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Geldpolitik
EZB will wohl massenhaft Staatsanleihen kaufen

Im Euroraum schwächelt die Wirtschaft, die Preise sinken: Damit der Patient nicht depressiv wird, will ihn die Europäische Zentralbank wohl mit dem Kauf von Staatsanleihen fitspritzen. Die Notwendigkeit und die Wirkung halten Ökonomen für umstritten. Bayerns Finanzminister Söder warnt im DLF vor "gefährlichen Nebenwirkungen".

    Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB)
    Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) (dpa / Arne Dedert)
    Auf dem ersten geldpolitischen Treffen des EZB-Rats in diesem Jahr wird eine Entscheidung für ein Kaufprogramm von Staatsanleihen im dreistelligen Milliardenbereich erwartet. Mit dem weiteren Öffnen der Geldschleusen nach dem Vorbild der USA soll ein Abrutschen der Wirtschaft in eine Depression abgewendet werden. Einige Ökonomen sprechen bereits von ersten Anzeichen einer Deflation und verweisen auf die gut gefüllten Lager etwa beim Rohöl, eine insgesamt gedrosselte Produktion und eine magere Konjunktur, selbst in den starken Wirtschaftsnationen wie Frankreich. Für Italien wird in diesem Jahr ein Minuswachstum erwartet. Vertreter beider Länder unterstützen das EZB-Kaufprogramm beim Weltwirtschaftsforum in Davos als Maßnahme zur Ankurbelung der Konjunktur.
    Für die Bundesregierung: eine Chance
    Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte in Davos, "dass die europäische Politik insgesamt der Europäischen Zentralbank die Aufgabe, Wachstum und Beschäftigung zu stimulieren, nicht allein überlassen darf". Die Bundesregierung - bisher ein entschiedener Gegner der Anleihenkäufe - sei der Überzeugung, dass das Programm der EU-Kommission für Milliarden-Investitionen eine Chance bietet, Strukturreformen und Wachstumsinitiativen miteinander zu verbinden. "Es ist allerdings wichtig, dass die Strukturreformen auch tatsächlich stattfinden."
    Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) beim Weltwirtschaftsforum in Davos.
    Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) beim Weltwirtschaftsforum in Davos. (dpa / picture-alliance / Laurent Gillieron)
    Am frühen Nachmittag hält Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Davos eine Rede zu Herausforderungen der digitalen Revolution. Ob sie dabei auf die EZB-Entscheidung eingeht, wird in Davos mit Interesse beobachtet.
    Für Börsianer: eine ausgemachte Sache
    An der Börse gilt die neuerliche Geldspritze der EZB schon als ausgemachte Sache. Der Handlungsdruck für EZB-Präsident Mario Draghi ist hoch: Im Euro-Währungsgebiet waren die Lebenshaltungskosten zuletzt um 0,2 Prozent gefallen. Die EZB strebt aber mittelfristig eine Inflationsrate von knapp zwei Prozent an. Das schärfste Schwert der EZB ist in normalen Zeiten der Leitzins. Dieser liegt aber seit längerem bereits bei 0,05 Prozent. Damit ist die Waffe praktisch stumpf geworden. Die EZB wird laut Borsianern vor allem aus drei Gründen gegensteuern.
    • Nach Einschätzung von Unicredit-Volkswirt Marco Valli wird die Inflationsrate im Euroraum dieses Jahr im Schnitt bei minus 0,5 Prozent liegen.
    • Der Internationale Währungsfonds traut dem Euroländern nur 1,2 Prozent Wachstum in diesem Jahr zu. Ein Grund ist die schwache Kreditvergabe: Kauft die EZB den Banken nun mit frischem Zentralbankgeld Schuldscheine ab, haben die Institute neuen Spielraum, die Mittel in Form von Krediten an Unternehmen und Verbraucher weiterzugeben.
    • Das milliardenschwere Programm dürfte den Euro schwächen. Ein schwacher Euro hilft europäischen Exporteuren, weil ihre Autos oder Maschinen auf den Weltmärkten günstiger werden.
    Den Kauf von Staatsanleihen betreibt die EZB schon seit einiger Zeit:
    Wert der Staatsanleihen, die die EZB seit Mai 201 gekauft hat
    Wert der Staatsanleihen, die die EZB seit Mai 201 gekauft hat (picture-alliance / dpa-Grafik)
    Das Niveau der neuen Anleihenkäufe wird Berichten zufolge die bisherigen Maßnahmen in den Schatten stellen: Die Rede ist von bis zu 600 Milliarden Euro jährlich. Im Raum ist auch der unbegrenzte Ankauf von Staatsanleihen.
    "Die Risiken werden wieder stärker"
    Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) kritisiert die Geldpolitik der EZB. Sie "kommt nicht mehr zum Ergebnis", sagte Söder im Deutschlandfunk. Die EZB beschwöre dieselben Risiken, "die uns schon einmal in extremste Turbulenzen gebracht haben". Die geplanten Maßnahmen seien eher "Medikamente mit gefährlicher Nebenwirkung als eine ernsthafte Therapie", sagte der Finanzminister. "Jetzt erneut einzusteigen in ein 500-Milliarden-Karussell, billiges Geld auf den Markt zu schmeißen, führt ja nicht dazu, dass der Reformdruck schneller wird, besser wird, dass mehr geleistet wird, sondern dass eher nachgelassen wird", sagte Söder "Ein Nachlassen der Reformen wird von den Märkten am Ende negativ goutiert." Eine Staatenfinanzierung gehöre nicht zum Mandat der Zentralbank.
    Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) Landtag in München.
    Der bayerische Finanzminister Markus Söder, CSU (picture alliance / dpa / Peter Kneffel)
    (sdö/swe)