Fünf schwer bewaffnete Männer sind auf dem Foto zu sehen, ihre Gesichter maskiert mit Sturmhauben und schwarzen Tüchern. Das Bild gehört zu einem Artikel der Deutschen Welle, in dem es um Waffenlieferungen an den so genannten Islamischen Staat geht. Und tatsächlich: Wer genau hinschaut, erkennt auf zwei Mützen IS-Logos samt Schriftzug.
Mokhmad A. aus Bayern teilte den Artikel letztes Jahr auf Facebook. Dafür und für das Posten zweier Videos hat ihn das Amtsgericht Augsburg nun zu einer Geldstrafe verurteilt. Der IS ist in Deutschland seit 2014 verboten, dementsprechend steht auch das Verbreiten seiner Symbole unter Strafe. Die Deutsche Welle, die das Foto online stellte, habe sich hingegen nicht strafbar gemacht. Julian Küffer, Pressesprecher am Amtsgericht Augsburg, erklärt diese Entscheidung des Gerichts so:
"Es hat hier gesagt, dass die Presse von der Pressefreiheit geschützt ist sozusagen und deswegen den Straftatbestand dann nicht erfüllt. Und der normale Leser oder der normale Bürger, der einen solchen Artikel aber dann weiterverbreitet, der macht sich entsprechend strafbar."
"Frage muss juristisch geklärt werden"
Der Fall Mokhmad A. lässt einige Fragen offen. So ist zum Beispiel nichts von weiteren Ermittlungsverfahren bekannt, obwohl auch andere Nutzer den Deutsche-Welle-Artikel geteilt haben. Es geht aber auch um ein ganz grundsätzliches Problem. Verteidigerin Johanna Künne befürchtet, dass alle Nutzer, die Presseinhalte mit verbotenen Symbolen teilen, kriminalisiert werden könnten. Noch sei die Rechtslage unklar, sagt sie.
"Ich denke aber, dass diese Frage unbedingt geklärt werden müsste. Selbst wenn es jetzt am Ende dazu kommt, dass es verboten sein soll, dann haben sich ja schon zig Leute strafbar gemacht. Aber ich finde das schwierig, weil für mich ist das vor allem ein Ding der Meinungsfreiheit, dass man eben bestimmte Presseartikel teilen darf, verlinken darf, andere darauf aufmerksam machen darf, ohne dass man sich strafbar macht."
In einem ähnlichen Fall hatte ein Musiker der Münchener Philharmoniker einen Artikel des Bayerischen Rundfunks gepostet. Auf dem dazugehörigen Foto war eine verbotene kurdische Fahne zu sehen. Das Verfahren gegen ihn wurde allerdings eingestellt. Thomas Repka, Anwalt für Medienrecht in Hamburg, hofft nun auf eine schnelle Entscheidung einer höheren Instanz.
Weitreichende Folgen des Urteils
"Aus meiner Sicht ist das jetzige Urteil unbefriedigend, weil es erst mal Angst unter Social-Media-Nutzern verbreitet und dass das jetzt so entsteht, ist sicherlich nicht Absicht des Gesetzes gewesen. Gegebenenfalls muss man da auch noch mal drüber nachdenken, ob hier über eine Gesetzesänderung man da Rechtsklarheit schaffen kann. Auf jeden Fall wäre aber auch eine klare Linie des nächsthöheren Gerichts zu der Frage hilfreich. Aber wie das ausgeht, lässt sich tatsächlich nur schwer prognostizieren, da es bisher kaum Fälle gibt, die ähnlich sind oder vergleichbar sind."
Wenn die höheren Instanzen die Augsburger Entscheidung stützen würden, hätte das weitreichende Folgen. Ermittler müssten womöglich Hunderten von geteilten Links nachgehen, sobald ein Pressefoto verbotene Symbole zeigt. Denkbar wäre auch, dass Medien entsprechende Bilder kennzeichnen und vor dem Teilen warnen. Die Deutsche Presseagentur, von der das IS-Foto stammt, weist auf Anfrage des Deutschlandfunks darauf hin, dass sie alle Bilder auf strafrechtlich relevante Inhalte prüfe:
"Sollten solche Fotos verbotene Symbole zeigen, prüfen wir, ob die journalistische Verwendung im konkreten Kontext zulässig ist. Ist dies der Fall, senden wir die Bilder und weisen auf den Kontext im mitgesendeten Begleittext hin."
Technische Lösung könnte helfen
Auch eine technische Lösung könnte helfen. Medienanwalt Repka hält es für möglich, dass beim Teilen das Beitragsbild nicht automatisch mit veröffentlicht wird, sondern nur der Link.
"Aber auch da ist das sicherlich keine befriedigende Lösung für eine Kommunikation in sozialen Netzwerken, an die sich viele Menschen eben auch so gewöhnt haben, wie sie bisher ist. Aber an sich die Gesetze da, die gelten auch im Netz. Diesen Widerspruch haben wir in vielen Bereichen, wo das Ganze nicht so richtig zusammengepasst und das Gesetz oder der Gesetzgeber ist immer hinterher und muss dann auch Gesetzesänderungen machen. Aber das gesetzgeberische Ziel, dass solche Symbole nicht verbreitet werden oder nur in einem gewissen Kontext, der ist sicherlich nachvollziehbar und der sollte auch so bestehen bleiben."
Wie die Justiz den Widerspruch zwischen dem Grundprinzip sozialer Netzwerke einerseits und dem Kennzeichenverbot andererseits löst, bleibt abzuwarten. Mokhmad A. hat wenig Verständnis für das Urteil, wie seine Anwältin berichtet. Sie hat bereits Rechtsmittel eingelegt.