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Gemeinsam gegen Frauenausbeutung

Heute findet erstmals der "Europäische Tag gegen Menschenhandel" statt. Ziel ist es, den Bürgern Europas die traurige Realität des lukrativen Geschäfts mit Mädchen und Frauen ins Bewusstsein zu rufen. In Frankreich hat sich gegen den Menschenhandel nun ein Kollektiv aus 22 Organisationen gegründet - von der Caritas über Vereine, die die Prostitution abschaffen wollen bis hin zu Verbänden, die für die Kinderrechte eintreten. Suzanne Krause berichtet.

    Wenn Oksana Ustinova in ihrer Heimat Ukraine oder im Ausland beruflich auf Reisen geht, hat sie immer einen Stapel bunter Handzettel im Gepäck. Abgebildet ist da eine Zeitungsseite mit Stellenanzeigen. Darauf thront eine Mausefalle. Klar ist: Hinter einer Kleinanzeige für den Traumjob im Westen stecken nicht selten Menschenhändlerringe. Die Stellenanzeige als Fahrkarte in die Hölle. Die Handzettel ließ die ukrainische Regierung vor zwei Jahren für eine Aufklärungskampagne drucken. Oksana Ustinova leitet die landeseigene Caritas-Stelle gegen Menschenhandel:

    "Gerade letzte Woche hatte ich ein Treffen mit Vertretern des Innenministers. Es ging darum, vier Mädchen die Ausreise zu verbieten. Denn wir hatten klare Hinweise darauf, dass sie in der Türkei sexuell ausgebeutet werden sollten."

    Eigentlich hat der ukrainische Staat kein Recht, seine Bürger von einer Ausreise abzuhalten. Außer, es besteht Verdacht, dass die Person Opfer eines Menschenhändlerringes ist und in der Fremde ausgebeutet und versklavt werden soll. Ein Schicksal, das laut Regierungsangaben alleine zwischen 1988 und 1998 um die 400.000 Frauen und Mädchen erlitten. Seit die katholische Hilfsorganisation Caritas in der Ukraine vor vier Jahren ihre spezielle Anlaufstelle eröffnete, wandten sich schon 330 Opfer, Heimkehrer an sie.

    "Zwanzig Prozent der Frauen, die in unser Zentrum kommen, sind Opfer sexueller Ausbeutung in der Türkei. Es handelt sich häufig um junge Frauen, die keine Ausbildung haben, keine Arbeit, die aus abgelegenen, armen Gegenden stammen. Sie werden zumeist von Fremden angesprochen, die ihnen einen Job anbieten: im Cafe, im Restaurant, als Bedienung oder als Spülerin."

    Auch der Libanon ist mittlerweile Traumziel für Menschenhändler. Laut einer lokalen Tageszeitung ist jeder 16. Anwohner im Land eine ausländische Dienstmagd. Sie kommen zuhauf aus Sri Lanka, von den Philippinen oder auch aus Äthiopien, wie die Zwanzigjährige, die sich bei einer Vermittlungsagentur hoch verschuldete, um in Beirut Anstellung zu finden. Bei der ersten Familie wurde sie misshandelt, bei der zweiten schuftete sie 18 Stunden täglich.

    Trauriger Alltag für viele. Als sie in ihre Heimat zurückflüchten wollte, zurück zu ihrem dreijährigen Sohn, fiel sie in die Hände eines Taxifahrers, der sie vergewaltigte und eine Klippe hinunterwarf. Schwerverletzt blieb sie dort 24 Stunden liegen, bis sie ins Krankenhaus kam. Hier eilte ihr Najla Chahda zur Hilfe, die Leiterin der Caritas-Stelle für Menschenhandelsopfer in Beirut:

    "Nachdem sie kein Geld hatte, wurde sie nicht richtig versorgt. Heute sitzt die junge Frau im Rollstuhl. Wir haben uns medizinisch und psychologisch um sie gekümmert und sie dann auf ihren ausdrücklichen Wunsch in ihre Heimat zurück begleitet. Doch sie kann sich nicht mal mehr um ihren Sohn kümmern. Nun wird sie von einer Sozialarbeiterin betreut."

    Modernes Sklaventum ist selbst in Frankreich ein Thema: Seit sich 1994 ein Hilfsverein in Paris gründete, befreite dieser mittlerweile schon 500 ausländische Dienstmädchen aus totaler Ausbeutung. Der Verein gegen das moderne Sklaventum gehört zu den Mitinitiatoren des neugegründeten französischen Kollektiv gegen den Menschenhandel, Wortführerin der Bewegung ist Geneviève Colas von der französischen Caritas:

    "Zum heutigen allerersten "Europäischen Tag gegen Menschenhandel" wollen wir den Bürgern bewusst machen, dass wir alle gemeinsam dieses Übel bekämpfen müssen: die zivile Gesellschaft, die Nichtregierungs-Organisationen ebenso wie Polizei, Justiz und Sozialdienste."

    Am Herzen liegt dem Netzwerk auch das Abkommen zum Kampf gegen den Menschenhandel, für das der Europarat derzeit trommelt. Ab der zehnten Unterschrift tritt das Abkommen in Kraft. Dann will das Kollektiv allen Einfluss geltend machen für die bestmögliche Umsetzung, für den effizienten Kampf gegen Menschenhandel.