"Die Leute sind frustriert und verärgert über das, was passiert ist, was Volkswagen da gemacht hat. Die sind unmittelbar betroffen von Fahrverboten, von einem massiven Wertverfall. Die Justiz ist am Ende das Einzige, worauf die Leute sich jetzt verlassen können, weil die Politik hat in großem Umfang versagt."
Bei Philipp Caba und seine Rechtsanwaltskollegen rufen täglich über 100 Menschen an, weil sie darüber nachdenken, sich der Musterfeststellungsklage gegen VW anzuschließen. Die Berliner Kanzlei berät und vertritt Mandanten, die sich durch VW betrogen fühlen und gegen das Unternehmen vorgehen wollen – sei es mit einer Einzelklage, sei es, indem sie sich der Klage des Verbraucherzentrale Bundesverband vzbv anschließen.
Die Verbraucherschutzzentrale ist einer der ersten Verbände, die das neue Instrument der so genannten Musterfeststellungsklage nutzen. Erst im November ist das zugrundeliegende Gesetz in Kraft getreten. Verbraucherschutzorganisationen können seitdem im Namen von mindestens fünfzig Geschädigten, die sich in ein spezielles Register eingetragen haben müssen, gegen Unternehmen klagen.
In einem so genannten Musterverfahren wird vom Gericht dann festgestellt, ob überhaupt die Voraussetzungen für einen Schadensersatz gegeben sind. Anschließend muss der einzelne Verbraucher seinen individuellen Schadenersatzanspruch zwar dann noch selbstständig durchsetzen, er kann sich dabei jedoch auf die im Musterverfahren getroffenen Feststellungen berufen.
Fast 200.000 Betroffene haben sich bereits angeschlossen
Der eigentliche Schadensersatzprozess wird damit – so die Hoffnungen – schneller und vor allem risikoloser. Im Fall VW haben sich bereits fast 200.000 Betroffene der Musterfeststellungsklage angeschlossen. Eine solch hohe Zahl hatten selbst die Verbraucherschützer nicht erwartet, sagt Jutta Gurkmann vom vzbv:
"Nein, überhaupt nicht. Ganz zu Anfang hatten wir, nachdem ja auch immer mehr Einzelfälle vor Gericht gingen, nachdem auch andere Klagemodelle ja sehr stark im öffentlichen Fokus waren, hatten wir damit gerechnet, dass sich, ja vielleicht eine vier- oder fünfstellige Zahl an Verbraucherinnen und Verbrauchern für diese Klage noch entscheiden werden. Dass wir jetzt tatsächlich schon deutlich im sechsstelligen Bereich sind, hätten wir nicht gedacht."
Mit seiner Klage gegen VW will der vzbv gemeinsam mit dem ADAC gerichtlich feststellen lassen, dass der Volkswagen-Konzern Verbraucher durch den Einsatz von Manipulationssoftware vorsätzlich geschädigt hat und daher zum Schadensersatz verpflichtet ist. Geklärt werden soll außerdem, ob Kunden, falls sie ihr Auto zurückgeben dürfen, ihr Geld in voller Höhe zurückbekommen oder eine Nutzungsentschädigung zahlen müssen.
Nachdem die Klage gleich Anfang November eingereicht wurde und die erforderliche Zahl von 50 Klägern bereits weit überschritten wurde, heißt es jetzt warten, erläutert Jutta Gurkmann:
"Wir warten jetzt im Grunde genommen auf den nächsten Schritt des Gerichts. Das Gericht müsste jetzt irgendwann entscheiden, wann es einen Termin zur mündlichen Verhandlung gibt."
Dass das Interesse weiterhin unvermindert groß ist, zeigt die große Zahl von Anfragen, die nach wie vor täglich beim vzbv eingehen. Der Verband hat eine Telefonhotline und unter Musterfeststellungsklagen.de eine Extra-Internetseite eingerichtet, wo Fragen zu den Details des Verfahrens geklärt werden.
"Das sind Fragen, die ganz gezielt die VW-Klage betreffen. Also die klassische Frage, kann ich mich denn jetzt eintragen, wie geht es weiter, was muss ich denn machen, spezifische Fragen, wie man dieses Formular ausfüllt, wie man sich anmeldet. Aber es kommen durchaus auch Nachfragen von anderen Autobesitzern, also nicht nur von den von dieser Klage betroffenen Fahrzeuge, sondern auch von anderen Herstellern."
