Archiv

Gemeinnützigkeit von Vereinen
"Das Finanzamt hatte keinen Spielraum"

Dem Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten VVN-BdA wird die Gemeinnützigkeit entzogen - damit ist die Finanzierung bedroht. Grund: ein Extremismus-Vermerk des bayerischen Verfassungsschutzes. Claudia van Laak meint: Grundsätzlich sei das Verbot, extremistische Vereine zu fördern, sinnvoll.

Claudia van Laak im Gespräch mit Ulrike Winkelmann |
Ein Mann trägt die blau-weiß gestreifte Fahne mit rotem Wimpel durch die Gedenkstätte
Im Sinne der Allgemeinheit? Eine Fahne der VVN-BdA weht im ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald (imago/Eckehard Schulz)
Ulrike Winkelmann: Das Vereinswesen in Deutschland ist an und für sich ein hohes Gut. Insgesamt nimmt die Leidenschaft der Deutschen, sich gemeinnützig zu organisieren, nicht etwa ab, sondern zu. So jedenfalls hat es zuletzt die Bertelsmann-Stiftung gemessen. Sport, Musik, Flüchtlingshilfe, Karneval, Tierschutz, Theater, und natürlich: Beisammensein sind die Dinge, die im Verein gepflegt werden können.
Und weil der Staat darin eine Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts erkennt, wird diese Gemeinnützigkeit auch vom Staat unterstützt: Vereine dürfen für erhaltene Spenden Quittungen ausstellen, mit denen die Spender ihre eigene Steuerzahlung verringern können. Oft hängt an der Gemeinnützigkeit aber auch die direkte Förderung durch den Staat, wenn etwa der Ruderclub den neuen Steg von der Stadt bezahlt bekommt.
Das weitgehend friedliche Vereinswesen ist in jüngerer Zeit allerdings ein wenig in Aufruhr geraten. Einigen recht bekannten Vereinen wurde vom Finanzamt die Gemeinnützigkeit aberkannt, den Globalisierungskritikern von Attac zum Beispiel. Jüngst traf es die VVN-BdA, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten. Ein fragwürdiges politisches Signal, fanden zum Beispiel Überlebende des Holocaust, die sich anlässlich des Auschwitz-Besuches von Kanzlerin Angela Merkel äußerten.
Mit unserer Berlin-Korrespondentin Claudia van Laak habe ich vor der Sendung darüber gesprochen, was es mit dem Streit um die Gemeinnützigkeit auf sich hat. Warum ist den organisierten Antifaschisten in der VVN-BdA die Gemeinnützigkeit entzogen worden?
Claudia van Laak: Da gibt es einen ganz einfachen Grundsatz, der lautet: Eine extremistische Organisation kann nicht gemeinnützig sein, und das steht so in der Abgabenordnung. Und wenn in einem Verfassungsschutzbericht, einem des Bundes oder dem eines Landes, eine bestimmte Organisation eben als extremistisch aufgeführt wird, dann muss also zwangsläufig die Gemeinnützigkeit aberkannt werden.
Das heißt, in diesem Fall war es das Finanzamt für Körperschaften in Berlin – da hat der Verein seinen Sitz. Das hatte da gar keinen Spielraum. Also, es musste die Gemeinnützigkeit aberkennen. Und Grundlage dafür ist in diesem Fall der Verfassungsschutzbericht des Landes Bayern. Dort nämlich wird die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes VVN als linksextremistisch aufgeführt. Das heißt eine Entscheidung in Bayern hat zur Folge eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit in Berlin.
VVN-BdA nur in Bayern als extremistisch aufgeführt
Winkelmann: Zu welchem Urteil kommen denn die Verfassungsschutzämter außerhalb Bayerns in der Sache?
van Laak: Ja, das ist interessant: Die Antifaschisten von der VVN-BdA werden eben nicht vom Verfassungsschutz des Landes Berlin beobachtet und dort auch nicht als extremistisch aufgeführt, auch nicht vom Bundesamt für Verfassungsschutz, lediglich von den Bayern.
Das hat bereits zu einer Debatte im Bayerischen Landtag geführt. Grüne und SPD hatten nämlich beantragt, diese Einstufung als linksextremistisch zurückzunehmen und die VVN nicht mehr zu beobachten. Das hat die CSU-Mehrheit im Landtag abgelehnt.
Steuerbescheid ist auf Eis gelegt
Winkelmann: Wie unterscheidet sich denn dann dieser Fall, von dem etwa von Attac oder auch Campact, denen beiden ebenfalls die Gemeinnützigkeit aberkannt wurde?
