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Gelddrucken auf offener Bühne

Schwarzbank – Kohle für alle" heißt das Stadtprojekt in Oberhausen, das zwei Wochen lang eine Parallelwährung in Umlauf bringt: Kohle. Bis Ende März kann man bei über 70 Geschäftspartnern in der Stadt mit Kohlen bezahlen. Die kann man nicht gegen Euro tauschen, sondern muss eine Tätigkeit als Gegenleistung anbieten.

Von Charlotte Grieser |
    "Es regnet Geld!"

    Das Oberhausener Theater ist brechend voll, und die Begeisterung ist unüberhörbar: Von der Decke des Saales regnet es Fünf-Euro-Scheine. Alle schnappen danach. Denn:

    "Wir wollen alle Banker werden!"

    Die Stadt Oberhausen ist pleite. Und deshalb druckt das Performance-Netzwerk "geheimagentur" in Zusammenarbeit mit dem Theater und dem Kulturamt Oberhausen einfach sein eigenes Geld: die Kohle. Bis Ende März kann man bei über 70 Geschäftspartnern in der Stadt mit Kohlen bezahlen.

    Die Idee zu der neuen Währung, die nur vor Ort gilt, hat die "geheimagentur" aus Brasilien. In Fortaleza im Nordosten des Landes gibt es im Viertel Palmeiras die Banco Palmas, die ihre eigene Währung herausgibt. Zwei der brasilianischen Banker sind extra nach Oberhausen gekommen. Francisco Givanilson Holanda erklärt das Konzept der lokalen Währung:

    "Sie stärkt die lokale Wirtschaft. Deshalb haben wir unsere eigene Währungen geschaffen, um unsere Bewohner zum lokalen Konsum zu bewegen, zum ethischen Konsum, denn wenn man in der Nachbarschaft konsumiert, schafft man Einnahmen, und wenn man Einnahmen schafft, schafft man mehr Arbeitsplätze. Wir wollen eine solidarische Wirtschaft. "

    Den "geheimagenten" geht es aber nicht nur darum, die lokale Wirtschaft zu stärken.

    "Oberhausen ist ja die verschuldetste Stadt Deutschlands. Wir wollten eine andere Form von Kredit haben und wir wollten natürlich auch eine Diskussion über Werte haben. Was ist eigentlich was wert? Warum ist das so, dass ich jeden Morgen mein Kind zum Kinderladen bringe und niemand zahlt mir das? Also: Welche Form von Arbeit ist eigentlich was wert in einer Gesellschaft?"

    Auf offener Bühne beginnt der Gelddruck, und dann können sich die Besucher Kohlen abholen - und sie gleich wieder ausgeben. Aber hält die Währung auch dem Praxistest stand? Drei Tage später haben sich in der Filiale der Schwarzbank schon über 100 Oberhausener einen Mikrokredit abgeholt. Denn Kohlen kann man nicht gegen Euro tauschen, sondern man bietet eine Tätigkeit als Gegenleistung an. Das kann alles mögliche sein:

    " Wir erklären den Leuten immer drei Felder vielleicht, also entweder es ist was, was du jeden Tag tust, sowieso tust, tun musst, was aber nie jemand bezahlt. Oder es ist etwas, von dem du findest, dass es endlich mal getan werden sollte, aber niemand tut's. Oder es ist etwas, was du für dich tun müsstest, also Selbstsorge sozusagen."

    Und die Bürger haben Ideen.

    "Ich würde gerne ein Schreibcafé machen."
    "Neben uns ist so ein kleines Grundstück, da fängt der Wald an, und da werden immer so einige Sachen entsorgt."
    "Und da wollen Sie aufräumen?"
    "Da würde ich aufräumen, ja."
    "Ich bin alleinerziehende Mutter von sechs Kindern, und ich bin ja 24 Stunden am Arbeiten."
    "Ja, ich habe mich dazu durchgerungen meine Steuererklärung bis Freitag fertig zu machen."
    "Ich wasch gleich die Wäsche meiner Mutter ausm Altenheim."
    "Ich geh einkaufen für einen älteren Herrn."
    "Dafür, dass ich für die Schule lerne."

    Die Idee kommt an. Und die Oberhausener kommen in die Schwarzbank und holen sich ihre Kohle ab. Kohle für alle.

    "Ich finde die Währung Kohle sollte für ganz Deutschland eingeführt werden."
    "Wenn der Euro im Mai kaputt geht, dann haben wir wenigstens Kohle!"

    Und wenn das Experiment der "geheimagenten" und des Theaters weiterhin so gut läuft, soll es auch weiter Kohle in Oberhausen geben, findet der Kulturdezernent der Stadt, Apostolos Tsalastras:

    "Also ich kann mir sehr gut vorstellen, dass es vielleicht nicht als Alternativ- und Regionalwährung funktioniert, aber vielleicht im Sinne eines Gutscheinsystems für ehrenamtliche Arbeit oder für Kulturinstitute, für Leute die sich vielleicht Kultur nicht leisten können. Also sowas in die Richtung könnte auch passieren, aber das müssen wir uns jetzt mal angucken."