Ein weiterer wichtiger Tipp, den der Verbraucherzentrale Bundesverband gibt: Betroffene sollten sich gründlich überlegen und gegebenenfalls auch beraten lassen, ob die Musterfeststellungsklage für ihren konkreten Fall wirklich der beste Weg ist. Wenn beispielsweise eine Rechtsschutzversicherung besteht, könnte es durchaus sinnvoll sein, einzeln zu klagen. Denn auch die Individualklagen gehen mehr und mehr zufriedenstellend für die Verbraucher aus.
"Es gibt viele Faktoren"
"Und damit gibt es da auch durchaus Optionen, die man erwägen sollte. Es gibt viele Faktoren, die man bedenken sollte: Das Alter des Fahrzeugs spielt eine Rolle, auch gibt es ganz unterschiedliche Wünsche: Manche Verbraucherinnen und Verbraucher wollen das Fahrzeug los werden, weil sie sagen, ich weiß gar nicht, was ich damit noch anfangen soll. Es gibt aber auch ganz viele, die sagen, ich bin eigentlich glücklich mit meinem Fahrzeug ich möchte nur nicht das Risiko eingehen, dass ich es demnächst nicht mehr fahren kann, dass ich Schäden habe und da möchte ich einfach sichergehen, dass diese Nachteile ausgeglichen werden."
Eine Rolle bei der Entscheidung zwischen Musterfeststellungsklage und Individualklage dürfte auch die Dauer des Gerichtsverfahrens spielen. Denn mit Einzelklägern schließen die Autobauer nicht selten Vergleiche, bevor der gesamte Instanzenweg ausgeschöpft wurde.
Die Zahl der aufgehobenen Verhandlungstermine bei den Oberlandesgerichten und beim Bundesgerichtshof lässt darauf schließen, dass es VW in diesen Verfahren unbedingt vermeiden will, eine obergerichtliche Grundsatzentscheidung zu kassieren. Bei der Musterfeststellungsklage ist es dagegen schwierig, vorherzusehen, wie lange es dauern wird, bis gerichtlich endgültig festgestellt wird, dass das Unternehmen für die Schäden an den Autos tatsächlich haftet. Noch einmal Jutta Gurkmann:
"Also da müssen wir tatsächlich so ein bisschen in der Glaskugel lesen. Dieses Gesetz ist ja völlig neu, kein Mensch hat bislang Erfahrungen sammeln können, wie solche Verfahren laufen."
Mit mindestens drei, vier Jahren Verfahrensdauer rechnet Ralph Sauer. Er ist einer der Rechtsanwälte, die den vzbv im Musterklageverfahren gegen VW vor Gericht vertreten.
"Wenn alles seinen Weg geht, gehen wir davon aus, dass innerhalb der nächsten ein bis zwei Jahren eine erste Entscheidung beim OLG vorliegen wird und dann wird es nochmal ein bis zwei Jahre beim BGH dauern."
Für den 45-jährigen Badener ist das Verfahren eine ganz besondere Herausforderung. Weil es mit der Musterfeststellungsklage noch keinerlei Erfahrungen in Deutschland gibt. Rechtliche Unsicherheiten und Stolperfallen sind daher inklusive.
"Es ist nicht nur Neuland, es ist in vielen Bereichen auch Glatteis. Das muss man tatsächlich so sagen. Es gibt in diesem Gesetz so viele Lücken, so viele Begrifflichkeiten, die man so nicht kennt. Also das Gesetz ist voll von problematischen Stellen, die uns durchaus schon Kopfzerbrechen bereitet haben und auch in Zukunft noch bereiten werden."
Feuertaufe der Musterfeststellungsklage
Ralph Sauer ist dennoch sehr zuversichtlich, dass er das Verfahren letztendlich gewinnen wird, und die Musterfeststellungsklage ihre Feuertaufe besteht. Beim vzbv denkt man derweil schon weiter. Verbraucherschützerin Jutta Gurkmann:
"Natürlich überlegen wir auch, wie wir weitermachen. Und natürlich müssen wir überlegen, ob wir nochmal im selben Bereich – also Abgasmanipulationen, Dieselskandal - etwas tun werden, oder ob möglicherweise mit dieser ersten Klage auch eine Bewegung in Gang gesetzt wurde und wir uns auch anderen Themen, die genauso wichtig und dringlich sind, zuwenden. Und da fällt uns ganz vieles ein."
