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Gemeinsam gegen Janukowitsch

Die Ukraine wählt im Oktober ein neues Parlament, und es sieht danach aus, als sollte die ukrainische Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko nicht an den Wahlen teilnehmen. Ihre Partei, Batkivschina (Vaterland), hat sich unterdessen mit anderen Oppositionsparteien zusammengeschlossen.

Von Gesine Dornblüth | 25.06.2012
    "Julia-Rufe"

    Wieder einmal demonstrieren Julia Timoschenkos Anhänger im ostukrainischen Charkiw. Sie schwenken die weißen Fahnen ihrer "Vaterlandspartei" mit dem roten Herzen darauf. Dazwischen grün-weiße Flaggen. Sie gehören der "Front für Veränderungen" des ehemaligen Außenministers Arsenij Jazenjuk.

    Beide Oppositionsparteien haben sich kürzlich zusammengeschlossen, um gemeinsam bei der Parlamentswahl im Oktober anzutreten. Elena Armasch ist stellvertretende Vorsitzende der Vaterlandspartei von Julia Timoschenko in Kirowograd, vier Autostunden südlich von Kiew:

    "Bei uns sagt man: Die Demokraten in der Ukraine vereinigen sich fünf Minuten vor der Erschießung. Wir hoffen, dass wir rechtzeitig vor der Parlamentswahl eine gute Mannschaft zusammenkriegen - aus allen Kräften, die sich für Demokratie und Bürgerfreiheiten einsetzen."

    Der Druck auf die Opposition ist enorm. Nicht nur Julia Timoschenko, sondern auch zahlreiche weitere Anführer ihrer Vaterlandspartei sitzen im Gefängnis oder sind ins Ausland geflohen. Andrej Pyschnyj, der stellvertretende Vorsitzende der "Front für Veränderungen", hofft, dass die Parteien mit ihrem Zusammenschluss ein positives Signal in die Bevölkerung senden. Es sei die einzige Chance, eine Diktatur des derzeitigen Präsidenten Janukowitsch abzuwenden:

    "Wir hoffen auf einen Synergieeffekt. Die Menschen in der Ukraine wollen, dass sich die demokratischen Kräfte zusammenschließen, sie wollen eine politische Erneuerung."

    Auch einige kleinere Parteien haben sich dem Bündnis angeschlossen. Die Partei "UDAR" des Boxweltmeisters Vitalij Klitschko hingegen will mit einer eigenen Liste bei der Parlamentswahl antreten. Klitschko ist aber bereit, mit der Vereinigten Opposition über gemeinsame Wahlkreiskandidaten zu verhandeln. Parteizugehörigkeiten sollten dabei keine Rolle spielen, fordert Andrej Pyschnyj von der "Front für Veränderungen":

    "Ursprünglich wollten wir Quoten vergeben: Die jeweils stärkste Partei eines Wahlkreises sollte den Kandidaten bestimmen. Aber wir mussten einsehen, dass das nicht funktioniert. Nun konzentrieren wir uns auf Personen. Wenn wir in einem Wahlkreis am stärksten sind, die Vaterlandspartei aber den besseren Kandidaten hat, dann lassen wir ihr natürlich den Vortritt. Außerdem wollen wir viele parteilose Kandidaten nominieren. Hauptsache, sie kommen bei der Bevölkerung an und teilen europäische Werte."

    Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Die Parteien der Ukraine haben einen schlechten Ruf. Im Parlament sitzen bisher vor allem Oligarchen. Sie nutzen das Parlament, um ihre persönlichen, finanziellen Interessen durchzusetzen. Die Streitigkeiten innerhalb der Koalitionen sind legendär. Julia Timoschenko und ihr ehemaliger Mitstreiter bei der Orangenrevolution, Viktor Juschtschenko, lieferten sich in der Zeit ihres gemeinsamen Regierens einen erbitterten Machtkampf.

    Ihr Kleinkrieg hatte erheblichen Anteil daran, dass ihr politischer Gegner, die Partei der Regionen von Wiktor Janukowitsch, bei der letzten Parlamentswahl überhaupt gewinnen konnte. Nun also eine vereinigte Opposition? Aschot Gazarjan, Mitglied der Vaterlandspartei Julia Timoschenkos, ist skeptisch. Er traut dem Vorsitzenden der verbündeten Front für Veränderungen, Arsenij Jazeniuk, überhaupt nicht.

    "Wenn Präsident Janukowitsch ihm zwei Tage vor der Parlamentswahl den Posten des Premierministers anbietet, dann läuft Jazeniuk mit fliegenden Fahnen ins Regierungslager über und pfeift auf die vereinigte Opposition."

    Jazeniuk war mit 30 Jahren bereits stellvertretender Direktor der Nationalbank. Seine steile Karriere ist vielen verdächtig. Sein Stellvertreter, Andrej Pyschnyj, versucht, derartige Befürchtungen zu zerstreuen. Der Opposition gehe es um langfristige strategische Ziele:

    "Wir haben jetzt schon vereinbart, dass die vereinigte Opposition mit einem gemeinsamen Kandidaten bei der Präsidentenwahl antreten wird. Vielleicht findet die schon vor dem regulären Termin 2015 statt. Denn wenn wir bei der Parlamentswahl gewinnen, werden wir als erstes ein Gesetz über ein Impeachment verabschieden. So können wir dem Präsidenten das Misstrauen aussprechen und vorgezogene Präsidentenwahlen herbeiführen."

    An denen wird dann auch Julia Timoschenko teilnehmen können, hofft die Opposition.