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Geldsegen für die Geisteswissenschaften

Das Bundesbildungsministerium will mit einem neuen Rahmenprogramm die Internationalisierung der Geisteswissenschaften fördern. Unter anderem sollen fünf interdisziplinär forschende Kollegs in verschiedenen Weltregionen eingerichtet werden.

Von Jürgen König |
    380 Millionen Euro - eine Menge Geld. Ein Weihnachtsgeschenk der Bundesbildungsministerin Schavan? An die Philosophen, Historiker, Soziologen, die sich mitsamt ihrer geisteswissenschaftlichen Tradition in den letzten Jahren immer exzellent vernachlässigt fühlten vor lauter "High-Tech-Strategie" der Bundesregierung?

    "Nein, kein Weihnachtsgeschenk. Wir wollen mit einem Rahmenprogramm auch deutlich machen, wie stark diese Tradition in Deutschland weitergeführt wird - verbunden mit dem Wunsch, dass eben auch international wieder klar wird: Forschung besteht nicht nur aus technologischen Entwicklungen. Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften brauchen einander, sind aneinander interessiert - und das soll mit dem Rahmenprogramm auch öffentlich deutlich herausgestellt werden."

    Kein Weihnachtsgeschenk, aber eine Überraschung. Kai Gehring von den Bündnis-Grünen:

    "Wir waren etwas überrascht, denn noch vor einem Monat hat die Koalition bei den Beratungen zum Bundeshaushalt einer umfassenden Stärkung der Geisteswissenschaften eine Absage erteilt. Aber es ist gut, dass jetzt mit diesem Programm Schwung aufgenommen wird zur Bewältigung hochkomplexer sozial-ökologischer Problemlagen, weil man eben dieses transdisziplinäre sozial-ökologische Wissen aus der Forschung braucht."

    Auch für Ernst-Dieter Rossmann von der SPD kam das "Rahmenprogramm" unerwartet:

    "Wir waren freudig überrascht. Weil wir als Sozialdemokraten schon immer drauf gedrungen haben, dass die Geistes-, Sozial und Kulturwissenschaften parallel zur Entwicklung der übrigen Wissenschaften und deren Forderungen ganz nach vorne gestellt werden müssen. Und von daher ist das für uns eine positive Nachricht."

    Mit der Hälfte der 380 Millionen Euro will Annette Schavan das weiterführen, was schon gut funktioniert. Die Käte-Hamburger-Kollegs zum Beispiel, die interdisziplinär forschen und die Verbindungen zu geisteswissenschaftlichen Forschungsprogrammen im Ausland suchen. Mit den anderen 190 Millionen Euro sollen - unter anderem - fünf vergleichbare Kollegs in Asien, Süd- und Mittelamerika und in Afrika eingerichtet werden.

    "Wir wollen Orte schaffen, in denen die Geistes- und Kultur- und Sozialwissenschaftler international arbeiten, Freiraum bekommen, Zeit bekommen, internationale Begegnung - weil natürlich das Rahmenprogramm in Deutschland auch einen Beitrag leisten soll zur Stabilisierung der Geisteswissenschaften international. Nicht überall gibt es die Tradition wie in Deutschland. Und ich finde, unsere Tradition verpflichtet uns, Sorge dafür zu tragen, dass das nicht als historisches Relikt angesehen wird, sondern auch starke Entfaltungsmöglichkeiten heute da sind."

    Das Vorbild der geplanten Einrichtungen ist das "Wissenschaftskolleg zu Berlin". Etwa 40 "Fellows" aus verschiedenen Ländern und verschiedenen Fächern leben dort zusammen. Der Archäologe Luca Giuliani führt das Haus; er wird auch das Konzept für die ausländischen Kollegs erarbeiten. Den Begriff "Geisteswissenschaften" finde er "nicht sehr interessant", sagte er mal in einem Interview - er sei doch nur als "Kampfbegriff" gegen die Naturwissenschaften eingeführt worden.

    "Ich glaube, dass eine wesentliche Aufgabe in unseren Fächern darin besteht, sich gegenüber der Naturwissenschaft zu öffnen und, wenn man es vielleicht ein bisschen polemisch sagen darf, auch die Naturwissenschaft ein wenig zu unterwandern: indem man die Naturwissenschaft über ihre eigene Geschichte aufklärt. Denn die Geschichte der Naturwissenschaft ist, wenn Sie so wollen, ein geisteswissenschaftliches Phänomen."

    Den "Herbergsvater der modernen Wissenschaft" hat man Luca Giuliani schon genannt. Hoffentlich hat er denn auch genug Raum in der Herberge.