Doch nicht nur in Deutschland hat der Dieselskandal die rechtspolitische Diskussion über Klageverfahren, in denen sich Verbraucher zusammenschließen können, befördert. In Brüssel steht die Einführung von Sammelklagen seit Jahren, wenn nicht gar Jahrzehnten auf der Agenda. Aber erst die Manipulationen führten dazu, dass die Europäische Kommission im Frühjahr dieses Jahres auch einen entsprechenden Richtlinienentwurf vorgelegt hat.
Anfang Dezember hat das EU-Parlament dazu seine Position beschlossen, mit dem es jetzt in die abschließenden Verhandlungen mit Kommission und den Mitgliedsstaaten geht.
Geoffroy Didier ist derjenige, der für das Parlament die Gespräche führen wird. Er meinte nach der Beschlussfassung im Rechtsausschuss des Parlamentes:
"Der Dieselgate-Skandal hat die Situation verändert, er hat die europäische Situation verändert. Er hat die Notwendigkeit für einen besseren Schutz der Verbraucher gezeigt, die sich nun zusammenschließen können um, gemeinsam gegen große Unternehmen vorzugehen, wenn sie einen Schaden erlitten haben."
Auch wenn sie teilweise so genannt wird, eine echte Sammelklage ist das neue europäische Rechtsinstrument nicht. Denn, wie auch in Deutschland bei der Musterfeststellungsklage, führt der Weg über Verbände. Die müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllen und erhalten dann die Möglichkeit, für Verbraucher zu klagen. Roland Stuhr befasst sich beim Verbraucherzentrale Bundesverband mit dem Thema. Er erklärt:
"Der wesentliche Unterschied zu der deutschen Musterfeststellungsklage ist hier eben, dass ich als Verbraucher am Ende Geld bekomme, oder zum Beispiel einen Umtausch."
Denn das ist einer der Hauptkritikpunkte an der deutschen Musterfeststellungsklage: Dass der Verbraucher, danach erstmal noch nichts in der Hand hat, sondern das Gericht lediglich feststellt, dass das Unternehmen grundsätzlich haftet. Eine konkrete Entschädigung muss jeder Betroffene dann selbst einklagen.
Entschädigungs-, Reparatur- oder Preisminderungsanspruch
Bei der europäischen Klage soll das nicht mehr nötig sein – der Verband kann dann für die Betroffenen direkt auch einen Entschädigungs-, Reparatur- oder Preisminderungsanspruch einklagen. Nach Ansicht des vzbv ist das sehr sinnvoll für den Verbraucher.
Noch einmal Roland Stuhr:
"Wir begrüßen den Vorstoß der Kommission sehr. Weil es eben Fälle gibt, die mit der Musterfeststellungsklage alleine nicht sinnvoll gelöst werden können."
Gemeint sind dabei vor allem Fälle, in denen die Schäden anders als beispielsweise im VW-Verfahren, für alle gleich hoch sind.
"Ein Beispiel dafür sind unzulässige Bankgebühren. Das kennen wir aus der Praxis, dass Banken zum Beispiel von ihren Kunden Gebühren in Höhe von 30 Euro verlangen, die rechtswidrig sind. In solchen Fällen macht eine Musterfeststellungsklage überhaupt keinen Sinn. Da geht es einfach darum, dass alle betroffenen Verbraucher diese dreißig Euro zurückbekommen. Und dann würde man auf Rückzahlung dieser dreißig Euro klagen. Und dafür macht es Sinn, so etwas wie diese europäische Sammelklage auch möglichst bald in Deutschland einzuführen."
Dann nämlich würde der Verband ohne einen weiteren Zwischenschritt darauf klagen können, dass alle betroffenen Bankkunden ihre 30 Euro zurückbekommen.
Weniger begeistert von der europäischen Verbandsklage ist Stefan Wernicke von der Deutschen Industrie- und Handelskammer. Er hätte sich gewünscht, dass man hier nicht so übereilt ein neues Instrument schafft.
"Wir haben jetzt in Deutschland nach langer und vertiefter Diskussion eine Musterfeststellungsklage. Es wäre richtig, diese erstmal auszuprobieren, zu sehen, welche Ergebnisse sie bringt."
