Ein Mädchen mit weißem Kopftuch beugt sich über ein Lesebuch, zwei Jungen lassen einen Drachen steigen, den sie aus Plastikfolie gebaut haben, ein alter Mann und ein Kind hören lachend Musik aus einem MP3 Player. Anja Niedringhaus hatte einen Blick für solche Glücksmomente. Als Fotoreporterin reiste sie immer wieder nach Afghanistan, um den Krieg und das Leben der Menschen zu dokumentieren.
"Wenn ich nicht hingehen würde, würden vielleicht viel weniger Leute darüber berichten. Ich versuche, den Blick zu streuen, so weit es geht: nach vorn zu gucken, hinten, rechts, links", so beschrieb Anja Niedringhaus in einem Interview vor vier Jahren ihre Motivation. Viele ihrer Bilder sind heute weltberühmt – der Soldat mit der Spielzeugfigur am Rucksack zum Beispiel oder der Junge im Kettenkarussell, der mit seinem Plastikgewehr auf den Betrachter zielt. Auch diese Fotos sind in der Ausstellung zu sehen.
"Je mehr man sich mit den Bildern beschäftigt, desto mehr sieht man, wie intensiv sie in Kontakt war mit den Menschen, die sie porträtiert. Anja Niedringhaus war eben nicht nur diese Kriegsfotografin für den Moment, sondern hat über lange Zeit mit den Menschen dort vor Ort gearbeitet." Katharina Mouratidi von der Gesellschaft für humanistische Fotografie hat die Ausstellung zusammengestellt - 130 Bilder, durch die man nicht nur das Land kennenlernt, sondern auch die Arbeitsweise der Fotografin. Sie war immer nah am Geschehen, begleitete Kampfeinsätze, aber reiste auch durchs Hinterland.
"Natürlich habe ich Angst. Eine lebenserhaltende Angst, ist unwahrscheinlich wichtig. Sonst würde man sich überschätzen." Trotz aller Vorsicht wurde Anja Niedringhaus im vorigen Jahr in Afghanistan erschossen. Die zweite Ausstellung, die im Willy-Brandt-Haus zu sehen ist, zeigt Fotos und Filme von Lela Ahmadzai. Die junge Multimediajournalistin stammt aus Afghanistan, lebt aber in Deutschland. Sie reist regelmäßig in ihre Heimat zurück, um das Leben von Frauen zu dokumentieren. Vier von ihnen hat sie für die Ausstellung ausgewählt.
"Weil ich anhand dieser Frauen sehr gut zeigen kann, wie das Land auf und ab geht. Das war während der Russenzeit so, dann kamen die Taliban, haben der ganzen Welt gezeigt, wie Frauen unterdrückt werden. Während der Russen durften die zur Schule gehen. Da gab es mehr Schulen, als jetzt oder mehr Lehrerinnen, Ärztinnen, Psychologinnen, bis zur Ministerin. Das gab es alles damals. Ich habe gesehen, wie das alles wegfällt. Unter den Taliban haben die Frauen am meisten gelitten. Anhand der Frauen kann man sehr schön diese Entwicklungen in Afghanistan, was politisch passiert ist, zeigen."
Lela Ahmadzai porträtiert in Bildserien und kurzen Videos eine Bäckerin, eine Politikerin, eine Sängerin und eine Polizistin. Die Polizistin begann ihre Karriere schon während der sowjetischen Besatzungszeit. Vor den Taliban musste sie fliehen, doch 2001 kehrte sie zurück. Heute ist sie Direktorin der Kriminalpolizei in Kabul. Außerdem leitet sie eine Filmproduktionsfirma. Lela Ahmadzai begleitete sie bei den Dreharbeiten für einen Krimi.
"Dieser Film ist kein weit hergeholter Spielfilm, sondern er ist ein Propagandafilm: Wie kann man Polizisten dazu bringen, dass die Bevölkerung sie mögen und denen vertrauen. Wie schafft man Korruption weg? Die Filmsets sind gar nicht großartig geplant oder hingestellt. Die Schauspieler, die dort sind, sind reale Soldaten. Die Waffen sind echt und geladen während des Spielfilms."
In der Ausstellung sieht man, wie die Saba Sahar mit herrischen Bewegungen schwer bewaffnete Männer hin und her schickt. "Sie hat auch mit dem General einen Streit gehabt, weil er nicht wollte, dass eine Frau die Männer dirigiert. Das ist vor den Augen meiner Kollegen und mir stattgefunden, wo er seine Macht demonstriert hat und sie wegdrücken wollte, weil sie so dirigieren kann und es schafft, sich durchzusetzen."
Saba Sahar erfährt Bewunderung, erhält aber auch Morddrohungen. Frauen, die in der afghanischen Gesellschaft eine aktive Rolle spielen, leben gefährlich. Drei der vier Frauen, die Lela Ahmadzai in ihrer Porträtserie vorstellt, haben Leibwächter. Doch die Gesellschaft ist im Umbruch. "Die Kinder gehen zur Schule. Die Frauen haben gemerkt, dass die ein bisschen mehr erreichen können. Zum Beispiel haben fast 90 Prozent der Frauen ein Handy in Afghanistan, obwohl nur 80 Prozent lesen und schreiben können. Also: die sind die Hoffnung."
Afghanistan sei trotz der Gewalt, die dort immer wieder aufflammt, kein hoffnungsloses Land, sagt Lela Ahmadzai. Die internationalen Truppen dürften aber auf keinen Fall abgezogen werden. Wenn die Taliban wieder an die Macht kämen, hätten die Frauen, die sie in ihren Fotos und Videos porträtiert, kaum eine Chance.