Ist Rassist, wer Rassismus abbildet? Wer einen Schwarzen malt, dem eine Gruppe von Weißen einen schweren Ziegelstein in Richtung Kopf schleudert; die ihn am Arm festhält, damit er nicht fliehen kann? Zwischen ihnen steht eine Ampel, die die Tat legitimiert: Ganz oben leuchtet ein ebenfalls schwarzes Gesicht grün. Die beiden Köpfe darunter – der eines Menschen aus Asien und eines offenbar politisch engagierten dritten – sind gerade nicht an. Die deutsche Ampel kann aber jederzeit umspringen. Es geht ganz grundsätzlich um willkürliche gewalttätige Ausgrenzung.
Georg Herold hat dieses Bild 1981 gemalt – in jenem Jahr, in dem das Münchner Sinus-Institut eine Studie veröffentlichte, nach der 13 Prozent der damals westdeutschen Wahlbürger "ein ideologisch geschlossenes rechtsextremes Weltbild" hatten. Die Hälfte von ihnen sympathisierte mit Gewalt und Terror. Im gleichen Jahr behaupteten 15 deutsche Hochschulprofessoren eine angebliche "Unterwanderung des deutschen Volkes" und eine angebliche "Überfremdung" der deutschen Sprache, der Kultur und des "Volkstums" – was immer das sein sollte. Mit diesem "Heidelberger Manifest" sollten Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zum ersten Mal seit 1945 eine wissenschaftliche Legitimation erhalten.
Zeitgeschichtliches Dokument
Dies war das Klima, in dem Georg Herold sein Bild malte: Ein Maler, dem es immer darauf ankam, die Gesellschaft pointiert, roh, schnell und manchmal auch in leider stereotyper Symbolik so darzustellen, wie er sie sieht. Sein Gemälde im Frankfurter Städel-Museum ist deshalb nicht nur ein Kunstwerk. Es ist auch ein zeitgeschichtliches Dokument, das mit ästhetischen Mitteln deutsche Geschichte in einem schrecklichen Aspekt festhält, der bis heute geblieben ist und gerade wieder – zurecht – intensiv diskutiert und bekämpft wird: menschenverachtender Rassismus, der auch den Tod in Kauf nimmt.
Rassismusvorwurf absurd
Herold nun, wie es in den sogenannten sozialen Netzwerken geschieht, eben diesen Rassismus vorzuwerfen, ist so absurd wie die Forderung nach Abhängung des Bildes geschichtsvergessen ist. Und der Kampagne gegen den Maler persönlich, auf die das Städel bislang eher angstvoll reagiert, fehlt – bei aller Sensibilität für das Thema – die Legitimation. Sinnvoll wäre allerdings, dem Werk neben Erläuterungen auch Bilder an die Seite zu stellen, auf denen nicht-weiße Menschen ihren Blick aufs Thema und auf die Gesellschaft wiedergeben. Und wenn das Städel solche Bilder nicht hat, wäre wichtig, auch diese Fehlstellen zum Thema zu machen.
Problematischer Titel des Gemäldes
Und dann ist da noch der Titel des Bildes – mit dem vermeintlichen N-Wort, das tatsächlich aus dem kollektiven Wortschatz gestrichen gehört: "Brick negro" ist allerdings auch der Name einer in den 80ern bei stolzen Eigenheimbesitzern beliebten dunklen Natursteinsorte. Sie stammt unter anderem aus Ländern, in denen "negro" – vom lateinischen "niger" kommend – vor allem die Farbe Schwarz meint. Herold, der schon in den 1970er-Jahren mit Latten und Ziegelsteinen – Englisch "bricks" - gearbeitet hat, hat den Markennamen des Steins mit der für ihn typischen Ironie als Titel für sein Bild mit einem schwarzen Menschen verwendet, der mit einem Stein angegriffen wird. Das war für schwarze Menschen schon 1981 verletzend und zynisch – und ist es heute erst recht. Rassistisch gemeint aber – das weiß, wer Georg Herold und sein Werk kennt, - war er mit Sicherheit nicht. Wichtig ist aber nicht allein die Absicht, sondern auch die Wirkung. Und über die haben nur die Betroffenen selbst zu urteilen. Manchmal ändern Maler ihre Bilder noch nach Jahren – warum sollte das nicht auch bei einem Bildtitel möglich sein?