Der Wirtschaftsvertreter will sich auch die anderen europäischen Staaten anschauen. In den meisten anderen Mitgliedstaaten gibt es nämlich ebenfalls in irgendeiner Form die Möglichkeit, dass Verbraucherinteressen kollektiv vor Gericht durchgesetzt werden können. Zahlreiche Länder haben in den vergangenen Jahren entsprechende Gesetze verabschiedet. Und deshalb meint Stephan Wernicke:
"Wir haben also sehr unterschiedliche Systeme. Wir würden dafür plädieren, dass man schaut, in welchem Mitgliedstaat es am besten funktioniert."
Susanne Augenhofer ist Professorin für Deutsches und Europäisches Wirtschaftsrecht und hat als Sachverständige für den Rechtsausschuss des Europäischen Parlamentes die Situation in Europa untersucht. Ihr Fazit:
"Man muss jedoch sagen, dass die Modelle in der Praxis in keinem der genannten Länder hundertprozentig überzeugen können. Stark vereinfacht gesprochen würde ich sagen, dass der Hauptgrund ist, dass die Verbände, die klagebefugt sind bei den einzelnen Modellen nicht die finanzielle Ausstattung haben, um tatsächlich immer Klage zu erheben, wenn es sinnvoll ist."
Verbraucher sollen profitieren
Wie es in dieser Beziehung bei der europäischen Sammelklage aussehen wird, dazu sagt der Richtlinienentwurf der Kommission nichts. Die Mitgliedstaaten sollen selbst regeln können, wie sich die Verbände finanzieren sollen. Es muss allerdings gewährleistet sein, dass ausschließlich die betroffenen Verbraucher von dem Verfahren profitieren. Insbesondere die Wirtschaft warnt vor einer so genannten "Amerikanisierung", bei der – so wird es behauptet – vor allem die Rechtsanwälte und hinter ihnen stehende Finanziers verdienen. Bei der europäischen Verbandsklage müssen aber Dritte mit reinem Profitinteresse draußen bleiben, fordert auch Axel Voss, der für die CDU im Rechtsausschuss des Europäischen Parlamentes sitzt.
"Das ist einfach ein Geschäftsmodell geworden, sei es über Hedgefonds, sei es über große Anwaltskanzleien, sich nur noch darauf zu konzentrieren, bestimmte Firmen an die Öffentlichkeit zu zerren und die dadurch natürlich auch unter Druck zu setzen, wo man dann versucht, viel Geld rauszubekommen. Wobei aber da wiederum nicht das Interesse des jeweiligen Verbrauchers im Fokus steht."
Diese Gefahr sieht SPD-Mitglied Timo Wölken, stellvertretendes Mitglied im Rechtsausschuss, nicht. Die Befürchtung, auf diese Art drohe eine "Amerikanisierung" kann er nicht nachvollziehen. Man müsse eben nur entsprechend Vorsorge treffen, meint der Parlamentarier.
Unterschiede in den Rechtssystemen
"Wichtig ist, und das kann man aber sicherstellen, dass Anwälte keinen monetären Anreiz haben, einen möglichst hohen Schadenersatz zu bekommen. Da haben wir aber auch unsere Experten an unserer Seite, die sagen, indem man diesen Anreiz ausschaltet, wird es dann auch nicht zu einer drohenden Amerikanisierung kommen."
Allein schon auf Grund der Unterschiede in den Rechtssystemen bestehe dieser Anreiz nicht, meint Ursula Pachl. Sie ist die stellvertretende Generaldirektorin der BEUC, der europäischen Verbraucherschutzorganisation in Brüssel. Sie meint, dass die Grundvoraussetzungen in Europa schon völlig anders sind.
Es gebe, so Pachl, weder einen Strafschadensersatz in exorbitanter Höhe, wie in manchen US-amerikanischen Verfahren, noch könnten hierzulande Rechtsanwälte einen großen Teil der eingeklagten Summe gleich als Erfolgshonorar einstreichen. Und damit besteht eben auch kein großer finanzieller Anreiz für missbräuchliche Klagen. Ursula Pachl:
"Es geht ja nicht um den Missbrauch der Verbraucher, sondern es geht tatsächlich um Unternehmen, die missbräuchlich agieren. Und das wird dann sehr oft eben übersehen, um was es eigentlich geht."
