre Besitzverhältnisse vorhält. Also: Ja zur Kontrolle und zu Sanktionen, aber die Offenlegung der privaten Vermögensverhältnisse halte ich für zu gefährlich.

    Heinemann: Gesundheitsministerin Marisol Touraine hat mitgeteilt, dass ihre Steuern aufgrund eines privaten Vermögens von 1,4 Millionen Euro berechnet werden, soviel sind ihre Immobilien wert. Ist das nicht ein Zeichnen von Transparenz, also auch von Vertrauen?

    Apparu: Diese sind Zeichen von Transparenz und Vertrauen. Aber Frau Touraine könnte damit auch Schwierigkeiten bekommen. Was passiert, wenn sie morgen mit einer Gewerkschaft über Armut verhandelt, und die Gewerkschaft ihr ihr Vermögen vorhält und sagt: Du kannst gar nicht mitreden, du bist reich. Worum geht es heute in Frankreich? Sind alle Politiker betroffen, oder ist das nicht das Problem von Herrn Cahuzac? (Jérôme Cahuzac, ehem. Haushaltsminister Frankreichs, Anm. der Redaktion) Das Problem besteht nicht in einer allgemeinen Korruption aller französischer Politiker. Es haben nicht alle gemogelt und gelogen. Das hat Herr Cahuzac getan. Wenn alles veröffentlicht wird, werden diejenigen, die lügen wollen, auch weiterhin lügen. Dadurch ändert sich an der Affäre Cahuzac überhaupt nichts.

    Heinemann: Wieso gilt in Frankreich der Besitz von Geld als schlecht oder moralisch unkorrekt?

    Apparu: Das ist ein kulturelles Problem in Frankreich. Geld wird nicht gern gesehen, wer reich ist, wird sofort als Betrüger verdächtigt. Auch deshalb fürchte ich die Offenlegung. In anderen Ländern gilt eine andere Kultur: Wer Geld besitzt, war erfolgreich und ist gut. Wenn man in Frankreich Erfolg hatte und es zu einem Vermögen gebracht hat, gilt man nicht unbedingt als gut. Ein Grund mehr, mit der Offenlegung sehr vorsichtig zu sein.

    Heinemann: Ist das auch eine Reaktion der Ablehnung auf die Amtszeit von Nicolas Sarkozy, der den Reichen ja sehr nahe stand?

    Apparu: Das behaupten Sie, dass er ihnen sehr nah stand. Diese Kultur, von der ich gesprochen habe, gab es vor Nicolas Sarkozys Amtszeit, und es war nicht Nicolas Sarkozy, der dafür gesorgt hätte, dass die Franzosen Reichtum verabscheuen. Das hieße, die Wahrheit zu karikieren.

    Heinemann: Sarkozy ist bis heute mit den Unternehmern Lagardère und Bolloré befreundet …

    Apparu: Weil man mit reichen Leuten befreundet ist, heißt das nicht, dass man die Reichen begünstigt. Wegen solcher Verkürzungen fürchte ich die Offenlegung der Besitzverhältnisse. So werden Dinge leider nur vereinfacht.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

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