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Gemäldegalerie Berlin
Raffaels frühe Madonnen

Maria mit dem Kind wirkt beim Renaissance-Maler Raffael stets aus dem Leben gegriffen. 2020 ist der 500. Todestag des Künstlers. Die Gemäldegalerie zeigt eigene Madonnenbilder und Leihgaben. Für die preußischen Museen erfüllte Raffaels Kunst einen Bildungsauftrag.

Von Carsten Probst |
Die Madonna Tempi ist ein Gemälde von Raffael (1483-1520) aus dem Jahr 1508. Alte Pinakothek, Bayerische Staatsgemaldesammlungen.
Raffaels "Madonna Tempi" ist in der Alten Pinakothek München, nicht in Berlin (imago images / Leemage)
"Jede Zeit wirft ihren eigenen Blick auf Raffael und schafft dadurch auch eine eigene Interpretation. Und das ist eben das, was museale Inszenierung macht, und ich wollte diese verschiedenen Blicke auf Raffael erstmal darstellen mit historischen Fotografien, mit unserer Publikation, und damit einen reflektierteren Blick auf Raffael heute erlauben", sagt Alexandra Enzensberger, die Kuratorin der kleinen Ausstellung mit frühen Madonnen-Bildnissen Raffaels, die die Berliner Gemäldegalerie buchstäblich mit viel historischem Kolorit präsentiert.
Raffaels besondere Rolle in der Gemäldegalerie
In einem Kabinett mit "festlichem Rot und Gold", wie es Karl Friedrich Schinkel für das von ihm erbaute Königliche Museum Unter den Linden, das heutige Alte Museum, vorgesehen hatte, bildet das große Tondo der Madonna Terranuova von circa 1505 den Blickfang gleich gegenüber dem Eingang zur Ausstellung - so wie es schon im 19. Jahrhundert stets die zentrale Position in der Präsentation einnahm. Knapp 1200 Gemälde wählte der damalige Direktor der Gemäldegalerie, Gustav Friedrich Waagen 1827 für die Sammlungspräsentation im Museumsneubau aus, Schinkel entwarf die Rahmen, und Raffael kam nach Ansicht beider eine besondere Rolle zu, so Alexandra Enzensberger. "Und sie sagen: Der Geist Raffaels sei besonders geeignet, das Publikum, und das ist jetzt das neue Ziel, anzulocken, zu verführen mit Schönheit und dann auf den richtigen Bildungsweg zu bringen. Man kennt ja dieses Diktum `Erst erfreuen, dann belehren´ von Schinkel natürlich, ganz berühmt, und Raffael war da der Künstler per excellence, und vielleicht war es dann gar nicht so wichtig, ob es verschiedene Werke Raffaels waren, oder ob es Madonnen waren."
Stargast ist die "Nelken-Madonna"
Raffael als Verführer und Erzieher im preußischen Bildungswesen - so wurde er mehrfach uminszeniert, bei der Überführung in das 1904 eröffnete Bodemuseum wurde Schinkels klassizistische Rahmung gegen eine historisierende Renaissance-Rahmung ersetzt, um dem Publikum die Immersion in die alte Kunstgeschichte zu erleichtern. Dass es sich beim Berliner Sammlungsbestand überhaupt um diese fünf Madonnen aus Raffaels Frühwerk handelt, ist keiner einseitigen Vorliebe der preußischen Könige geschuldet. Zum Bestand gehörten eigentlich auch die neun sogenannten Raffael-Tapisserien, die 1844 vom preußischen Gesandten Karl Josias von Bunsen gekauft wurden und überaus spektakulär in der Rotunde des Alten Museums und später im Raffael-Saal des Bode-Museums präsentiert wurden. Sie gelten heute als Kriegsverluste, verbrannt in einem Berliner Kriegsbunker. Warum die Staatlichen Museen die Gelegenheit des 500. Todestages Raffaels nicht nutzen, um diese einstigen Prunkstücke der Sammlung und ihren Verlust direkt in der Ausstellung zu dokumentieren - das wird wohl ihr Geheimnis bleiben. Die Sammlungsgeschichte wird dadurch jedenfalls verkürzt, man muss auf eine Publikation Alexandra Enzensbergers am Büchertisch zurückgreifen.
In einem anderen Fall gelingt der Ausstellung das historische "Was-Wäre-Wenn"-Spiel hingegen ganz famos: Aus der Londoner National Gallery wurde eigens für die Ausstellung als eine Art Stargast die "Madonna of the Pinks"/"Madonna mit den Nelken" von 1506/07 geliehen, die mit ihrem auf einem Seidenkissen sitzenden Jesusknaben für Raffaels Frühzeit ungewöhnlich opulent daherkommt. Sie war von Karl Josias von Bunsen in Rom einst ebenfalls für die Berliner Sammlung ausersehen worden, doch weil der Galeriedirektor zögerte, ging die "Nelkenmadonna" in den 1850er Jahren nach England. 2004 wurde sie dann von der National Gallery gekauft, für mittlerweile 35 Millionen Pfund.