Parlament will Regelungen verschärfen
Roland Stuhr, der deutsche Verbraucherschützer, weist darauf hin, dass allein schon dadurch, dass Klageverbände ihre Finanzierung offenlegen müssen, eine Beteiligung sachfremder Interessen ausgeschlossen wird. Diese Regelungen will das Parlament gegenüber dem Kommissionsentwurf sogar noch verschärfen. Roland Stuhr erläutert:
"Die Einschränkungen vom Parlament zielen vor allem auf Transparenz ab, das heißt also, diejenigen Organisationen, die dann so eine Sammelklage führen wollen, die müssen deutlich machen, wie ihre Organisationsstruktur ist, ihre Managementstruktur, wie sie arbeiten, welche Ziele sie verfolgen, und vor allem, woher sie ihr Geld nehmen."
Eine weitere Änderung, die das Parlament durchsetzen will, bedauert Stuhr allerdings außerordentlich. Der Ursprungsentwurf sah auch ein Verfahren vor, wenn es um kleine Schäden, so genannte Streuschäden - geht. Die Kommission hatte hier ein System der Gewinnabschöpfung integrieren wollen - dann hätten die Unternehmen ihren durch den Rechtsverstoß erwirtschafteten Gewinn herausgeben müssen. Verbraucherschützer Roland Stuhr:
"Bei der Gewinnabschöpfung geht es vor allem darum einem Unternehmen, den wirtschaftlichen Anreiz zu nehmen, durch Rechtsbruch Verbraucher zu schädigen. In solchen Fällen, wo zum Beispiel durch kleine Rechenfehler in Abrechnungen Verbraucher nur in Höhe weniger Cent geschädigt werden, aber Massenanbieter zum Beispiel im Telekommunikationsbereich dadurch Millionen verdienen können, da hilft es nichts, im Einzelnen und mit einer Sammelklage dagegen vorzugehen. Da muss man diese Unrechtsgewinne einfach abschöpfen. Damit sich Unrecht, Rechtsbruch zu Lasten der Verbraucher nicht lohnt."
Das aber wollte das Parlament nicht, die entsprechenden Absätze sollen ersatzlos gestrichen werden. Da das Parlament seine Änderungsvorschläge nicht öffentlich begründet, kann man den Grund der Entscheidung nur vermuten: Möglicherweise haben die Abgeordneten sich daran gestört, dass bei einer Vermögensabschöpfung die betroffenen Verbraucher nicht am Verfahren beteiligt sind. Sie können nicht darüber entscheiden, ob sie sich überhaupt beteiligen wollen und selbst wenn der Verband siegt, bekommen sie kein Geld.
Das aber widerspricht dem eigentlichen Grundgedanken der europäischen Verbandsklage. Auf der anderen Seite wäre eine solche Vermögensabschöpfung ein deutliches Zeichen an die Unternehmen gewesen. Und sie hätte den Verbraucherschützern vielleicht doch etwas Geld in die Kasse gespült. Denn ursprünglich war vorgesehen, dass die Entschädigung einem öffentlichen Zweck zu Gute kommt, der den Kollektivinteressen der Verbraucher dient.
Roland Stuhr gibt aber die Hoffnung noch nicht auf:
"Wir müssen abwarten, ob es dabei bleibt, oder ob es vielleicht im Zuge der Verhandlungen mit dem Rat und den Mitgliedstaaten dann doch wieder aufgenommen wird."
Unklar ist auch noch, was mit der deutschen Musterfeststellungsklage wird, wenn die europäische Sammelklage tatsächlich kommen sollte. Grundsätzlich will der Richtlinienentwurf bereits vorhandene nationale Modelle für Kollektivklagen nicht ersetzen. Vielmehr sind Öffnungsklauseln vorgesehen, die den Mitgliedstaaten erlauben, eigene Systeme beizubehalten. Ob davon auch die Musterfeststellungsklage erfasst werden wird, bleibt abzuwarten.
Möglich ist auch, dass, selbst wenn die Musterfeststellungsklage im Gesetzbuch bleibt, im praktischen Leben einfach kein Bedarf mehr bestehen wird. Verbraucherschützer sehen die jetzige Diskussion um Sammelklagen aber allein schon rechtspolitisch als einen wichtigen Schritt an, denn so werde den Unternehmen signalisiert, dass Betrug am Verbraucher nicht mehr folgenlos bleibt.