van Laak: Das hat einen anderen Grund. Und zwar lautet hier das Argument, diese beiden Organisationen seien überwiegend allgemein politisch tätig gewesen. So hat es der Bundesfinanzhof gesehen. Im Fall von Attac und handele es sich nicht um politische Bildung, so die Begründung, nicht um Informationen über politische Prozesse, sondern um einen Versuch der Einflussnahme, also auf Deutsch um Propaganda. Das hat Konsequenzen. Für Campact bedeutet das zum Beispiel, der Verein muss Steuern nachzahlen in Höhe von 300.000 Euro. Das ist nicht wenig.
Winkelmann: Und muss die VVN-BdA jetzt auch Steuern nachzahlen?
van Laak: Eigentlich ja. Aber gestern wurde bekannt, dass das Finanzamt darauf verzichtet. Das heißt, der entsprechende Steuerbescheid ist zunächst auf Eis gelegt.
Winkelmann: Das klingt, als hätten die Behörden durchaus Spielraum im Umgang mit den verschiedenen Vereinen.
van Laak: In dem Fall ja, also dass der entsprechende Steuerbescheid auf Eis gelegt wurde. Allerdings hat das auch die VVN so beantragt, und sie hat auch dem Finanzamt gegenüber dargelegt, warum der Verein glaubt, doch gemeinnützig zu sein. Sprich: Da hat man die ganzen Bundesverdienstkreuze aufgezählt und die Preise. Gut möglich, dass dieser Verein daraufhin seine Gemeinnützigkeit wieder zurück erhält. Also ich vermute es zumindest.
Debatte um salafistische und jihadistische Moscheevereine
Winkelmann: Die Öffentlichkeit könnte jetzt ja den Eindruck bekommen, der Staat gehe gegen Vereine vor, die Regierungspolitik insbesondere von links kritisieren könnten. Stimmt der Eindruck?
van Laak: Also, ich gehe davon aus, dass auch anderen Vereinen und Organisationen die Gemeinnützigkeit entzogen worden ist in der letzten Zeit, in den letzten Jahren. Dass die es vermutlich aber nicht öffentlich gemacht haben, also nicht so öffentlich gemacht haben wie Attac, wie Campact, wie die VVN-BdA.
Ich nenne mal ein Beispiel, das sind die extremistischen Moscheevereine. Ich kann mich gut an die Debatte über verschiedene salafistische und jihadistische Moscheevereine hier in Berlin erinnern. Und da hat die Öffentlichkeit ja wirklich zu Recht gesagt, diese Vereine, die sollen auf keinen Fall weiter gemeinnützig sein, denn das hieße ja, dass der Staat diese salafistischen Organisation, womöglich terroristische Organisationen unterstützt. Ich nenne die Fussilet Moschee hier in Berlin, wo der IS-Terrorist Anis Amri ein und ausgegangen ist. Und ich gehe davon aus, dass auch diesen Moscheevereinen, wenn sie denn gemeinnützig waren, diese Gemeinnützigkeit entzogen worden ist.
Aber die haben natürlich im Gegensatz zu den Antifaschisten sich nicht an die Öffentlichkeit gewandt und zum Beispiel eine Presseerklärung herausgegeben.
Winkelmann: Und welche Folgen hat jetzt die ganze Sache für die VVN-BdA?
van Laak: Die Folgen hatte ich schon kurz genannt: Der Steuerbescheid ist auf Eis gelegt. Diese Debatte hat aber auch eine positive Folge: Denn besonders Politiker der Linken, die haben einen Aufruf gestartet, "unterstützt die Antifaschisten". Und die Folge war ein Masseneintritt, kann man schon fast sagen. Also, der Verein hatte zuletzt 6.000 Mitglieder. Durch diesen Aufruf sind in den letzten drei Wochen 1.300 neue Mitglieder hinzugekommen. Es war lange so, dass dieser Verein von sehr alten Mitgliedern geprägt wurde. Die sind gestorben, neue kamen nicht nach. Das hat sich jetzt geändert.
Es soll Rechtssicherheit geschaffen werden
Winkelmann: Man hört jetzt, dass das Finanzministerium das Gemeinnützigkeitsrecht überarbeiten möchte. Wissen wir etwas darüber, in welche Richtung die Überarbeitung gehen soll?
van Laak: Da sind erst Formulierungen durchgesickert. Es sollen die Vereine künftig geschützt werden, heißt es. Es soll Rechtssicherheit geschaffen werden. Und die Formulierung lautet, "eine gemeinnützige Tätigkeit könne mit politischen Mitteln begleitet werden".
Diese Formulierung hat schon für Unmut gesorgt: Zum Beispiel beim Bund für Umwelt und Naturschutz BUND, der meinte, die Rechte der Zivilgesellschaft würden beerdigt. Das war die Kritik. Dann hat sich Sven Giegold zu Wort gemeldet, Europapolitiker der Grünen. Und er hat ein Beispiel angeführt - ein Karnevalsverein, der sich zum Beispiel gegen einen Naziaufmarsch engagiert, dem könne dann auch möglicherweise die Gemeinnützigkeit aberkannt werden. Denn diese Aktivität, die hat nichts mit dem originären Vereinszweck eines Karnevalsvereins zu tun. Wir müssen da noch abwarten. Der Gesetzentwurf aus dem Haus von Olaf Scholz liegt meines Wissens noch nicht vor.